Wer jetzt schon beim Titel ungläubig den Kopf schüttelt, der bildet sich seine Meinung und lässt das Lesen und den Kommentar einfach sein. Wer weiterliest, versteht dann am Schluss vielleicht auch den Titel. Ab jetzt wird es erst so richtig schmuddelig. Wer ist Charlotte Roche? Deutsche Moderatorin, Schauspielerin, Sängerin, Sprecherin, Produzentin und Autorin mit englischen Wurzeln. Einzelnen Menschen seit Jahre bekannt durch VIVA Zwei, Arte oder ARD. Ich hab mein Herz spätestens an Frau Roche verloren, seit ich ihr Kult-Interview mit Robbie Williams gesehen habe.
Seit einigen Wochen kennt ein Gros der deutschsprachigen Welt zumindest den Namen "Charlotte Roche". Es vergeht nämlich fast keine Woche in der nicht eine Boulevardzeitung (und wir haben ja schon so viele davon) über die 29jährige Frau berichtet. Grund ist ihr Buch "Feuchtgebiete". Alle Talkshows reissen sich um Frau Roche, ihre Lesetour ist beinahe jeden Abend ausverkauft und das Buch ist den Charts. Ich habe mir das Buch vor einigen Wochen auch gekauft, naiv ohne etwas über den Inhalt zu wissen, weil zum Zeitpunkt meiner Bestellung der Hype noch nicht ausgebrochen war und ich einfach wissen wollte, was Frau Roche so schreibt. Geht mir übrigens auch bei Sarah Kuttner, Harald Schmidt, Roger Willemsen oder Michel Houellebecq jeweils nicht anders. Inzwischen ist Roches Werk als "Schmuddelbuch", "Pornolektüre" und so weiter bekannt. Und die Bildzeitung titelte am Wochenende:
Wieviel Porno steckt in Frau Roche?
Es wird von Lesern berichtet, die sich scheinbar beinahe übergeben mussten, während sie sich "Feuchtgebiete" zu Gemüte geführt haben. In Internetforen wird sogar über ein Verbot des Buches diskutiert. Nun, was soll ich sagen? Das Buch ist bestimmt kein literarisches Meisterwerk. Die Sätze sind einfach gehalten, der Schreibstil erinnert an einen Blog oder ein Tagebuch. Entsprechend liest es sich locker flockig. Der Inhalt darf durchaus als pornografisch bezeichnet werden. Wenn man das Buch zufällig auf irgend einer Seite aufschlägt, springen einem quasi ausnahmslos Ausdrücke wie "Muschi" oder "Schwanz" ins Auge. Wobei solche Wörter noch zu den harmloseren gehören. Das Buch ist auch meiner Meinung nach eine Provokation und bestimmt nicht für Kinder geeignet. Trotzdem, wo ist das Problem?
Das 220 Seiten starke Werk ist auf Platz 2 der deutschen Bestsellerliste. Regen sich also mal wieder die gleichen Menschen darüber auf, die sich heimlich daran aufgeilen? Naja, ehrlich gesagt muss man schon einen sehr speziellen Geschmack haben um an dem Geschriebenen etwas "geil" zu finden. Ausschnitte gefällig?
"Ich benutze mein Smegma wie andere ihre Parfümflakons. Mit dem Finger kurz in die Muschi getunkt und etwas Schleim hinters Ohrläppchen getupft und verrieben..."
"Ich greife mir immer in die Muschi, wenn ich auf dem Klo sitze..."
"...Doggystellung, also auf allen vieren, Gesicht nach unten, er von hinten kommend Zunge in die Muschi, Nase in den Arsch, da muss man sich geduldig vorarbeiten, weil das Loch ja von dem Gemüse verdeckt wird."
Weiter erzählt uns Frau Roche, dass es durchaus unnötig sei, sich untenrum regelmässig intensiv zu reinigen und dass ein Mann zwischen den Beinen auch gerne mal etwas streng riechen darf. Naja, das sagt natürlich nicht Charlotte Roche selber, sondern ihre Hauptdarstellerin Helen, die im Spital liegt. Das Buch darum nur auf Pornografie zu beschränken, wäre zu einfach. Andererseits hat mir persönlich die grosse Message ebenfalls gefehlt. Darum habe ich am Wochenende einer Freundin auf ihre Frage "Leihst du es mir mal aus, lohnt es sich?" geantwortet, ein Must ist es nicht. Aber eben, da es in den Medien seit Wochen gehypt wird, kann man es sich durchaus mal kurz durchlesen.
Aber jetzt mal Butter bei die Fische. Charlotte Roche hat den Nerv der Zeit getroffen. Wer heutzutage nicht provoziert, der fällt gar nicht mehr auf. Tag für Tag erscheinen unzählige Bücher, CD's und Filme. Wer nicht auffällt, der geht unter. Die bekennende Feministin Roche hat ein Thema aufgeriffen, wo wohl niemand damit gerechnet hat, dass gerade eine Frau sowas im Detail aufschreiben könnte. Sie hat das - unterstelle ich ihr jetzt einfach mal - ganz bewusst getan, weil sie als Medienprofi genau weiss, wie man sich Aufmerksamkeit schafft. Ihr Erstling hat eine solch grosse Beachtung gekriegt, wie es sich bestimmt jeder Schreiberling wünschen würde. Und da nehme ich mich nicht aus! Jede Bloggerin und jeder Blogger merkt es ja selber, wenn bestimmte Worte im Blog auftauchen, steigt die Besucherzahl.
So hat nun auch Frau Roche "Muschi" und "Schwanz" zu ihren Freunden gemacht und darf sich nun über unzählige verkaufte Bücher, ausverkaufte Vorlesungen und eine riesige Medienpräsenz freuen. Beste Voraussetzunge also für ihr zweites Buch, das bestimmt mal folgen wird. Denn bis dahin kennt bestimmt jeder den Namen Charlotte Roche. Ob dieses Getue, heiliger als der Papst und die oft übertriebene Prüderie der Öffentlichkeit dabei nötig sind, sei dahingstellt. Wer nämlich zum Beispiel bei Bild-Online den letzten Bericht über Charlottes Buch gelesen hat, der wurde links und rechts vom Text mit Werbung wie "Soll ich dich bügeln?" oder "Ich zeig dir meine Küche" zugemüllt. Fragt sich dann, was wirklich bescheuert ist. Der clevere Schachzug von Charlotte Roche, mit einem durchschnittlichen Buch Aufmerksamkeit zu erlangen oder diese billig gemachte Sex-Werbung, die direkt neben einem Text steht, in welchem sich der Journalist über Pornografie aufregt.
PS: Wer sich jetzt immer noch fragt was der Titel soll, dem sei gesagt, Frau Roche zeigt ja gerade, dass man mit etwas Provokation durchaus LeserInnen gewinnen kann. Und ich lerne schnell...