27. Februar 2016

Ein Lebenszeichen und mehr

Hallo miteinander. Ist mal wieder eine ganze Weile her, seit ich mich über diesen Kanal gemeldet habe. Aber heute ist einer dieser Tage, an denen ich Zeit habe oder besser gesagt Zeit nehme. Ich sitze aktuell im tiefsten Thüringen in einer Hotellobby. Ein kühles Bierchen vor mir, auf dem riesigen Flat-Screen läuft die Bundesliga und ein Schinkenkäse-Sandwich steht auch parat zum anbeissen. Aber keine Angst, ich schreibe jetzt weder über das lustige Hotel, noch über deutsches Bier oder englische Sandwiches. 


Vielmehr geht mir die Abstimmung von morgen Sonntag nicht aus dem Kopf. Diese Durchsetzungsinitiative sorgt in der Schweiz schon seit einigen Wochen für Diskussionen und sie wird dies auch in Zukunft tun. Ganz egal wie das Ergebnis morgen Abend ausschaut. Die SVP hat es, leider einmal mehr, hingekriegt, das Schweizer Volk zu spalten. Das erinnert mich, und darum der Bezug zu meiner Reise nach Deutschland, an unsere nördlichen Nachbarn. Hier hört man aus vielen Gesprächen auch die Unzufriedenheit raus. Phänomene wie Pegida oder die AfD sind dann die Auswüchse dieser Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Kleine Renten, teure Versicherungen, Arbeitslosigkeit, staatliche Gelder welche nach Europa fliessen, Stadtflucht und so weiter - die Angst vor der Zukunft ist bei vielen Deutschen gross! Vermutlich sogar nicht einmal unbegründet. Ähnliche Ängste plagen in der Schweiz vor allem die älteren Menschen. Wie geht es weiter in unserem Land? Wie viele Einwanderer haben noch Platz? Was passiert mit der Schweizer Wirtschaft, was mit dem Finanzplatz Schweiz? Und auch bei uns wird alles immer nur noch teurer, es vergeht zum Beispiel kein Jahr wo die Krankenkassenprämien nicht steigen. Und in diesem Moment kommt in der Schweiz diese Initiative der SVP und wir erinnern uns an die Masseineinwanderungsgeschichte vor ein paar Jahren. Ähnliche Zeit, ähnliche Voraussetzungen. Auch ein ähnliches Resultat? Ich befürchte ja. 
Denn auch in der Schweiz sind, wie in Deutschland auch, die Schuldigen für die Unsicherheit und die Unzufriedenheit gefunden. Es sind die Ausländer, meist in Form von Flüchtlingen. Sie sind der Sündenbock für alles. Kein Job? Ein Flüchtling ist schuld. Frauen belästigt? Waren Flüchtlinge. Raubüberfall und Schlägerei? Sicher einer aus Eritrea. Und überhaupt, die haben immer so teuere Kleider und die modernsten Telefone. Und um die Versicherung müssen sie sich auch nicht kümmern, wird ihnen alles in den Allerwertesten geschoben. Von unseren Steuern. Solche und andere Geschichten hört man im Bus oder Zug oder in der Mittagspause fast täglich. Kein Wunder kocht die negative Stimmung hoch und ebenfalls kein Wunder, denken viele Stimmbürger dann, dass so eine Initiative genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. So fliegen diese straffälligen Ausländer endlich raus und unser Land wird endlich wieder friedlich. Einfach gedacht, aber durchaus naheliegend. 
Dass gerade Asylbewerber bei einer allfälligen, neuen Gesetzgebung so ziemlich gar keine Rolle spielen, das ist entweder nicht bekannt oder wird einfach verdrängt. Dass in der Schweiz (und übrigens auch in Deutschland) eine grössere Anzahl Verbrechen von Schweizern und nicht von Ausländern verübt werden, scheint auch egal. Und, für mich der wichtigste Punkt, dass gut integrierte Zuwanderer oder Secondos am ehesten unter den neuen Gesetze leiden müssten, das scheint irgendwie auch nicht bewusst zu sein. Ohne hier ins Detail zu gehen, das wurde schon genug gemacht: zwei Bagatellen könnten künftig zu einer Ausschaffung führen. Probleme mit den Steuern, mal zu schnell gefahren, bei einem Fussballmatch an einen Polizisten geraten, bei Skifahren mit jemandem kollidiert, sich in der Nacht im Zug gegen einen Angriff gewehrt, unerlaubt Feuerwerk gezündet und so weiter. Dinge, die immer mal wieder passieren und von denen ich an dieser Stelle diverse Namen von Schweizern aufzählen könnte, denen genau solche Sachen schon passiert sind. Passiert es aber einem Secondo, der hier zur Welt