Seit einigen Wochen höre ich wieder Radio. Unfreiwillig, wie ich an dieser Stelle bemerken möchte. Im Geschäft wo ich arbeite, gibts ne Stereoanlage und da läuft natürlich den ganzen Tag über das Radio. Zuvor habe ich über 3 Jahre kein Radio mehr gehört, ausser ich habe mir ganz bewusst eine Sendung reingezogen. Der Grund warum ich - als ehemaliger Radiomacher - kein Radio mehr höre liegt auf der Hand. Mir sind zu viele Hintergründe bekannt, ich habe anders zugehört und auch mehr auf Fehler geachtet, als vielleicht andere Radio-Konsumenten.
Der Hauptgrund warum ich aber aufs Radio verzichtet habe, war die Musik. Unzählige Male pro Tag gibt’s die gleichen Songs, wer es in die Hot-Rotation geschafft hat, der läuft Gefahr, dass er mir schnell mal zum Hals raushängt. Und so geht es mir auch in diesen Tagen wieder. Wir zappen im Geschäft hin und her zwischen SWR3 und DRS3. Und leider muss ich sagen, dass es auch auf diesen zwei Sendern den gleichen Einheitsbrei gibt. Da wäre zum Beispiel die tolle Single „Almost Lover“ von A Fine Frenzy. Als ich den Song vor ein paar Wochen zum ersten Mal auf MySpace gehört habe, war ich vollends begeistert und hab ihn mir runter geladen. Inzwischen krieg ich fast Ohrenschmerzen, wenn er zum 8ten Mal pro Tag im Radio gespielt wird. Ähnlich ging es mir bei Titeln von Sunrise Avenue, Rihanna und so weiter.
Ich war selber drei Jahre lang bei einer grossen Schweizer Privatradiostation als Head of Music fürs Musikprogramm zuständig. In dieser Zeit kam diese Rotationssache gerade frisch in Mode. Vorher wäre es nie jemandem in den Sinn gekommen, den gleichen Song mehrfach pro Tag zu spielen. Im Gegenteil, es wurde darauf geachtet, dass es möglichst keine Wiederholungen gab. Inzwischen hat die Plattenindustrie die Radiostationen soweit im Griff, als dass sie Vorgaben machen kann, wie oft der Song zu laufen hat. Im Gegenzug gibt’s dann vielleicht die neue Grönemeyer-Single ein paar Tage früher, als sie der Musikredaktor der Konkurrenzstation kriegt. Und wer jetzt glaubt, dass manchmal sogar Geld fliesst, nur damit ein Song möglichst oft gespielt wird, der liegt nicht mal so schlecht. Vielleicht nicht unbedingt Bares, aber doch mal eine schöne Reise nach Paris oder ein paar coole Markenturnschuhe.
Denn es ist schon so, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Da läuft ein Song zum ersten Mal im Radio und der Hörer findet das Lied grässlich. Hört er den Track aber zum 50sten Mal, hat er sich daran gewöhnt und nach dem 100sten Mal singt er ihn bei der nächsten Party lauthals mit. Wie sonst liessen sich Erfolge wie „Anton aus Tirol“ oder „Barbie Girl“ erklären. Nun, ein kleiner Trost bleibt mir, meine Arbeitskollegen haben bezüglich Senderwahl wenigstens einen ähnlichen Geschmack und so kommen gewisse Stationen gar nicht erst in Frage, dafür darf es ruhig auch mal ein Couleur3, ein Virus oder ein Kanal K sein.