1. Juli 2014

Die WM-Zwischenbilanz

Heute Abend spielt die Schweiz gegen Argentinien. Höchste Zeit eine erste Bilanz zu ziehen, idealerweise vor diesem bedeutenten Spiel. Immerhin vermochte die Schweiz in der Vorrunde auf ihre ganz spezielle Art und Weise zu überzeugen. Sagen wir mal so, die Massen konnte sie vielleicht nicht wirklich bewegen, aber trotzdem hat die Nati zeitweise erfrischenden Fussball gespielt. Insbesondere ist dies dem Trainerfuchs Ottmar Hitzfeld zu verdanken (An dieser Stelle ihm und seiner Familie viel Kraft!). Er konnte die vielen Einzelkünstler zu einer Art Team verschmelzen. Eben, so ganz überzeugt mich die aktuelle Nati-Generation nicht... da sind zu viele Einzelmasken und zu wenig Typen dabei. Am Weekend fand in Buchs ein Spiel der ehemaligen Nati-Cracks statt... Hottiger, Elsener, Egli, Rothenbühler, Chapuisat und Co. - das waren halt schon noch andere Charaktere. Aber nichtsdestotrotz werd ich heute Abend mit der Schweizer Nationlamannschaft mitfiebern und auf die Sensation gegen Messi und Co. hoffen. 


Und sonst? Das Team Neuer hat sich gestern Abend gegen Algerien (die Wüstenfüchse, Foto siehe ganz unten!) sehr schwer getan. Im Gegensatz zu Hitzfeld kann man den Löw nach diesem Spiel nicht wirklich loben. Meiner Meinung nach hat da nur sehr wenig gespielt und mit Mustafi war ein Spieler auf dem Platz, der komplett überfordert war. Zudem Lahm auf der falschen Position, ein behäbiger Boateng, Khedira zu lange auf der Bank, Özil wiederum schwach... das war nix. Aber unterm Strich hat sich dann doch die Erfahrung durchgesetzt und dank den Wechseln und der taktischen Umstellungen konnte das Spiel gewonnen werden. Find ich gut! In Deutschland selber macht man sich heute zünftig lustig über das Nationalteam. Da wird von "Mani, dem Libero" geredet, auch Özil kriegt sein Fett ab und das Interview beim ZDF von Per Mertesacker wird zum Kult. Man ist sich aber klar, dass Deutschland zwar schwach war, Algerien aber auch alles gefordert hat von der Löw-Truppe. Und auch wenn ich es den Algeriern nach ihrer kämpferischen Leistung auch gegönnt hätte, in die Viertelfinals zu kommen, liegt mir der deutsche Fussball dann doch mehr am Herzen und ich freue mich, dass die Odysee für unsere nördlichen Nachbarn weitergeht. 


Ebenfalls gestern im Einsatz waren die Franzosen. Les Bleus taten sich gegen Nigeria ebenfalls sehr schwer, analog der Deutschen. Allerdings hat Trainer Didier Deschamps, im Gegensatz zu Löw, reagiert und das Sturmduo Giroud/Benzema auseinandergerissen. Mit Antoine Griezmann kam neuer Wind, was schlussendlich dann zu den benötigten Toren geführt hat. Zudem hatte ich während den ganzen 90 Minuten den Eindruck, dass bei den Franzosen noch mehr geht. Ein Eindruck, der sich dann ja zum Schluss als richtig herausgestellt hat. Meine zwei ganz persönlichen Lieblinge Mathieu Valbuena und Paul Pogba konnten mich überzeugen, wobei vor allem der Juve-Spieler noch mehr Potential hat. Dass es nun am Freitag zum Duell zwischen DEU und FRA kommt, muss nicht unbedingt sein - aber ändern kann man es nicht. Ich bin es mir ja über all die Jahre inzwischen gewohnt, dass Frankreich regelmässig zB gegen die Schweiz spielt. Möge also der Bessere gewinnen... 

Ansonsten hab ich den WM-Favoriten bis jetzt noch nicht gefunden. Alle Teams, von denen ich gedacht habe, die hätten Chancen, haben irgendwann mal enttäuscht. Konkret gilt das für Holland, Deutschland oder Brasilien. Und auch die Aussenseiter wie Belgien oder Frankreich haben Schwächen gezeigt. Kommen noch die Teams aus Mittel- und Südamerika dazu, zu welchen ich schier keine Beziehung habe und deren Spiele ich nicht wirklich mitverfolgt habe. Unterm Strich bleibt im Bezug auf den Weltmeistertipp darum ein grosses Fragezeichen! 

Hat Sie das WM-Fieber eigentlich gepackt? Mats Hummels scheinbar ja, aber sonst finde ich es schon eher ruhig. Klar, bei den Schweiz-Spielen sind die Fans auf der Piste und feuern ihre Helden an. Es wurde letzte Woche auch kräftig gefeiert auf der Aarauer Bahnhofstrasse. Aber sonst hat es mich nicht sooooo gepackt wie auch schon. Das liegt aber wohl an den Anspielzeiten. Um 18 Uhr ist noch recht früh, da musst du direkt von der Arbeit abhauen und während dem Spiel möglichst dann noch was essen, damit es reicht. Und das 22 Uhr Spiel ist - so wie gestern Montag - dann doch schon reichlich spät um es noch irgendwo unter Leuten zu sehen. Erst recht wenn die dann noch Verlängerung und Elfmeterschiessen spielen. Wobei man ja sagen muss, dass die WM TV-technisch sehr schön aufbereitet wird. Die Tor-Kamera find ich gut und sinnvoll. Ebenso mag ich den Rasierschaum und hoffe, dass dieser auch in der Super League eingeführt wird. Und wenn nich schon bei lobenden Worten bin, auch den Vorschlag von Sepp Blatter, dass analog dem Eishockey der Videobeweis eingeführt werden soll, finde ich tiptop! Weniger gut gefällt mir, dass die TV-Bilder geschönt und zensuriert werden. Keine Flitzer und gar nichts. Ja nicht einmal verbale Attacken oder Fingerzeige gegen den Schiri werden mehr gezeigt. Das alles gehört nun mal zum Fussball und schürt Emotionen. Aber eben, die Werbepartner - welche übrigens ihre reservieren Sitze in den Stadien immer schön unbesetzt lassen - wollen cleanen Fussball. Und den kriegen sie 2014 geboten! 


In diesem Sinne, weiterhin eine schöne WM. Freuen wir uns auf heute Abend und auf den Freitag, wenn es zur Neuauflage des Klassikers DEU gegen FRA kommt. Die Älteren unter uns erinnern sich an 1982... 


27. Juni 2014

à propos:

«Autsch!»

Im englischen Sprachgebrauch gibt es den schönen Ausdruck «Backstabber». Er steht für einen Menschen, der dir, kaum drehst du ihm den Rücken zu, das Messer in den selben stösst. Wir würden es vielleicht am ehesten übersetzen mit Kameradenschwein oder Verräter.

In den Tagen der Fussball WM, welches ja ein völkerverbindender Anlass sein soll, wagt sich so der eine oder andere Backstabber aus seiner einsamen Höhle unter's Volk. Besonders auffällig wird einem sein hinterlistiges Verhalten, wenn man mit dem, vermeintlich, falschen Fussballleibchen durch die Aarauer Gassen spaziert, oder es gar wagt, sich damit in eine Beiz zu setzen. Dann sticht der Backstabber gnadenlos zu! Erst flucht er hinter deinem Rücken, dass du es wagst, ein anderes, ausser ein Schweizer Nati Shirt anzuziehen. Speziell auf die Palme treibt ihn übrigens die Farbkombinationen «schwarzrotgold», denn besonders gerne wird er gegenüber den «Gommihäls» ausfällig. Geht dann aber im Gegenzug wieder nach Deutschland einkaufen, weil es da doch so billig ist. Wenn du seine Sprüche, weil schon tausend Mal gehört, ignorierst, dann wird der Backstabber erst recht wütend und böse. Er lästert gnadenlos hinter deinem Rücken über dich weiter, immer in der naiven Meinung, du würdest das eh nicht mitkriegen. Tja, Pech gehabt.

Das Wort zum Freitag

Sehr geehrte Swiss Football League

Die Disziplinarkommission der Swiss Football League (SFL) hat nach den Vorfällen vom 15. Mai anlässlich des Spiels zwischen dem FC Aarau und dem FC Basel die Schliessung des Gästesektors für die nächste Austragung der gleichen Spielpaarung im Juli verfügt. Zudem büsst die Kommission den FC Aarau mit 40'000 Franken, der FCB erhält lediglich eine Busse von 25'000 Franken. Bei mir verursacht dieser ungerechte Entscheid Kopfschütteln. Wer am 15. Mai im Stadion war, erinnert sich gut daran, von wem die Aggressionen ausgegangen sind und eben dieser FC Basel wird nun für das skandalöse Verhalten seiner Fans mit läppischen 25'000 Franken in die Pflicht genommen? Lächerlich. Zumal die Swiss Football League höchstpersönlich, in Form eines Basler Vertreters, sowohl dem FCA-Sicherheitskonzept, als auch dem überfüllten Stadion im Vorfeld grünes Licht gegeben hat. Und nun zieht man die Aarauer zur Rechenschaft? Das ist feige, liebe SFL! Um nicht zu sagen, man gibt den Basler Vandalen gar einen Freipass für weitere Aktionen dieser Art, in dem man einfach sagt, der Veranstalter wäre schuld. Die Basler können sich jetzt ins Fäustchen lachen, im Wissen, dass ihr Club diesen Betrag sowieso aus der Portokasse bezahlen kann und, fast noch tragischer, man dem FC Aarau finanziell (noch) eins auf die Mütze geben konnte. Immerhin fehlen in der Kasse nicht nur die 40'000 Franken von der Busse, sondern auch die Mindereinahmen beim ersten Heimspiel der neuen Saison - wo der Gegner auch FC Basel heisst. Und wer sich nun denkt, das Problem sei damit gelöst, der irrt. Die ersten, welche am 19. Juli im Brügglifeld auf der Matte stehen, sind die FCB-Chaoten. In freudiger Erwartung, auf den gesperrten Gästesektor und darum fröhlich und frei pöbelnd inmitten der FCA-Fans.