gekommen ist, dessen Eltern hier seit 40 oder 50 Jahren bestens integriert sind, der vielleicht nicht einmal mehr die Sprache seiner Eltern beherrscht, dann fliegt er (im Wiederholungsfall) raus! Ich hatte zum Beispiel als Twen zwei Mal das Autobillet weg und um die 20 herum war ich bei Fussballspielen nicht immer der, welcher seine Nerven im Griff hatte. Vermutlich wäre ich also geflogen. Wegen Sachen, die jedem Jugendlichen mal passieren. Und wenn ich in meinem Umfeld schaue, wie viele Leute mit ausländischen Wurzeln ich kenne, dann krieg ich echt Gänsehaut, beim Gedanken, dass genau diese bestens integrierten Menschen künftig in Angst leben müssen, dass sie irgendwie Scheisse bauen oder - noch viel schlimmer - von jemandem angeschwärzt werden. 
Darum war es für mich ganz klar, dass ich ein NEIN abgeschickt habe. Aber, ich kenne auch genug Leute, die Ja gestimmt haben und mir das auch begründen konnten. Okay, ich konnte alle dieser "Gründe" immer relativieren, weil sie auf falschen Informationen aufgebaut waren. Ich schrieb ja zu Beginn, die SVP macht leider einmal mehr einen guten Job was die Propaganda angeht, auch wenn sie es mit der Wahrheit wiederum nicht so genau nehmen. Aber das ist ja nicht neu und ein Armutszeugnis für alle anderen Parteien, dass man nicht weiss, wie man darauf reagieren soll. So ist es auch in diesem Wahlkampf wieder die breite Masse, welche über die sozialen Medien oder über Aktionen darauf aufmerksam macht, welche Konsequenzen ein Ja hätten. Aber nochmal: ich bin nicht so sicher, dass die DIS abgelehnt wird. Denn bei all den Umfragen im Vorfeld haben sicher nicht alle Befragten die Wahrheit gesagt, niemand steht gerne dazu, dass er ein Ja eingeworfen hat. Und bei der Masseneinwanderungsinitiative waren die Umfragen am Schluss ähnlich. Aber, wir werden sehen. Die Schweiz ist eine Demokratie und darauf können wir alle stolz sein. Bloss, die SVP soll dann bei einer möglichen Annahme auch hin stehen und uns aufzeigen, wie man eine solch bescheuerte Gesetzesänderung HUMAN umsetzen kann. 
So, jetzt geht es mir besser. Okay, die Angst bleibt. Aber immerhin konnte ich etwas Dampf ablassen, auch wenn es wohl nichts mehr ändern wird am Resultat. Und ja, ich ärgere mich auch über straffällige Ausländer, über gewalttätige Asylbewerber und Kriminaltouristen. Entsprechend bin ich auch der Meinung, dass man diesbezüglich Lösungen finden muss, damit ein friedliches Zusammenleben in unserem Land auch weiterhin möglich ist. Denn wir haben eine lange Tradition im Miteinander mit Immigranten und das sollten wir aufrecht erhalten. Und natürlich finde auch ich es unmöglich, dass ein Raser, der Menschen totfährt und unsere Rechtssprechung verhöhnt, weiterhin in unserem Land bleiben darf. Aber eben, diese aktuelle Initiative ist sicher nicht der richtige Weg. Kommt dazu, dass die Asylfrage damit ebenfalls nicht beantwortet wird. Dazu braucht es andere Mittel: Hilfe vor Ort, keine Waffenverkäufe in Krisenregionen, Integration der Flüchtlinge und so weiter. Selber habe ich regelmässig mit Jugendlichen aus Eritrea, Syrien, dem Irak oder Afghanistan zu tun. Und ich kann sagen, wenn man diese Kids fordert und fördert, dann kommt bei den allermeisten von ihnen eine Motivation auf, zu zeigen was sie können. Da lernen dann viele gerne freiwillig Deutsch oder interessieren sich für die Schweiz und ihre Eigenheiten. Aber eben, das passiert nicht, wenn sie in ihren Unterkünften versauern und den ganzen Tag nur um ihresgleichen herum sind. Nein, wir müssen den ersten Schritt auf sie zu machen und nein, wir müssen auch nicht jeden von ihnen supertoll finden. Denn auch lesbische, schwarze Behinderte können ätzend sein, weil unterm Strich sind wir alles nur Menschen und egal ob Hautfarbe, Herkunft, Gesinnung etc. - überall gibt es solche, die wir lieber mögen und solche, die wir weniger mögen. Falsch ist es darum erst recht, alle in einen Topf zu schmeissen und sie unter Generalverdacht zu bestrafen!

So und nun noch ein Bierchen und das Livespiel vo Dynamo Dresden im TV. In der Sonne versteht sich.