Frankreich abgewertet. Der Euro-Rettungsschirm scheinbar nichts wert. Spanien, Portugal, Italien... Die Ratingagenture sollen, so kann man immer mal wieder in Zeitungen lesen, schuld an der aktuellen der Finanzkise sein. Eine Meinung, die ich nach den letzten Entwicklungen durchaus teilen kann. Den US-amerikanischen Ratingagenturen "Standard & Poor’s", "Moody’s" und "Fitch Ratings" kann man zumindest die folgenden Fakten vorwerfen:
- Sie haben die Pleite der Lehman Brothers nicht vorhergesagt. Vielmehr haben sie der Pleitebank bis zum Schluss ein AAA+ Rating gegeben.
- Sie haben Collateralized Debt Obligation (CDO) (in etwa: abgesicherter Schuldschein) mit hohen Ratings versehen. Dann kam die Krise und jeder wusste: da war was faul dran.
- Die Herabstufung von Griechenland, Spanien und Portugal von AAA+ auf AA-, BBB oder Ramschstatus hat die Krise des Euros noch verstärkt. Frankreich wird den gleichen Effekt haben.
- Die Ratingagenturen haben Gefälligkeitsgutachten vergeben. Kein Wunder, denn immerhin bezahlen die Banken, Staaten und so weiter für diese Ratings.
- Die drei wesentlichen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch Ratings sind US-amerikanische Rating Agenturen...
Die Kritik liesse sich - von Menschen die mehr Wirtschaftsverstand haben als der Verfasser - bestimmt noch verlängern. Die von Experten geforderten Konsequenzen bewegen sich zwischen Verramschen der Ratungagenturen, wie es Spiegel Online fordert, und der Gründung einer europäischen Ratingagentur. Ausserdem soll die Finanzaufsicht die Gütekriterien der Ratingagenturen kontrollieren.
Was machen Rating Agenturen eigentlich? Rating-Agenturen, also "Standard & Poor’s", "Moody’s" und "Fitch Ratings", bewerten so genannte festverzinsliche Wertpapiere und die Herausgeber dieser Wertpapiere. Die Bewertung erfolgt dabei nach einem einzigen Kriterium: Kommt das Geld wieder zurück und werden die Zinsen von den Herausgeber der Wertpapiere bezahlt?
Dabei gibt es natürlich keine Garantie. Die Agenturen schauen vielmehr in ihre Kristallkugeln und wollen die Zukunft vorhersagen. Können die Unternehmen oder Staaten in der Zukunft ihre Schulden und die Zinsen bezahlen? Dabei untersuchen sie diverse Unterlagen der Firmen und Staaten und geben dann eine Vermutung ab. Diese Vermutung über die zukünftige Entwicklung von Staaten und Unternehmen werden in Noten kommuniziert, so dass auch noch der letzte Dummie an diesen Zensuren ablesen kann, wie es denn um die Zukunft bestellt ist. Zwischen D- für Zahlungsunfähig bis AAA+ für „absolut sicher, da kann gar nichts schief gehen“, ist alles dabei. Wenn man uns also oft genug sagt, dass europäische Länder abgewertet werden, glauben wir das irgendwann einmal und dieses "Wissen" schränkt dann unser Kaufverhalten oder das Vertrauen in die Wirtschaft ein. Es wird weniger Geld umgesetzt, die Wirtschaft krankt und siehe da - die Rating-Agenturen hatten recht. Ihr versteht was ich meine? Wenn man die Krise lange genug herbeiredet, dann kommt sie auch.
Klar, jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äussern. Die Ratingagenturen machen davon reichlich Gebrauch. Sie sagen, was sie von Wertpapieren halten und wie sie die Bonität eines Staates einschätzen. Sie können damit Milliarden generieren - oder eben den Ruin beschleunigen. Alles ohne Risiko, denn haften müssen sie für ihre Empfehlungen bisher nicht. Nicht zu vergessen, Rating-Agenturen sind selbst gewinnorientierte Unternehmen. Mit den Ratings werden Wertpapiere bewertet, die die Investmentbanken anbieten. Und je mehr AAA-Ratings die Ratingagenturen den Wertpapieren geben, desto mehr verdienen sie. Nach der Pleite Investmentbank Lehman Brothers mussten sich die drei grossen Rating Agenturen einem Untersuchungsausschuss im US-Kongress stellen. Sie beharrten dort darauf, ihre Meinung abzugeben. Kreditratings seien keine Empfehlung für eine Investition, sagte Moody's-Chef Raymond McDaniel damals. Die Bewertungen seien nur Hilfsmittel. Trotzdem werde ich den Eindruck nicht los, dass sich die Agenturen der Macht ihrer Aussagen gar nicht bewusst sind. Oder die Folgen schlicht in Kauf nehmen. Kein Wunder sorgt das Thema auch bei Verschwörungstheoretikern immer wieder für Gesprächsstoff. A propos: Zahlreiche Mitarbeiter sollen ihre Agentur-Chefs in den letzten Jahren übrigens vor möglichen Risiken gewarnt haben - sie alle wurden suspendiert.
Nun stehen also die Staatsanleihen der Euroländer unter Beschuss. Griechenland, Italien, Portugal oder Ungarn fallen und fallen von einst geachteten Anlageländern auf Ramschniveau. Merkel, Sarkozy und ihre Kollegen in der Europäischen Union reagieren hastig, da wird ein Schuldenschirm nach dem anderen gespannt, ein (scheinbar ebenfalls nutzloser) Euro-Rettungsfonds gehebelt und um Euro-Bonds gestritten. Denn wenn die Bewertung sinkt, haben die Länder grössere Probleme an Kredite zu kommen und müssen mehr Zinsen zahlen - es ist eine Spirale.
Da die Agenturen aber nicht nur in Europa wildern, wollen inzwischen auch die USA "Standard & Poor's" an die Gurgel, nachdem diese ihnen die Bestnote AAA+ entzogen haben. Warum etwa hat Trinidad und Tobago das gleiche Ranking wie Italien, ein A? Warum ist Portugal gleichauf mit Kolumbien? Fragen über Fragen, die uns wohl nie jemand beantworten wird. Denn Transparenz ist für Rating-Agenturen ein Fremdwort. Umso bedenklicher also, dass dem Urteil der Ratingagenturen in der öffentlichen Regulierung eine so grosse Rolle zugewiesen wird... Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.