Wer Schläger, Pyrowerfer und sonstige Chaoten aus den Stadien verbannen will, muss andere Saiten aufziehen. Drastische Strafen, professionelle Fanarbeit, Schnellrichter, Rayonverbote, durchdachte Polizeieinsätze und eine SFL, die klare Zeichen setzt! Aber in meinen Augen hat es die Liga verpasst ein eben solches Zeichen zu setzen und bestraft die Falschen. Oder wie es der FCA in seiner Stellungnahme schreibt: «Wir sind enttäuscht, dass mit diesem Urteil das Ziel, Chaoten aus den Stadien zu verbannen, nicht erreicht wird.»

29. Mai 2014

Die Zürcher kommen - wieder!

Am Samstag treten die legendären «Baby Jail» im Aarauer «KiFF» auf. Beginn: 21.30 Uhr! Wer nicht weiss, wer oder was «Baby Jail» sind, kann sich den Rest vom Text jetzt sparen... oder er lässt sich auf eine Reise in die Vergangenheit ein. Genauer ins Jahr 1988, als ich mit meinem Kumpel Markus und dem Zug von Aarau nach Zofingen gepilgert bin, um die Zürcher Punkband, rund um Boni Koller und Bice Aeberli, live zu erleben. Kurz zuvor hatten wir diese Ehre schon in der Roten Fabrik und im Sedel... sofern ich mich nur ansatzweise noch richtig erinnere. Lustigerweise half mir ein Zeitungsartikel  unlängst wieder auf die Sprünge. Wie es scheint, haben noch andere Menschen aus der Region, unwissentlich, den einen oder anderen Samstagabend in den 80er Jahren in den gleichen Lokalitäten verbracht und erinnern sich gerne daran zurück. Bierduschen, verschwundene Ratten und nackte, schweissige Oberkörper im viel zu heissen Konzertsälen inklusive. Herrlich! Alles noch ganz lange vor ihrem grossen Hit "Tubel-Trophy"! 

Und nun sind sie also wieder da, die Damen und Herren von «Baby Jail», mit ihrem neuen Album «Grüsse aus dem Grab» besuchen sie Aarau. Im «KiFF» trägt man aktuelle und frische Songs dem Publikum vor. Und ja, sie rocken immer noch: 2012 hab ich sie live in Aarau gesehen und es war fast ein bisschen wie früher. Kein Wunder, denn merke: «Punk's not dead»!

Und ach ja. wer nach dem Konzert noch Luft hat, es gibt eine Aftershow-Party mit einem DJ. Monsieur Fischer heisst er. Kenn ich nicht, nie gehört. Aber man kann ihm ja mal ne Chance geben ;-) 


21. April 2014

Früher war alles besser!

Nein, natürlich nicht. Aber wer sich in diesem Moment den Cupfinal anschaut, der weiss vielleicht, was ich damit meine. Gerne erinnere ich mich in diesen Minuten an den Pfingstmontag 1985 zurück, Aarau leer war und die Bewohnerinnen und Bewohner der Kantonshauptstadt allesamt nach Bern gepilgert sind. An diesem Tag fand im altehrwürdigen Berner Wankdorf-Stadion der Cupfinal (in Deutschland als das Pokalfinale bekannt) zwischen unserem FC Aarau und Neuchâtel Xamax statt.  Und ja, früher fanden diese Finalspiele des Schweizer Cups traditionellerweise am Pfingstmontag statt, über Jahre. Ein Datum, das sich jeder merken konnte und an welchen auch jeder Zeit hatte. Nicht so wie heute, Ostermontag. Alle sind irgendwie in den Kurzferien oder zumindest stehen sie in irgendeinem im Stau, manche sind gar am arbeiten und wieder andere haben keine Lust, diesen FCB schon wieder im Cupfinal zu sehen. Entsprechend ist das Stadion in Bern heute halbleer, eines Cupfinals alles andere als würdig. Und überhaupt, die Endspiele fanden ja sogar schon in Basel statt. Kein Wunder, hatten doch die die Berner eines der geschichtsträchtigsten Stadien Europas ("Das Wunder von Bern") dem Erdboden gleichgemacht und liessen mit den Neubau auf sich warten. Das neue Stadion ist in meinen Augen ein unpersönlicher Kasten, wie die meisten dieser neuen Arenen. 



Aber eben, früher war, zumindest was den Cupfinal angeht, wirklich alles besser. Wers nicht glaubt, hier gibt es eine Zusammenfassung dieses Pfingstmontags. Wir waren in Bern allesamt mit selbstgebastelten Transparenten, Fahnen, Kuhglocken und ähnlichem Material unterwegs. Die Transparente natürlich selber bemalt und gebastelt, aus massivem Holz. Und niemandem wäre es in den Sinn gekommen, mit diesen Stangen einen Xamax-Fan zu attackieren oder mit der Kuhglocke eine Schaufensterscheibe einzuschlagen. So gab es auch kein Tränengas und Wasserwerfer mussten auch nicht eingesetzt werden. Ganz im Gegenteil, vor dem Anpiff wurde mit den Fans aus dem Kanton Neuenburg noch ein Glas Weisswein getrunken und auf ein gutes Spiel angestossen. Ein Spiel welches schliesslich durch Walter Iselins Tor in die Geschichte einging. Und nach dem Spiel? Gab es auch keine Krawalle, beide Fanlager gingen zu Fuss in Richtung Bahnhof - wir am feiern, die Romands unterm Strich nicht weniger gut gelaunt. Im Extrazug fuhren wir schliesslich zurück nach Aarau, wo ein schöner Empfang auf dem Programm stand. Alles in allem ein wunderbarer Tag, bei herrlichem Wetter 1985 im schönen Wankdorf zu Bern. 

Heute steht es zur Pause 0 zu 0. Die Stimmung auf den Rängen ist mies, das Stadion halb leer, vor dem Spiel gab es in der Berner Innenstadt Plündereien, viel Sachschaden, Gewalt und unschöne Szenen. Fazit: der Schweizer Cup ist tot! Vorbei die Zeiten, in denen der FC Sion die Szenerie beherrscht hatte und über Jahre den Pokal immer und immer wieder gewann. Vorbei die Zeiten, in denen Underdogs für Überraschungen sorgen konnten und entsprechend das ganze Dorf oder die halbe Stadt ihre Mannschaft nach Bern begleitet haben. Und vorbei auch die Zeiten, in denen die ganze Familie zum Cupfinal gefahren ist, friedlich vom Opa bis zum Enkel - die Zuschauer haben zu viel Angst und Respekt vor den maskierten Chaoten und ihren unsportlichen Taten. Und nein, ich bin weder gegen friedliche Fanmärsche, noch gegen (kontrolliert abgefeuerte!) Pyro. Aber warum muss man sich dabei vermummen oder auf unbeteiligte Fans losgehen? Das hat in meinen Augen nichts mit Fussball zu tun. Und auch der Ausdruck "Ultra" ist an dieser Stelle fehl am Platz! Aber ich glaube, dass ich das nach all den Jahren als Fan durchaus beurteilen kann. Meine FC Aarau-Fan-Zwischenbilanz erfreut mein Herz, an einem Tag wie heute erst recht. Aufstieg, mit dabei. Cupfinal, mit dabei. Auswärtsfahrten in fast alle Schweizer Stadien (egal ob Basel, Baulmes oder Bellenz), mit dabei. Meistertitel, mit dabei. Heisse Derbies gegen Luzern oder St. Gallen, mit dabei. Champions League in Mailand, mit dabei. Beinahe-Konkurs, mit dabei. Vier Jahre im FCA-Vorstand, mit dabei. Abstieg, mit dabei. Wiederaufstieg, mit dabei. Und mit diesem bescheidenen Palmares gehöre ich nicht einmal zum harten Kern, da gibt es Jungs, die waren auf Zypern oder sonst wo mit unserem Verein. Aber es geht dabei auch nicht um einen Schwanzvergleich, vielmehr zeigt es mir auf, wie verbunden ich mit dem Verein bin und wie sehr es mich freuen würde, auch mal wieder einen Cupfinal mit dem FC Aarau erleben zu dürfen. Und ja, wir würden das Stade de Suisse aber sowas von füllen, bis auf den letzten Platz! 


Aber eben, in Zeiten wo russische Oligarche und arabische Scheichs den Fussball beherrschen, mit Ausnahme vom FC Bayern oder auch Marseille, die aber gegen PSG und Co. keine Chance mehr haben, in diesen Zeiten hat ein Kleinclub wie der FC Aarau schier keine Chance mehr auf einen solchen Erfolg. Und wenn denn, irgendwann dereinst, das neue Stadion in Aarau steht, dann gehören wir auch irgendwie zu diesen unpersönlichen Fussballfirmen, welche ihre Heimspiele in kalten Betonbunkern austragen. Okay, das mag, dank neuen finanziellen Möglichkeiten, der Weg zum Erfolg sein, aber das Herz geht doch irgendwie verloren. 

