Die Entlassung von Moderator Andy Wolf (46) bei
Radio Pilatus wirft derzeit hohe Wellen. Ob man Wolf nun mochte oder
nicht ist meines Erachtens einerlei. Der Grund für den derzeitigen
Shitstorm ist vielmehr die Kommunikation eines CEOs, der offenbar
verkennt, dass auch fürs Radio manchmal gilt: Reden ist Silber,
Schweigen ist Gold.
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Ich war nie ein Fan von
Andy Wolf (Ich schon, zudem habe ich ihn als ehemaligen Arbeitskollegen und Freund immer geschätzt - Anmerkung von Monsieur Fischer). Er war mir als Moderator nie sonderlich sympathisch. Insofern
wird mir Wolf bei Radio Pilatus nicht fehlen. Doch darum sollte es bei
der Diskussion meines Erachtens auch nicht gehen. Jedenfalls nicht
vordergründig. Die Geschichte offenbart vielmehr das fehlende
Verständnis für Kommunikation von Radio-Pilatus-CEO Joachim Freiberg.
Ein Blick auf die Chronologie der Geschichte zeigt,
wie der «Fall Andy Wolf» zu einem regelrechten Shitstorm und einem
Imageschaden von Radio Pilatus führen konnte:
Höchstens eine kurze Nachricht wert
Am Freitag, 28. März, erfuhr die «Neue Luzerner Zeitung»,
dass Moderator Wolf nach 24 Jahren bei Radio Pilatus entlassen worden
sei. Diese Meldung alleine wäre – wenn überhaupt – wohl höchstens eine
kurze Nachricht in den Newsspalten der NLZ wert gewesen. Schliesslich
werden jeden Tag zig Kündigungen ausgesprochen, und es ist durchaus
legitim, wenn sich Radio Pilatus von einem Mitarbeiter trennt. Auch wenn
dies im Fall von Wolf nach 24 Jahren geschah und einen Moderator
betrifft, der in den Jahren zahlreiche Fans gewonnen hatte. Ebenfalls legitim war es von der NLZ, bei
Radio-Pilatus-CEO Freiberg nachzufragen, was es mit der Kündigung von
Wolf auf sich habe. Zumal das Gerücht umging, dass der 46-Jährige «per
sofort freigestellt» wurde.
CEO reagiert anders als erwartet
Anlass zu einem Shitstorm gaben erst die Aussagen von
Freiberg. Anders als man hätte annehmen können (und müssen), hielt sich
der CEO nicht bedeckt. Anstatt mit dem zu erwartenden Stillschweigen –
(«Wir nehmen zu Personalentscheiden keine Stellung», «Wir haben uns
einvernehmlich getrennt», «Kein Kommentar») – äusserte sich Freiberg
gegenüber der NLZ erstaunlich offen über die Kündigungsgründe:
Der Sender befinde sich zurzeit in einem «hochdynamischen Prozess», in
dem Digitalisierung und Online-Journalismus zunehmend wichtiger würden.
«In diesem Umfeld», hält Freiberg fest, «hatte Andy Wolf nicht seine
besten Talente».
Diese Aussagen des Radio-Pilatus-CEO sind in dreierlei Hinsicht stossend:
Erstens bringt Freiberg einen
Kündigungsgrund vor, der offenbar so nicht zutreffen kann. Schliesslich –
und das hält die NLZ im Artikel richtigerweise ebenfalls fest – gehört
Wolf unter den Radio-Pilatus-Moderatoren zu den aktivsten Nutzern von
Social Media, ist unter anderem auf Facebook, Twitter, Xing und LinkedIn
aktiv. Ausserdem schloss er 2011 eine Social-Media-Ausbildung ab. Es
wird also sofort augenfällig, dass Freiberg hier nicht den wahren Grund
der Kündigung preisgibt.
Zweitens äussert sich Freiberg negativ
über die Qualitäten eines entlassenen Mitarbeiters. Er wirft ihm
mangelnde Kenntnisse in Digitalisierung und Online-Journalismus vor.
Dass das in einer Phase, in der sich Andy Wolf für andere Jobs bewerben
wird/muss, mehr als ungünstig ist, muss nicht eigens erwähnt werden.
Drittens – und das ist für mich fast das
unglaublichste – steht Freiberg ganz offenkundig zu seinen Aussagen. Man
hätte es ihm nicht verübelt, wenn er die Äusserungen spätestens beim
Gegenlesen zurückgezogen hätte. Stattdessen segnete Freiberg – davon ist
jedenfalls auszugehen – die Zitate ab. Und bestätigte
sie tags darauf gegenüber «20 Minuten online». Dort setzt er gar noch
einen drauf. Er begreife nicht, dass man immer meine, Social Media sei
die digitale Welt. «Das ist eine reduzierte Sichtweise. Social Media ist
nur ein Aspekt davon.» In Kürze werde etwa die Website von Radio
Pilatus ganz neu daherkommen, was «ganz neue Herausforderungen» an die
Moderatoren stelle, was das geschriebene Wort anbelangt. Mit anderen
Worten: Wolf mag zwar auf Social Media aktiv sein, trotzdem kommt er in
Sachen Digitalisierung nicht mehr hinterher. Und spätestens mit der
neuen Website wäre der 46-Jährige, so lesen sich Freibergs Worte,
überfordert gewesen.
Transparenz um jeden Preis
Gegenüber «20 Minuten online» probiert Freiberg denn auch
sein Vorgehen zu rechtfertigen. Er hätte den Entscheid nicht öffentlich
kommuniziert, wenn er nicht von einer Zeitung angefragt worden wäre.
Und: «Hätte ich einfach eine Floskel gebracht im Sinne von gegenseitigem
Einvernehmen, dann hätte man mir das auch vorgeworfen. Also entschied
ich mich für Transparenz.»
Hier macht Freiberg einen entscheidenden Denkfehler.
Transparenz ist nicht per se angebracht – schon gar nicht um jeden
Preis. Und wenn man sie leben will, sollte sie auch sein, was sie
verspricht: transparent, ehrlich, offen. Freiberg hat aber
offensichtlich einen nicht (oder nur halb) wahren Kündigungsgrund
vorgeschoben, ohne Rücksicht darauf, was diese Aussagen für Wolfs
berufliche Zukunft bedeuten könnten.
Shitstorm folgerichtig
Dass die Reaktionen nun in Form eines Shitstorms
auf Radio Pilatus zurückfallen, ist nur folgerichtig. Ich bin
überzeugt: Hätte Freiberg die Entlassung von Wolf unkommentiert
gelassen, wären die Mutmassungen bei den Hörern zwar nicht ausgeblieben.
Aber – und darum gehts: Radio Pilatus wäre vom Imageschaden verschont
gewesen.
Manchmal gilt eben auch für das Radio das
Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Leider hat Freiberg
dies zu spät erkannt. Da bringt auch die widersprüchliche Stellungnahme
nach vier Tagen Shitstorm nichts mehr. Im Gegenteil: Dass Radio Pilatus
nun um Verständnis bittet, «dass personelle Entscheidungen nicht in der
Öffentlichkeit diskutiert werden können, da sie die Privatsphäre der
Beteiligten betreffen», wirkt letztlich nur noch zynisch.
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