So, die zweite Hälfte geht los. So richtig dabei bin ich ja nicht. Erst recht, weil "unser Junge" Loris Benito, nicht mitspielen darf. So können die beiden Teams von mir aus auch 120 Minuten spielen und dann noch 30 Elfmeter schiessen. Irgendeiner wird irgendwann wohl gewinnen und die Fans des Verlierers im Gegenzug die Berner Altstadt in Schutt und Asche legen - nachdem sie das Spielfeld gestürmt und die Pokalübergabe verhindert haben. 

In diesem Sinne: Walter Iselin Fussballgott!


5. April 2014

Kurt Cobain...


Heute vor sieben Jahren hab ich in die Tasten gehauen, 2014 ist der Text noch genau so aktuell. Und auch sieben Jahre später möchte ich bei weichgespülten Privatradiostationen keine Nirvana-Songs hören. 



Kurt Cobain: der Mythos lebt!

Heute, am 5. April ist es auch schon wieder 13 Jahre her, seit sich Kurt Cobain das Leben genommen hat. Der 5. April 94 war ein Dienstag, der erste Arbeitstag nach den Ostern. Es kam damals - vermutlich bedingt durch den Job als Zeitungsjournalist - nicht oft vor, dass mich eine News-Meldung erschüttert hat. Man erarbeitet sich mit den Jahren so eine Art Selbstschutz. Als ich vom Tod Kurt Cobains erfuhr, riss jedoch diese Schutzhülle für einen Moment.

Bis heute stelle ich mir immer mal wieder die Frage, warum mir sein Tod so nahe ging. Unter dem Strich hat sich ein Junkie, den ich nicht persönliche gekannt habe, das Leben genommen. Punkt. Ich frage mich auch, warum ich mir - und ich bin ein totaler Schlauch wenn es darum geht, dass ich mir Daten merken sollte - weiss, dass er am 5. April die Erde verlassen hat. Ich war bzw. bin bis heute kein übermässiger Nirvana-Fan. Ich mag die Songs, liebe ein paar Texte, hatte früher mal ein T-Shirt und ein Poster. Das wars. Auszug aus seinem Abschiedsbrief:

"Seit ich sieben war, habe ich alle Leute gehaßt."

Rückblende. Im Frühjahr 94 war gerade dabei, nach Frankreich überzusiedeln. Der Umzug war vollzogen, den Job in meiner neuen Heimat hatte ich bereits angetreten. Aber da war noch dieses verfluchte Konzert-Ticket. Ausgestellt auf den 19. Februar 1994. Nirvana live in der Eishalle in Neuenburg. Da ich zu diesem Zeitpunkt aber bereits rund 800 Kilometer entfernt meine Zelte aufgeschlagen hatte, war es mir unmöglich dieses Konzert zu besuchen. Na gut, hab ich mir gedacht, die Band wird ja bestimmt auch noch weitere Konzerte geben. Und tatsächlich war die Europa-Tour 1994 noch bis in den frühen Sommer hinein geplant.

"Wenn wir hinter der Bühne sind und das Licht ausgeht und das Rufen der Menge beginnt. Das berührt mich nicht wie es etwa Freddie Mercury berührte, der, wie es schien, es liebte."

Wie wir inzwischen alle wissen, wurden diese Pläne von Cobains Selbstmord gekreuzt. Der Aufritt in Neuenburg war das letzte Gastspiel der Band in der Schweiz. Modena, San Marino, Rom, Mailand, Ljubliana und München. Danach war Schluss.

Doch es war mehr als dieses verpasste Konzert. Cobain strahlte etwas aus, das mich in der Zeit vor seinem Tod beeindruckt hat. Trotz massivem kommerziellem Erfolg blieb er sich selber, wollte sich nicht kaufen lassen. Ein Umgang der ihm zum Verhängnis wurde. Drogen, Alkohol, Depression, Medikamente. 1992 heiratete er die Stripperin Courtney Love, kurze Zeit später kommt Tochter Francis Bean zur Welt. Sowohl Cobain selber, als auch seine Frau nahmen zu dieser Zeit Heroin. Ein erster Selbstmordversuch von Kurt scheitert, er überlebt einen Cocktail aus 50 Tabletten und Champagner. Cobain selber gab danach an, die Schmerzmittel aufgrund von Magenproblemen eingenommen zu haben. Seit seiner Kindheit litt er an dieser Krankheit, die er selber "Cobain's Disease" nannte.

"Danke für die Briefe und Eure Sorge um meinen ekelhaft brennenden Magen in den letzten Jahren. Ich bin zu neurotisch (unbeständig), launisch und inzwischen leidenschaftslos, also denkt dran, es ist besser auszubrennen, als langsam zu verblassen."

Aufgrund dieser Krankheit mussten auch zahlreiche Konzerte verschoben und die Tournee abgebrochen werden. Cobain verbrachte immer mehr Zeit zu Hause. Im Rausch. Der Waffennarr setzte sich schliesslich am 5. April 94 mit seiner Schrottflinte ein Ende. Laut Polizeiberichten deutete nur noch das Gebiss auf seine Identität hin. Bis heute gibt es Theorien, wonach Cobain das Opfer eines Mörders geworden sei. Für mich Humbug. Zu eindeutig all die Hinweise in Songtexten, Interviews und Verhaltensmustern.

"Und das erschreckt mich so sehr, daß ich an dem Punkt angekommen bin, an dem ich nicht weiter leben kann."

Es liegt nicht an mir, über die Gründe dieses Selbstmordes zu spekulieren. Es liegt vorallem nicht an mir, ihn zu werten (falls sich das überhaupt jemand anmassen kann). Ich habe bis heute, 13 Jahre später, nicht herausgefunden, was es ausgemacht hat, dass es mir damals vorgekommen ist, als hätte mich ein Freund verlassen. Cobain verweigerte sich dem Kommerz und stand wohl für etwas, dass mir bis heute viel bedeutet: Freiheit! Wer in unserer Zeit jedoch die Freiheit noch leben will, der muss viele Abstriche in Kauf nehmen und ist einem immensen (Leistungs-) Druck ausgesetzt. An diesem Druck ist Cobain vermutlich letztendlich gescheitert. Plattenfirmen, Manager, Fans, Familie... die Anforderungen waren zu gross, für einen, der einst auszog um einfach mit ein paar Freunden Musik zu machen.

"Aber ich kann Euch nichts vormachen, keinem von Euch. Es ist einfach nicht fair Euch gegenüber aber auch gegenüber mir selbst. Das schlimmste Verbrechen, das ich mir vorstellen kann ist die Leute abzuziehen, indem ich vortäusche, 100% Spaß zu haben."

Jahre später habe ich Cobains ehemaligen Bandkollegen, den Nirvana-Schlagzeuger Dave Grohl getroffen. Meine Erwartungen waren gross. Das Gespräch kurz und enttäuschend. Trotz Nirvana-Vergangenheit fehlte die Aura, die Ausstrahlung. Es ging mir also in dieser ganzen Geschichte weniger um die Band Nirvana, als vielmehr um Kurt Cobain, der mich als Person fasziniert hat. Ein Umstand, der sich bis zum heutigen Tag nicht verändert hat. Typen wie Rio Reiser, Robbie Williams, Dave Gahan oder Pete Doherty sind mir 1000 mal lieber, als all die anderen Waschlappen, die in die Hot-Rotationen der Radiostationen laufen.

"Es ist besser, für den gehasst zu werden, der man ist, als für die Person geliebt zu werden, die man nicht ist."

http://www.monsieurfischer.ch/2007/04/kurt-cobain-der-mythos-lebt.html?m=1


3. April 2014

Swisscom TV 2.0: Neues Fernseherlebnis!

Mit Swisscom TV 2.0 will Swisscom noch mehr Kunden von ihrem digitalen Fernsehangebot überzeugen. Das komplett neu entwickelte TV-Produkt bietet zusätzliche Funktionen, noch mehr Inhalte und präsentiert sich in neuem Design. Swisscom TV 2.0 bietet neu sieben Tage Replay auf über 250 Sendern. Für mehr Freiheit beim Fernsehen sorgt auch die neue Aufnahmefunktion: Dank einer cloudbasierten Lösung können Kunden jetzt beliebig viele Sendungen parallel aufnehmen. Das neue TV-Angebot ist ab sofort mit den neuen Vivo Paketen M, L und XL erhältlich, die zusätzlich höhere Internet-Geschwindigkeiten im Down- und Upload bieten.

 

 

Vor über sieben Jahren startete die Erfolgsgeschichte des digitalen Fernsehens von Swisscom. Heute nutzen bereits über eine Million Kunden das TV-Angebot der Telekommunikationsanbieterin. Bei den Kunden besonders beliebt sind die Sendervielfalt, die erstklassigen Filme und Live Sport Events auf Abruf, das zeitversetzte Fernsehen sowie die mobile Nutzung auf Smartphone, Tablet und PC. Diese Stärken baut Swisscom nun weiter aus: „Mit Swisscom TV 2.0 wird der Zuschauer zum eigenen Programmdirektor und kann jederzeit selbst bestimmen, welche Sendungen er wann und auf welchem Gerät schauen will“, sagt Urs Schaeppi, CEO Swisscom.

 

Parallel beliebig viele Sendungen aufnehmen

Die Basis für das flexible Fernsehvergnügen bildet die neue, von Swisscom entwickelte, Cloud-basierte TV-Plattform: Die Kunden speichern ihre TV-Inhalte nicht mehr wie bisher auf der Box daheim, sondern auf Swisscom Servern in der Schweiz. Davon profitieren die Kunden: Das Fernsehprogramm der vergangenen sieben Tage von über 250 Sendern, davon 70 in HD-Qualität steht nach Aktivierung des Dienstes jederzeit auf Abruf bereit. Zudem kann jeder Haushalt unabhängig von der verfügbaren Bandbreite unbeschränkt viele Aufnahmen gleichzeitig programmieren – bis zu einer Speicherkapazität von 1000 Stunden. Ein weiterer Pluspunkt von Swisscom TV 2.0: Bereits verpasste Sendungen der letzten sieben Tage können einzeln zu den Aufnahmen hinzugefügt werden.

 

Neuer App-Store und personalisierte Empfehlungen

Neu bietet Swisscom TV 2.0 Kunden rund 50 der beliebtesten Apps wie YouTube oder Facebook. Somit können Zuschauer Videos aus dem Internet direkt auf dem TV-Bildschirm zu Hause geniessen und mit Freunden teilen. Sport- und Kinofans steht das gesamte Teleclub on Demand-Angebot mit über 5000 Live Sport Events und mehr als 6000 Top-Filmen zur Verfügung.

Mit dem rasant wachsenden Angebot wird eine intuitive Benutzerführung zentral. Swisscom TV 2.0 bietet Zuschauern auf Wunsch persönliche Empfehlungen, die auf ihren individuellen Bedürfnissen basieren. Auch die Suchfunktion und die Fernbedienung wurden überarbeitet. Die TV-Box zeigt sich neu in schwarz-weiss und mit schlichtem Design. Die handliche und stromsparende Box kann zudem dank Funkfernbedienung im Schrank verstaut werden.

 

TV-Unterhaltung auch unterwegs und überall

Bereits ein Fünftel der Swisscom TV Kunden nutzt das mobile TV-Angebot regelmässig. Mit der Swisscom TV 2.0 App und dem Web-Angebot unter www.swisscom.ch/tvonline sind unterwegs jetzt doppelt so viele Sender verfügbar wie bisher: Kunden können neu über 170 Sender auf dem PC, Tablet oder Smartphone geniessen. Auch über die App profitieren Kunden auf allen Sendern von sieben Tagen Replay. Ebenfalls lassen sich von unterwegs Aufnahmen programmieren und zeitlich unbeschränkt abrufen.

 

Mit neuen Vivo Paketen noch schneller surfen

Swisscom TV 2.0 ist ab sofort in den neuen Kombiangeboten Vivo M, L oder XL erhältlich. Kunden profitieren von unbeschränkter Festnetztelefonie im Inland und surfen mit Vivo XL und Glasfaseranschluss neu mit bis zu 300 Mbit/s im Internet. Besonders die Uploadgeschwindigkeit beträgt neu bis zu maximal 60 Mbit/s, so dass Dateien schneller verschickt oder bei Cloud-Diensten gespeichert werden können. Die Pakete sind ab heute erhältlich, wahlweise auch ohne Festnetztelefonie. Kunden nutzen weiterhin ihr bisheriges Vivo Casa Angebot mit dem bestehenden TV Produkt, können aber auf Wunsch auf eines der neuen Abos mit Swisscom TV 2.0 wechseln.


2. April 2014

Der Fall Andy Wolf – oder: Wieso auch ein Radio ab und zu schweigen sollte

Die Entlassung von Moderator Andy Wolf (46) bei Radio Pilatus wirft derzeit hohe Wellen. Ob man Wolf nun mochte oder nicht ist meines Erachtens einerlei. Der Grund für den derzeitigen Shitstorm ist vielmehr die Kommunikation eines CEOs, der offenbar verkennt, dass auch fürs Radio manchmal gilt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. 
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Ich war nie ein Fan von Andy Wolf (Ich schon, zudem habe ich ihn als ehemaligen Arbeitskollegen und Freund immer geschätzt - Anmerkung von Monsieur Fischer). Er war mir als Moderator nie sonderlich sympathisch. Insofern wird mir Wolf bei Radio Pilatus nicht fehlen. Doch darum sollte es bei der Diskussion meines Erachtens auch nicht gehen. Jedenfalls nicht vordergründig. Die Geschichte offenbart vielmehr das fehlende Verständnis für Kommunikation von Radio-Pilatus-CEO Joachim Freiberg.

Ein Blick auf die Chronologie der Geschichte zeigt, wie der «Fall Andy Wolf» zu einem regelrechten Shitstorm und einem Imageschaden von Radio Pilatus führen konnte:

Höchstens eine kurze Nachricht wert

Am Freitag, 28. März, erfuhr die «Neue Luzerner Zeitung», dass Moderator Wolf nach 24 Jahren bei Radio Pilatus entlassen worden sei. Diese Meldung alleine wäre – wenn überhaupt – wohl höchstens eine kurze Nachricht in den Newsspalten der NLZ wert gewesen. Schliesslich werden jeden Tag zig Kündigungen ausgesprochen, und es ist durchaus legitim, wenn sich Radio Pilatus von einem Mitarbeiter trennt. Auch wenn dies im Fall von Wolf nach 24 Jahren geschah und einen Moderator betrifft, der in den Jahren zahlreiche Fans gewonnen hatte. Ebenfalls legitim war es von der NLZ, bei Radio-Pilatus-CEO Freiberg nachzufragen, was es mit der Kündigung von Wolf auf sich habe. Zumal das Gerücht umging, dass der 46-Jährige «per sofort freigestellt» wurde.

CEO reagiert anders als erwartet

Anlass zu einem Shitstorm gaben erst die Aussagen von Freiberg. Anders als man hätte annehmen können (und müssen), hielt sich der CEO nicht bedeckt. Anstatt mit dem zu erwartenden Stillschweigen – («Wir nehmen zu Personalentscheiden keine Stellung», «Wir haben uns einvernehmlich getrennt», «Kein Kommentar») – äusserte sich Freiberg gegenüber der NLZ erstaunlich offen über die Kündigungsgründe: Der Sender befinde sich zurzeit in einem «hochdynamischen Prozess», in dem Digitalisierung und Online-Journalismus zunehmend wichtiger würden. «In diesem Umfeld», hält Freiberg fest, «hatte Andy Wolf nicht seine besten Talente». 

Diese Aussagen des Radio-Pilatus-CEO sind in dreierlei Hinsicht stossend:
Erstens bringt Freiberg einen Kündigungsgrund vor, der offenbar so nicht zutreffen kann. Schliesslich – und das hält die NLZ im Artikel richtigerweise ebenfalls fest – gehört Wolf unter den Radio-Pilatus-Moderatoren zu den aktivsten Nutzern von Social Media, ist unter anderem auf Facebook, Twitter, Xing und LinkedIn aktiv. Ausserdem schloss er 2011 eine Social-Media-Ausbildung ab. Es wird also sofort augenfällig, dass Freiberg hier nicht den wahren Grund der Kündigung preisgibt.
Zweitens äussert sich Freiberg negativ über die Qualitäten eines entlassenen Mitarbeiters. Er wirft ihm mangelnde Kenntnisse in Digitalisierung und Online-Journalismus vor. Dass das in einer Phase, in der sich Andy Wolf für andere Jobs bewerben wird/muss, mehr als ungünstig ist, muss nicht eigens erwähnt werden.
Drittens – und das ist für mich fast das unglaublichste – steht Freiberg ganz offenkundig zu seinen Aussagen. Man hätte es ihm nicht verübelt, wenn er die Äusserungen spätestens beim Gegenlesen zurückgezogen hätte. Stattdessen segnete Freiberg – davon ist jedenfalls auszugehen – die Zitate ab. Und bestätigte sie tags darauf gegenüber «20 Minuten online». Dort setzt er gar noch einen drauf. Er begreife nicht, dass man immer meine, Social Media sei die digitale Welt. «Das ist eine reduzierte Sichtweise. Social Media ist nur ein Aspekt davon.» In Kürze werde etwa die Website von Radio Pilatus ganz neu daherkommen, was «ganz neue Herausforderungen» an die Moderatoren stelle, was das geschriebene Wort anbelangt. Mit anderen Worten: Wolf mag zwar auf Social Media aktiv sein, trotzdem kommt er in Sachen Digitalisierung nicht mehr hinterher. Und spätestens mit der neuen Website wäre der 46-Jährige, so lesen sich Freibergs Worte, überfordert gewesen.

Transparenz um jeden Preis

Gegenüber «20 Minuten online» probiert Freiberg denn auch sein Vorgehen zu rechtfertigen. Er hätte den Entscheid nicht öffentlich kommuniziert, wenn er nicht von einer Zeitung angefragt worden wäre. Und: «Hätte ich einfach eine Floskel gebracht im Sinne von gegenseitigem Einvernehmen, dann hätte man mir das auch vorgeworfen. Also entschied ich mich für Transparenz.»
Hier macht Freiberg einen entscheidenden Denkfehler. Transparenz ist nicht per se angebracht – schon gar nicht um jeden Preis. Und wenn man sie leben will, sollte sie auch sein, was sie verspricht: transparent, ehrlich, offen. Freiberg hat aber offensichtlich einen nicht (oder nur halb) wahren Kündigungsgrund vorgeschoben, ohne Rücksicht darauf, was diese Aussagen für Wolfs berufliche Zukunft bedeuten könnten.

Shitstorm folgerichtig

Dass die Reaktionen nun in Form eines Shitstorms auf Radio Pilatus zurückfallen, ist nur folgerichtig. Ich bin überzeugt: Hätte Freiberg die Entlassung von Wolf unkommentiert gelassen, wären die Mutmassungen bei den Hörern zwar nicht ausgeblieben. Aber – und darum gehts: Radio Pilatus wäre vom Imageschaden verschont gewesen.
Manchmal gilt eben auch für das Radio das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Leider hat Freiberg dies zu spät erkannt. Da bringt auch die widersprüchliche Stellungnahme nach vier Tagen Shitstorm nichts mehr. Im Gegenteil: Dass Radio Pilatus nun um Verständnis bittet, «dass personelle Entscheidungen nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden können, da sie die Privatsphäre der Beteiligten betreffen», wirkt letztlich nur noch zynisch.


21. Februar 2014

Киев is calling #EuroMaidan

Heut, es ist kurz vor Mitternacht, war ein komischer Tag. Irgendwie sind derzeit immer alle Tage irgendwie komisch, aber das wäre ein anderes Thema, welches an dieser Stelle nicht Thema sein soll. Es reicht schon, dass in der ukrainischen Hauptstadt zur Stunde gezielt Menschen durch Scharfschützen erschossen werden und die Welt schaut, einmal mehr, einfach nur zu. Klar sind Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius derzeit in der Ukraine zu Besuch und auch die EU berät in Brüssel über Sanktionen. Aber mal ehrlich? Sanktionen, wozu und welche? Die Ukraine hat mit Russland einen starken Partner im Rücken, da ist man gar nicht auf Europa angewiesen. Die Schweiz könnte Konten sperren, aber die Gelder sind in meinen Augen eh schon lange nicht mehr auf unseren, sondern auf russischen Banken. A propos Schweiz, warum hört man von unserer Regierung nichts zu dem Thema? Klar, die Schweiz ist neutral. Trotzdem dürfte man an die Adresse von Diktator Wiktor Janukowytsch mal erwähnen, dass das, was er da gerade abzieht, so gar nicht geht. 


Aber kommen wir zum Hauptpunkt von diesem Blogpost: ich hatte heute die Möglichkeit, "mit Kiew zu skypen". Namen darf ich an dieser Stelle keine nennen, die Angst in der Stadt vor Repressionen ist zu gross. Darum nennen wir die Frau aus Kiew an dieser Stelle einfach mal Julia, sie ist 23 Jahre jung und arbeitet in der Modebranche. Derzeit kümmert sich Julia um ihren Job allerdings eher weniger, sie ist, zusammen mit ihren drei WG-Freunden, auf den Strassen der ukrainischen Hauptstadt unterwegs. Auf meine Frage, ob sie denn auch auf dem Maidan-Platz sei, sagt sie: "Ja, ich war auch schon da. Mehrmals sogar. Aber aktuell ist es kein Platz für Frauen, die Männer sind da und markieren Präsenz. Wir halten uns im Hintergrund und versorgen Verletzte." Die medizinischen Zustände seien katastrophal, erzählt Julia weiter. Es fehle vor allem am Material. Notdürftig wurde so heute eine Hotellobby zu einem Notfallspital umfunktioniert. Alle würden sich gegenseitig helfen, aber gegen die Waffen der Polizei hätten die Protestierenden fast keine Chance. Steine, Holzstöcke und ähnliche Sachen würden eingesetzt. Ich frage weiter, welches Ziel sie denn verfolgen würden: "Freiheit! Wir wollen einfach Freiheit, wir haben keine Lust mehr wie Sklaven behandelt zu werden!" Uns im Westen sei das vielleicht gar nicht so bewusst, wie stark der Einfluss von Russland auf die Ukraine sei und welche Macht Präsident Janukowytsch inne hält. Ja, stimmt: ertappt. Was wissen wir von der Ukraine? Fussball EM war mal da, mit Schewtschenko. Frau Timoschenko wurde verhaftet. Berühmte Boxer kommen aus der Ukraine. Die Halbinsel Krim und deren Sekt. Und dann noch einmal Fussball mit Schachtar Donjezk und Dynamo Kiew, diese mussten ihr Euro League Heimspiel von heute Abend bekanntlich auf Zypern spielen Und, nicht ganz unwichtig, durch die Ukraine gehen wichtige Pipelines, welche Gas nach Osteuropa liefern. 


"Wenn es dunkel wird, sollte man die Wohnung derzeit nicht mehr verlassen, das ist zu gefährlich. Du weisst nicht, wem du trauen kannst auf der Strasse. Die Männer von der Spezialeinheit Berkut sind überall und sie gehen nicht zimperlich mit dir um. Erst recht nicht, wenn du eine Frau bist," erzählt Julia vom Leben in Kiew. Schwierig sei auch das Einkaufen. Es gäbe lange Schlangen in den Ladengeschäften, viele Produkte seien gar nicht mehr erhältlich. Als "Beleg" dieser Aussage, schickt sie mir Fotos. Und führt dann aus: "Ein paar Freunde von mir sind losgefahren Richtung Polen, mit ihrem Auto. Aber sie konnten nicht mehr als 100 Liter Benzin besorgen, denn Benzin wird hier derzeit nicht mehr wirklich verkauft. Die U-Bahn fährt auch nur noch selten. Ich drücke meinen Freunden die Daumen, dass sie es schaffen!" Die Grenzen zu Polen sind derzeit, laut diversen Medien, blockiert. Eine Ein- und Ausreise scheinbar unmöglich. Zu einem offiziellen Visa kommt man laut Julia aktuell in der Ukraine auch nicht, denn die meisten Botschaften haben ihre Tore geschlossen, lassen nur noch Landsleute rein und die ukrainischen Behörden arbeiten derzeit auch nur noch mit halber Kraft. Geschweige denn, dass sie Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen würden, das Land zu verlassen. 
Mir drängt sich die Frage auf, in wen oder was man denn in dieser Situation eigentlich noch seine Hoffnung legt... "Gute Frage, wir hoffen halt einfach, das Land ist gespalten. Der Westen hat genug, im Osten des Landes ist es eher ruhig, da gibt es keine Demonstrationen" sagt die 23jährige. Was ist denn mit Vitali Klitschko, der bei uns in den Medien Tag für Tag auftaucht? "He is a bastard!", sagt Julia über Skype. Er sei einfach gerne im Mittelpunkt, aber viel mehr wäre da nicht. Er hätte in der Ukraine auch nicht so viel Macht, wie man im Westen vielleicht vermuten würde. Ähnlich denkt sie über Obama, er sei ein Waschlappen, seine Frau, die hätte da die Hosen an.   Schliesslich bringe ich auch noch Putin ins Spiel, der sei bis Ende der Woche noch mit Sotchi beschäftigt, danach habe sie Angst vor ihm und seinem Einfluss. "Petro Poroschenko wäre ein guter Mann für die Ukraine," fügt Julia hinzu. Er sei ein Schokoladenproduzent, so einer wie in der Schweiz und er besitzt zudem einen liberalen TV-Sender. Dazu ist er ein enger Vertrauter von Wiktor Juschtschenko, dem ehemaligen Präsidenten - der vom Geheimdienst mit Dioxin vergiftet wurde. Er wäre einer, aber dazu bräuchte es erst Neuwahlen und diese müssten dann auch noch fair verlaufen. All das sei aber in ganz weiter Ferne, sagt Julia ziemlich resigniert. 
Und nun, wie weiter? Sie hätte eigentlich nichts zu verlieren, erzählt sie. Eine Familie haben sie eh nicht mehr und vielen "Freunden" könne man auch nicht mehr vertrauen. Darum geht sie Tag für Tag auf die Strasse, erst einkaufen bei Tageslicht und am Abend kümmert sie sich um die verwundeten Demonstranten. Auf meine abschliessende Frage, was wir denn hier, in unserem sicheren Land Schweiz, tun könnten für die Menschen in der Ukraine sagt sie bescheiden: "Redet über uns, macht die Demonstrationen und die Menschenrechtsverletzungen, das Morden und die unbändige Macht des Regimes zum Thema. Und falls politisch Verfolgte bei euch Zuflucht suchen, dann nehmt sie auf." Und dann hat es Julia auf einmal sehr eilig, ihre WG-Kumpels fuchteln mit einem Handy herum. Sie kriegt einen Anruf, ich verstehe ausser "Schwizari" kein Wort. Julia legt auf und sagt, dass ausnahmsweise das Handynetz nicht überlastet wäre und sie nun "ins Zentrum" gehen müsse. Sie werde da gebraucht. "Sprecht darüber, dass bei uns Menschen auf offener Strasse hingerichtet werden und wir nicht einmal mehr genug Verbandsmaterial haben, um die Verletzten zu versorgen. Aber wir geben nicht auf, wir kämpfen weiter!" 


Sie schickt mir noch einen Link, auf welchem ich einen liberal eingestellten TV-Sender mitverfolgen kann, mit Livestream vom Maidan. Ich verabschiede mich mit einem "Hey take care!", sie antwortet mit "Alles wird gut!" und ist weg.








10. Februar 2014

"Das Boot ist voll!"

Erinnert sich noch jemand an den Film von Markus Imhof aus dem Jahr 1980? Die Handlung ist schnell erzählt: Sechs Personen ist 1942, während des Zweiten Weltkriegs, die Flucht in die (damals noch) neutrale Schweiz gelungen, doch eben diese Schweiz beschliesst im August des Jahres eine Verschärfung ihrer Aufnahmebedingungen. Die sechs Flüchtlinge versuchen, auch mit  Komplizenschaft einiger freundlicher Schweizer, durch Kleider-, Rollen- und Papiertausch die gestellten Bedingungen zu erfüllen. Doch der aufmerksame, eidgenössiche Dorfpolizist durchschaut das Spiel, fühlt sich hintergangen und ordnet das offizielle Verfahren an. Das Ende der Geschichte: die auf Grund rassistischer Motive Verfolgten müssen das Land verlassen, die "politisch Verfolgten" dürfen bleiben.


Es macht jetzt keinen Sinn, irgendeinen Zusammenhang zwischen dieser Geschichte und dem gestrigen Abstimmungssonntag herzustellen. 50,3 Prozent würden diesen vielleicht ja eh nicht verstehen. Fakt ist aber, ich habe mich heute Montagmorgen ziemlich intensiv mit den ausländischen Medien auseinandergesetzt: England, Frankreich und vor allem Deutschland. Von Paranoia ist da die Rede, ein Titel lautet: "Die Rassismus-Chronologie: So fremdenfeindlich ist die Schweiz" oder "Die Schweiz sagt ‹Fuck the EU". Die Liste liesse sich endlos weiterführen, bringt aber nix, da die Entscheidung ja gestern gefallen ist und so die Demokratie funktioniert. Dennoch ist es mir peinlich, in einen Topf mit denen geworfen zu werden, welche die humanitäre Tradition unseres Landes, den Integrationsgedanken unseres Sozialsystems und die Gastfreundlichkeit des Schweizer als solcher, mit Füssen treten. Erst recht, wenn das einzige Lob von Gestalten wie Marine Le Pen, dem niederländischen Rechtspopulist Geert Wilders oder Florian Philippot, stellvertretender Vorsitzender der französischen rechtsextremistischen Partei Front Nationa  kommt: «Gut gemacht, Schweiz! Eine echte Demokratie!», schrieb er auf Twitter. NTM! Aber jammern nützt heute eh nix mehr, vielmehr stelle ich an all die Wähler die Frage, die "nur ein Zeichen setzen wollten", welches Zeichen sie denn nun genau gesetzt haben? Etwa dass ein kleines, reiches Land lieber erst einmal auf sich schaut, bevor es sich um den Rest der Welt kümmert? Oder wir uns halt gerne aussuchen, welche Ausländer und genehm sind und welche nicht? Aber wenn dann Lars Unnerstall im Tor des FC Aarau eine Glanzleistung zeigt, dann jubeln ihm alle zu - gut er hat ja nur einen Vertrag bis im Mai und geht dann wieder zurück nach Gelsenkirchen. Liebe ausländische Mitbewohner dieses Landes, macht doch einfach alle mal einen Tag frei, das wäre mal ein Zeichen. Die Schweizer Wirtschaft würde stillstehen!

Ich habe mir die Frage gestellt, wie das sehr knappe Resultat zustandegekommen ist. Okay, hätten alle die, die eben dieses Zeichen setzen wollen (und ich kenne da ein paar!) einfach so gestimmt, wie sie sonst immer stimmen, dann hätten die knapp 20'000 Stimmen nicht gereicht. Oder man hätte auch einfach das Tessin den Italienern schenken können, von da kamen sehr viele Ja-Stimmen. Aber den Braten so richtig feiss gemacht, haben auch die Ticinesi nicht. Also, wer war es? Dann vermutlich die Gegegenden der Schweiz, in welchen es die meisten Ausländer hat. Das wären dann also Genf, Baselstadt, Waadt, Zürich oder auch Zug... Oh, die haben ja alle NEIN gestimmt! Ganz im Gegensatz zu Kantonen wie Appenzell, Uri oder Obwalden, da liegt der Anteil Ausländer bei rund 10 Prozent und alle haben die MEI angenommen?




Und dann gab es ja noch das Argument, dass die vielen Ausländer in der Schweiz dafür sorgen, dass es hier zu eng wird. Sprich die Züge sind überfüllt und auf den Strassen gibt es Stau und für die Kriminaltität in den Städten sind die Ausländer auch verantwortlich. So würde es also naheliegen, dass die Städter alle Ja gesagt hätten: haben sie aber nicht. Im Aargau haben alle Städte die Initiative abgelehnt, ausser Laufenburg! Und dieser Trend zieht sich so ziemlich konstant durch die ganze Schweiz. Gestern oft genannt wurde auch der Kanton Luzern, lag wohl daran dass ich das Weekend in diesem schönen Zentralschweizer Kanton verbracht habe, eben: von konservativen Wählern war die Rede. Nun, das mag sein, aber siehe da:


Und ja, die Schweiz hat mit 23 Prozent einen, im Verhältnis hohen Ausländeranteil. Unser Land wächst durch Einwanderer jährlich um rund 80'000 Menschen. Die seit 2000 vergleichsweise hohe Zuwanderung wurde aber ausgelöst durch den Bedarf von Schweizer Firmen an Fachkräften, sprich, wir sind es ja, die diesen extrem hohen Lebensstandart wollen und dieser wurde nur möglich, durch ausländische Arbeitskräfte. Das Ergebnis von gestern steht darum in einem massiven Widerspruch zu unseren wirtschaftlichen Ansprüchen. Das hat aber scheinbar niemand kapiert! Den meisten Ja-Sagern waren nicht die Arbeitskräfte oder der tolle Torwart oder die nette Dame am Kiosk oder der lustige Goran aus dem Turnverein im Hinterkopf, sondern der "Jugo, der immer so durchs Quartier rast mit einem 3er BMW", "diese Schwarzen am Bahnhof, die mit Drogen dealen", "diese Iraker, welche unsere Frauen vergewaltigen" oder "diese aggressiven Nordafrikaner, welche ständig Schlägereien anzetteln". Dazu galt auch das Argument der Einbürgerung nicht mehr, "auch wenn einer eingebürgert ist, bleibt er ein Ausländer und darum beträgt der Ausländeranteil bei uns auch fast 50 Prozent", zitiere ich einen Politiker. Kurz, weil die Schweizer Justiz tatsächlich vorhandene Probleme, egal ob von Schweizern oder Ausländern produziert, nicht in den Griff kriegt, müssen nun rechtschaffende Ausländer darunter leiden? Vom Bild der Schweiz im Ausland, den anstehenden Problemen, der Schweizer Fussball-Nati oder anderen Folgen dieses Entscheids möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht anfangen. Aber was mach ich mir überhaupt Gedanken? Die SVP-Vertreter betonen seit gestern in JEDEM Interview, dass sie mit der Umsetzung dieser Initiative nichts zu tun hätten, das wäre nun Sache des Bundesrates...

Habe fertig. Zum Schluss ein Ausschnitt aus einem Mailkontakt von heute Morgen zwischen der Schweiz und einer Berliner Radiostation, welche sich Sorgen um die (Zitat) "paranoide Schweiz" gemacht hat: "Gruss au der geteilten Schweiz: niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen, müssen wir ja auch nicht – die in den Köpfen sind seit gestern dick zementiert. Ich wünsche mir darum ein Lied bei euch, um der Welt zu sagen, nicht alle Schweizer sind gegen Ausländer und wir mögen euch. Rettet uns vor dem steten Kapitalismus und der Angst vor dem Fremden, spielt Musik für uns…"


Und ach ja, liebe Schweizer Sportfreunde, die ihr gestern Ja gestimmt hat und euch bei Olympia über die menschenverachtenden putinschen Gesetze gegen Homosexuelle aufregt und euch dann über die Goldmedaille des Zürcher Boardes Iuri Podladtschikow freut, so kurz nachdem ihr im Facebook noch Stanislas Wawrinka in den Tennishimmel gelobt habt... erst nachdenken und dann aufregen oder freuen!


Quellen: 
http://www.martingrandjean.ch/suisse-la-votation-sur-limmigration-en-un-graphique/
http://amade.ch/2014/02/dichtestress-fremdenhass/?fb_action_ids=10201381675249402&fb_action_types=og.likes
http://www.berliner-zeitung.de/home/10808950,10808950.html






23. Januar 2014

Zugfahrt

Das ist quasi ein Live-Blog. Aus dem ÖBB Zug Zürich - Budapest. Leider bin ich nur bis Innsbruck Gast in diesem roten Gefährt. Schade, in Budapest war ich nämlich noch nie. Nächstes Mal. Nun gut, dieser Blogpost ist eh mehr Therapie, denn wirklich gewollt. Ein guter Freund hat massive gesundheitliche Probleme, die Lage hat sich heute Morgen noch einmal zugespitzt: Intensivstation. Da ist man während sechs Stunden Zugfahrt froh um Ablenkung, tja und Schreiben hat mir schon so oft durch schwere Zeiten geholfen. Auf dem Kopfhörer übrigens das Australian Open Live Radio, Go Stan!  Aber ich schreibe ja auch, weil es hier in diesem 1. Klasse Abteil so interessante Mitreisende hat. Grrrr, der Zug wackelt in den Ösi-Tälern, macht das Tippen auf dem iPad auch nicht einfacher. Man möge allfällige Fehler verzeihen. 

Nun gut, beginnen wir mit dem Mann direkt rechts von mir. American Boy, um die 45 und irgendwie aus Seattle. Zumindest erinnert er mich an Kurt Cobain. Auch wenn seine Haare, inkl derer auf der Brust, wesentlich grauer sind. Okay, Kurts Haare währen heute auch grau, wetten? Der Ami neben mir hat ein Hörgerät, vermutlich hat er in einer Grunge-Band gespielt, damals. Zu laut. Er erinnert mich irgendwie an Dirk Stermann. Unabhängig davon hat als erstes seine Bergschuhe ausgezogen, seine blonde Begleitung ebenso. Sie sitzt übrigens verkehrt im Leder-Komfort-Sessel. Also Füsse in der Lehne. Und ich dachte immer, dass ich komisch sitzen würde. Nun, reden tun sie nicht viel. Er hat mich schon früh gefragt, wie das mit dem Wifi im Zug denn so wäre. Sie hat, als der Schaffner uns Zeitschriften anbot genickt und dann ein "Wiener" in Empfang genommen. Sichtbar errötet gab sie es zurück, als sie die nackten Frauen in Overknee-Stiefel auf dem Cover sah. Er hätte es gerne genommen, durfte aber nicht. Die ach so prüden Amis halt. Eine Spruch von wegen "Wiener" konnte ich mir nicht verkneifen, was dann für noch mehr Blut in ihrem Kopf gesorgt hat. Eventuell doch keine Sex, Drugs and RocknRoll Story bei den beiden. Jetzt schauen sie die Berge an und schweigen dazu. Seit über einer Stunde. Und er ackert Zugsfahrpläne durch - Wifi sei dank. 

Vor den beiden sitzt eine junge Frau aus Ungarn, neben ihr die Frau Mama. Die Jüngere der beiden ist, so rate ich mal, Model oder Schauspielerin. Aber nicht in Hollywood, nein, so ungarische Indie-Produktionen, in denen der Kameramann ohne Skrupel auch mal 5 Minuten nur eine Kaffeetasse filmt. Angezogen wie ein Hippster raucht sie E-Zigaretten und liest E-Book. Dazu noch ein Mac auf dem Schoss und Sprüngli-Schoggi. Sie wirkt sehr unnahbar und gelangweilt. Normalerweise reist sie vermutlich mit dem Flugzeug, was mit dem vielen Gepäck auch durchaus Sinn macht. Aber die Frau Mama wollt mit dem Zug fahren, weil sie doch endlich mal die Berge sehen möchte. Na gut, sie hat ihr den Gefallen getan, dafür hat es wohl die neuen Ledestiefel als Geschenk gegeben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die so glänzen und sie immer daran rumfummelt. Wieder ein Zug an der E-Zigi...

Hinter mir der Businessman. Immer am Telefon und er haut so heftig in die Tasten, dass mein Sitz wackelt. Zwischendurch schläft er spontan ein und schnarcht. Bis er vom Handy wieder geweckt wird. Gleich neben ihm zwei ältere Damen, sie gehören zu 30köpfigen Reisegruppe "SRF Kulturreise nach Salzburg". Seit Zürich waren sie rund 10 Minuten an ihrem Platz, die restliche Zeit in Resto-Waggon oder im hinteren Wagen, weil da der Rest der Reisegruppe sitzt. Und das mögen sie nicht, so abseits. Das haben sie dem Schaffner energisch mitgeteilt, dieser hat seinen Frust über den Anschiss an den beiden, inzwischen Joghurt essenden, Amis rausgelassen und sich über ihre schlecht gedruckten Print@home Tickets aufgeregt. 

Die Schauspielerin hat, inzwischen ist die Sonne da, ihr Hemd ausgezogen und sitzt in einer Art Spitzenbody da. Ihr Gegenüber ein Ösi-Ehepaar, beide gehen 80 Jahre alt. Der gute Mann weiss nicht wie ihm geschieht, oder besser gesagt, wo er hinschauen soll. Ja, Berge, aber ich glaube seine Frau hat nicht diese Berge gemeint. Ich seh die Ungarinnen ja nur von hinten und das ist gut so. Es reicht, wenn sie mit wallendem Haar den Kopf dreht und den Rauch der E-Zigi in den Gang bläst. 

Mein Held ist sowieso der Kellner, jongliert mit 2 vollen Tabletts durch den Zug. Egal ob Kaffee, Bier oder Essen - er scheint die Regeln der Schwerkraft zu überwinden. Und das mit guten 100 Kilogramm auf den Hüften. Okay, die Tomaten-Pasta... ja, sie haben Flecken auf seinem Hemd hinterlassen. 

Bald bin ich in Innsbruck. Stan hat gewonnen. Schnee hat es hier irgendwie gar keinen. Inzwischen läuft Rio Reiser aufm Kopfhörer. Und beim Rausgehen frage ich noch freundlich nach dem "Wiener". 

12. Januar 2014

Alle Jahre wieder, kommt das Dschungelcamp

Knapp eine Woche vor dem Start des RTL-Dschungelcamps stehen ganz offiziell alle 11 Teilnehmer fest. Zu den abenteuerlustigen C bis Z-Promis gehört demnach "König von Malle"-Ex Corinna Drews. Sie wird gemeinsam mit dem "Tatort"-Kommissar Winfried Glatzeder, "DSDS"-Teilnehmer Marco Angelini und Designer Julian Stoeckel in den australischen Busch ziehen. Zuschauer, die auf  nackte Haut im "Dschungelcamp 2014" hoffen, können sich über Erotikmodel Melanie Müller freuen, die durch das Format "Der Bachelor" bekannt wurde. Und auch für die Lachmuskeln gibt es bei der neuen Staffel "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus" vielleicht etwas zu tun: die ehemalige Komödiantin Tanja Schumann verspricht mit Moderator Mola Adebisi für gute Laune unter den Teilnehmern zu sorgen. Weiter beim Einzug mit von der Partie sind Schlagermusiker Michael Wendler, "Ruck Zuck"-Moderator Jochen Bendel, "Queensberry"-Sängerin Gabriella "Gabby" de Almeida Rinne und "Germany's next Topmodel"-Kandidatin Larissa Marolt bestätigt. Los geht es mit dem Camp im australischen Beinahe-Dschungel am nächsten Freitag, 17. Januar auf RTL. 


Wie alle Jahre gehe ich auch 2014 mit einer kurzen, persönlichen Vorschau und natürlich Prognosen an der Start. Wobei vor allem die Vorstellung der Kandidatenschar dieses Mal eher kurz ausfallen wird, da ich nicht wirklich alle "Promis" kenne... 

Corinna Drews: Nun, dem Namen nach war sie mal mit Jürgen Drews verheiratet. Sie war vor Jahren Covergirl beim Playboy oder anderen Magazinen wie Quick oder Neue Revue. Qualitätsjournalismus lässt grüssen, erst recht wenn die Titelstory "Männer sind mein Sport", heisst. Und sonst? Ja, ich glaub das wars. Ihre Chancen auf die Krone schätze ich als eher gering ein, weil eben: wer kennt die Frau noch?


Winfried Glatzeder: In den 60er und 70er Jahren war er in der ehemaligen DDR ein Star und der Hauptdarsteller des Erfolgsfilms "Die Legende von Paul und Paula". Noch im letzten Jahrtausend war er als Tatortkommissar, inzwischen spielt er Theater. Im Camp dürfte er wohl der ruhende Pol sein, mit Jahrgang 45 ist der Opa der Runde. 

Melanie Müller: Die junge Frau aus Oschatz ist so bekannt, dass man sie nicht einmal bei Wikipedia findet. Aber okay, mal ehrlich, trotzdem weiss fast jeder wer Melanie Müller ist - Bachelor und andere TV-Auftritte sei dank. Angefangen hat sie mit Pornos, inzwischen ist sie eine Art It-Girl und lümmelt sich von Party zu Party. Unsympathisch scheint sie - so zu mindest der Eindruck von aussen - nicht zu sein, aber wenn man Georgina als Vergleich hinzuzieht, fällt das auch nicht sooo schwer. Ich denke, sie wird weit kommen - Sex sells und Micaela Schäfer hat das TV-Publikum auch oft für die Prüfungen ausgesucht, so wird es Melanie Müller auch ergehen. Reicht fürs Finale.  


Tanja Schumann: Was soll ich sagen, es gibt wenige "Comedians" die sich, seit Beginn, so unlustig und doof finde, wie diese Frau. Entsprechend war ich dann auch froh, dass es lange ruhig war rund um die ehemalige RTL-Samstag Nacht Darstellerin. Schlagzeilen hat sie höchstens noch mit Schulden und anderem persönlichem Kram gemacht. Da ich sie nicht mag und sie mir egal ist, kann sie auch am ersten Tag wieder nach Hause fahren. 

Mola Adebisi: Der Molerator. Okay, grundsätzlich gesehen war der mal wirklich witzig und hat als Musik TV-Moderator bei VIVA für gute Stimmung gesorgt, aber eben: auch das ist schon eine Weile her. Nun sieht man ihn hier und da mal bei Raab Events oder an Autorennen... die goldenen Zeiten sind auch bei ihm vorbei, logo, sonst würde er sich ja nicht im Dschungelcamp sehen lassen. Ich erwarte ihn nicht im Finale, keine Ahnung warum... 


Michael Wendler: De Wendler. Ich kenne genau ein Lied von dem Typen: "Sie liebt den DJ". Ansonsten gong der Mallorca-Proll bis jetzt komplett an mir vorbei. Und das ist gut so.Vermutlich hat der Wender aber tatsächlich Chancen auf den Titel, da er als einziger auf eine grosse Fanbase zählen darf. Dazu kommt, dass ihn, die, die ihn nicht mögen in die Prüfungen schicken werden und er dadurch viele Sendeminuten kriegen wird. Darum wohl der grosse Favorit.

Jochen Bendel: Der "Ruck Zuck"-Typ, oder? Sprich ein Moderator. Unlängst hat er glaub noch für Schlagzeilen gesorgt, in dem er seinen Freund geheiratet hat. Anhand von Interviews schätze ich ihn als ziemlich schräg und unberechenbar ein. Könnte für das eine oder andere Skandälchen gut sein. Ob das beim Publikum ankommt, wird sich zeigen. 


Gabriella "Gabby" de Almeida Rinne: Ähem... ja. War Mitglied bei der Casting-Band "Queensberry", aber von denen will mir spontan so gar kein Lied einfallen. Schule abgebrochen, mit 15 ein Kind gekriegt, das bei einer Pflegefamilie aufwächst. Ideale Voraussetzungen fürs Dschugelcamp! Sie fliegt früh raus.

Marco Angelini: Kenne ich nicht. Angeblich Arzt, angeblich "Sänger", irgendwas mit DSDS. Tja. 


Larissa Marolt: Die ehemalige Gewinnerin von GNTM Austria war auch bei Pro 7 zu sehen. Damals noch ein Küken, inzwischen - angeblich - als Model erfolgreich. Bloss, warum haut sie dann in den Dschungel ab. Ihre Eltern haben irgendwo im Ösi-Land ein Hotel, wo sie manchmal mithilft - trotz ach so erfolgreicher Modelkarriere. Vermutlich nur was fürs Auge, mehr dann wohl auch nicht. Darum tippe ich auf ein frühes Aus. 

Julian Stoeckel: Hä? Ein Modedesigner. Aha. Und irgendwie ein Kumpel von Annemarie Eilfeld. Fürs Dschungelcamp reichts. 

Fazit... das gibts nix in diesem Jahr. Zu wenig Glamour und zu wenig spannenden Charaktere. Aber natürlich weiss das RTL auch und wird entsprechend für Stimmung und das eine oder andere Mini-Skandälchen sorgen. Mit der Unterstützung der Medien, allen voran der Bild-Zeitung, dürfte es darum auch in diesem Jahr für Traumquoten reichen. 2013 war das Dschungelcamp ja bekanntlich das erfolgreichste Format im TV-Jahr. Auch ich werde in diesem Jahr - Replay-Taste sei dank - auch wieder dabei sein und mich amüsieren. Dschungel hier, Dschungel da: In den nächsten zwei Wochen war der zugegebenermassen peinliche RTL-Trash in aller Munde sein. 
Eine Erklärung des Phänomens "Dschungelcamp" ist ebenso simpel wie einleuchtend: Voyeurismus. Das betrifft alle Schichten der Bevölkerung. Man vergleicht sich - bewusst oder unbewusst - mit den Protagonisten der Show, dadurch wird ganz unbewusst das eigene Selbstwertgefühl gestärkt. Ganz im Gegensatz übrigens zu dem der Kandidaten: seit über einem Monat ist der Sänger Silva Gonzalez in psychiatrischer Behandlung, er war letztes Jahr noch im Camp dabei... Nicht zuletzt hilft der RTL-Trash bei der gesellschaftlichen Integration, über Dinge Bescheid zu wissen, über die aktuell gerade alle reden. Während die Kandidaten im Camp Kakerlaken verzehren und sich gegenseitig hoffnungslos zerstreiten, wird das Publikum zusammengeschweisst. Sagen zumindest irgendwelche Psychologen... Schliesslich wären da noch die Moderationen, welche - Dirk Bach in Ehren - echt witzig sind. Meistens, jedenfalls.

weiter lesen: http://web.de/magazine/tv/shows/dschungelcamp/17071066-gucken-dschungelcamp.html#.A1000145
weiter lesen: http://web.de/magazine/tv/shows/dschungelcamp/17071066-gucken-dschungelcamp.html#.A1000145

weiter lesen: http://web.de/magazine/tv/shows/dschungelcamp/17071066-gucken-dschungelcamp.html#.A1000145Nicht zuletzt hilft es bei der gesellschaftlichen Integration, über Dinge Bescheid zu wissen, über die gerade alle reden. Während die Kandidaten im Camp Kakerlaken verzehren und sich gegenseitig hoffnungslos zerstreiten, wird das Publikum zusammengeschweisst - nicht zuletzt dank den neuen Medien, wie Twitter und Facebook, über welche fleissig gelästert und diskutiert wird.

weiter lesen: http://web.de/magazine/tv/shows/dschungelcamp/17071066-gucken-dschungelcamp.html#.A1000145

weiter lesen: http://web.de/magazine/tv/shows/dschungelcamp/17071066-gucken-dschungelcamp.html#.A1000145

8. Januar 2014

"Ein langwieriger und schwieriger Prozess"

Es hagelt gerade Schlagzeilen in der Mittagspause. Nein, nicht nur über die Ermittlungsergebnisse der Franzosen zum Unfall von Schumi und es geht in diesen Schlagzeilen auch nicht ausnahmlos um die neue DSDS-Staffel, welche heute Abend auf RTL Premiere feiert. Und ich rede/schreibe auch nicht über die erste Winterfussball-WM der Geschichte in Katar - obwohl sich Wortspiele anbieten würde. Nix da, darum gehts:

"Ex-Nationalspieler bekennt sich zu Homosexualität!"
"Thomas Hitzlsperger outet sich als schwul!"
"Homosexualität im Fußball: Aus dem Abseits" 
Hitzlsperger: Ich bin schwul!

Ja und? Klar find ich das auch mutig vom ehemaligen Stuttgarter, aber das wars dann irgendwie auch schon, nicht? Wenn ein Kicker hetero ist, erzählt er es ja auch nicht jedem. Okay, meist heiratet das männliche Fussballtalent sehr jung und hat viele Kinder. Von der Frau trennt er sich dann meist nach der erfolgreichen Karriere (oder sie von ihm) und später ludert er mit irgendwelchen Models rum. Analog den Altstars im Tennis. Aber sonst, alles schon tausend Mal gehört und gelesen. 

Homosexualität unter Männern ist im Profi-Sport unverständlicherweise noch immer ein Tabu-Thema. In den vergangenen Monaten bekannten sich lediglich zwei Sportler dazu: der Fussballer Robbie Rogers und der Basketball-Spieler Jason Collins. Anonsten ist die Quote von homosexuellen Sportlerinnen und Sportler immer noch quasi bei Null. Thomas Hitzlsperger hatte seine Karriere im Sommer 2012 beendet. Er hat sich nun also als erster ehemaliger deutscher Nationalspieler als homosexuell geoutet. Mit seinem Bekenntnis wolle er dafür sorgen, "dass die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern" vorangebracht werde. Das sagte er in einem Interview mit der "Zeit". "Erst in den letzten Jahren dämmerte mir, dass ich lieber mit einem Mann zusammenleben möchte", sagte der 31-Jährige, der 2007 mit dem VfB Stuttgarter Deutscher Meister geworden war. Er bestritt zwischen 2004 und 2010 52 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft. Im vergangenen Jahr hatte er seine Karriere "in Folge eines Prozesses mit vielen Vereinswechseln und einigen Verletzungen" beendet. 


Während seiner Karriere spielte er nicht nur in Deutschland, sondern auch in der englischen Premier League und der italienischen Serie A. "In England, Deutschland oder Italien ist Homosexualität kein ernsthaftes Thema, nicht in der Kabine jedenfalls", erinnert sich Hitzlsperger. In dem Interview sagt er weiter, dass er sich dafür geschämt habe, dass er nunmal so sei. "Überlegen Sie doch mal: da sitzen zwanzig junge Männer an den Tischen und trinken", sagt er. "Da lässt man die Mehrheit gewähren, solange die Witze halbwegs witzig sind und das Gequatsche über Homosexuelle nicht massiv beleidigend wird." Ich finde seinen Schritt grossartig, gebe allerdings zu Bedenken, dass es ja irgendwie schon traurig ist, dass eine solche Aussage von einem Fussballer (oder egal von wem!) im Jahr 2014 immer noch für ein solches Mediengedöns sorgt. Denn wenn Hitzlsperger gesagt hätte: "Leute ich oute mich, ich liebe Frauen!", wäre das ganz sicher keine Schlagzeile wert gewesen...

2. Januar 2014

Eine kurze Geschichte vom Krieg

Über die Weihnachtsfeiertage ist mir eine Geschichte und ein damit verbundenes Gesicht aufgefallen. Es war wohl in einer der unzähligen "ZDF-History"-Folgen über den 2. Weltkrieg, welche über die Festtage ausgestrahlt wurden. Rosa Jegorowna Schanina: die junge Frau hat definitiv keine Geschichtsbücher gefüllt, dafür war ihr Leben viel zu kurz und auch den TV-Journalisten war sie nur eine kurze Randbemerkung wert. 


Rosa Schanina kam am 3. April 1924 in Edma, Russland/UdSSR zur Welt und war eine sowjetische Scharfschützin im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Besuch der Archangelsker Pädagogischen Hochschule leitete Schanina einen Kindergarten. Später absolvierte sie die militärische Grundausbildung und wurde der Akademie für weibliche Scharfschützen in Podolsk zugewiesen. Am 22. Juni 1943 wurde Schanina in die Rote Armee und am 2. April 1944 schliesslich in den separaten weiblichen Scharfschützenzug der 184. Infanteriedivision aufgenommen. 

Während einer Kommando-Operation 1944, also im Alter von 20 Jahren, verzeichnete sie in Vilnius 54 tödliche Treffer, darunter waren 12 gegnerische Scharfschützen. Dies machte sie zu der Zeit zur Heldin. Am 18. Juni und am 22. September 1944 wurde sie mit dem Ruhmesorden ausgezeichnet. Am 12. Dezember 1944 wurde Schanina in die Schulter geschossen. Zirka zwei Wochen später, am 27. Dezember, erhielt sie die sowjetische Tapferkeitsmedaille. Rosa Jegorowna Schanina starb am 28. Januar 1945 während eines Gefechts in Ostpreussen. Ihr Tagebuch und ihre zahlreichen Briefe wurden postum veröffentlicht. Nach ihrem Namen wurden inzwischen zwei Siedlungen in der Stadt Archangelsk benannt und es gibt einen Song über sie, geschrieben von zwei amerikanischen Folk-Musikern.

Warum ich diese kurze Geschichte gerade zum neuen Jahr ausgegraben habe und erzähle? Nun, auch über die Feiertage haben weltweit nicht nur Böller geknallt, es gab Attentate, unschuldige Opfer und Kriegsverbrechen. Auch Russland war mehrfach in den Schlagzeilen, Frauen sollen an den Bombenanschlägen von Wolgograd aktiv beteiligt gewesen sein. Eine verrückte, um nicht zu sagen, eine gestörte Welt, die sich diesbezüglich auch 2014 nicht verändern wird. Und es wird weiter sinnlose Opfer geben, wie damals die 21jährige Kindergärtnerin Rosa Schanina, die heute vielleicht eine stolze Ur-Oma wäre.