Die Tage werden so langsam wieder länger, der Sommer naht mit grossen Schritten und mit ihm auch der schönste Tag im Aarauer Kalender: der Maienzug! Zum ersten Mal seit Jahren wohn ich nicht mehr direkt in Aarau, aber okay, dafür liegt das Chrutwäje Open Air in diesem Sommer quasi direkt vor der Haustüre. Bei allzu grosser Müdigkeit könnte ich es also auch vom hauseigenen Garten (sogar ohne die Live Übertragung von Kanal K) her geniessen, aber eben - wer will das schon. Hingehen und mitfeiern ist auch in diesem Jahr das Motto - kein Wunder bei dem Programm, welches die Macher wieder auf die Beine gestellt haben. Und hey, man bedenke dass der Event auch 2011 wieder gratis ist - ganz im Gegensatz allen anderen Open Airs im Lande!
Was gibt es 2011 zu sehen und zu hören? Los geht es um 19 Uhr mit "Bambi Beast". Eine Band die man sonst vielleicht eher als Abräumer zu später Stunde erwarten würde, aber das ist eben Aarau. Wir sind ein bisschen anders hier und lassen gleich zu Beginn die Fetzen fliegen. Die Aarauer Indie Band spielt Noiserock vom Feinsten und überzeugt durch eine starke Bühnenpräsenz. Es ist kein Zufall, dass die Jungs schon in Clubs im ganzen Land (Schüür, Fri-Son oder Merkker) gespielt haben. Wers also gerne hart hat, der sollte schon in den frühen Abendstunden im Reitstadion Schachen sein. Erst recht, weil es ja auch immer leckere Sachen zum Znacht gibt und vereinzelte Sitzplätze in der Abendsonne sind um diese Zeit auch noch verfügbar.
Weiter geht es um viertel nach 8 mit den Lokalmatadoren von "Lockstoff". Viele Worte braucht man um die Combo um die Garcia-Brothers nicht mehr zu verlieren. Sie gehören inzwischen zum Aarauer Kulturgut wie die MAG und die Kettenbrücke. Ausserhalb der Stadt sind sie durch gute Airplay-Zahlen auf DRS 3 und starke Auftritte an zahlreichen Festivals zur nationalen Grösse aufgestiegen. Während beim ersten Act die Headbanger auf ihre Kosten kommen werden, darf bei Lockstoff ruhig getanzt werden - immerhin hört die erfolgreiche Singleauskopplung auf den Namen "Zrugg i Disco" und erinnert an geile Partyzeiten aus den 80er Jahren!
Gegen 22 Uhr dann - in meinen Augen - das Highlight des Chrutwäje 2011-Abends. Meine Facebook-Freundin Stefanie Peter! Hä? Nie gehört? Besser bekannt unter ihrem Künstlernamen "Steff La Cheffe" tourt sie fleissig durchs Land und überzeugt ihre Kritiker, die immer noch meinen Rap sei nichts für Frauen. Oh doch, Steff La Cheffe beweist, dass es gut kommt, wenn Frauen zu guter Musik mit Wörtern jonglieren. Darum jetzt die offizielle Lobeshymne auf Frau Peter: Noch keine 25 und bereits mehr als fett abgeräumt: 2009 holte sich Steff La Cheffe den M4Music "Newcomer of the Year"-Award sowie den ersten Rang in der Kategorie "Urban". In Berlin machte sie sich im selben Jahr einen Namen mit dem Titel als Vizeweltmeisterin im Beatboxing. 2011 gewinnt sie bei den Swiss Music Awards in der Kategorie "Best Talent", wird am Prix Walo als "Newcomerin" gefeiert und staubt den Berner Kommunikationspreis ab und am Freitag, 1. Juli tritt sie im Reitstadion Schachen auf! Wer diesen Act verpasst, ist selber schuld.
Weiter geht es dann mit "Aloan", das ist Trip Hop aus Genf. Viele elektronische Samples, ein bisschen Rock'n'Roll, zwei Musiker und eine zauberhafte Sängerin mit viel welschem Charme. Bei uns ist das Trio noch nicht wirklich bekannt, wer allerdings hier und da mal in der Romandie unterwegs ist und Couleur 3 hört, dem dürfte der eine oder andere Song durchaus bekannt vorkommen. Mehr als ein Geheimtipp, wenn schon bereits schön dunkel ist im Aarauer Schachen! Um 1 Uhr 10 gehts dann gleich "welsche" weiter: das Elektro-Pogo-Duo "Chic And The Tramp" aus Neuchâtel dreht noch einmal so richtig auf und stampft mit fetten Beats bis tief in die Nacht hinein. Damit folgt das Chrutwäje Open Air der Tradition, tanzbare Elektronik gabs schon in den vergangenen Jahren zum Abschluss - in meiner bester Erinnerung "Fiji"!
Fazit: das Programm 2011 überzeugt total. Mit Ausnahme der ersten beiden Acts wagt man sich dieses Mal über die Kantonsgrenzen hinaus und zieht von Bern her westwärts in Richtung Romandie. Was mir persönlich natürlich besonders sympa ist. Aber seien wir ehrlich, rein geschichtlich gesehen sind wir Aarauer der Romands (oder gar Franzosen) sowieso näher als den St. Gallern oder den Luganesi. Aber Schluss mit Regionalpolitik, der Maienzug ist ein Fest über alle Parteigrenzen hinaus und so kommt es auch am Chrutwäje Open Air traditionell immer wieder zu guten, friedlichen Gesprächen über Gott und die Welt. Wobei Moment, in diesem Jahr könnten diese Talks eventuell wegfallen, schliesslich gibts auch während den Umbaupausen der Bühne noch Live Musik: Traktorkestar spielen drei Mal auf. Balkan-Brass ist nicht nur in Aarau gross in Mode, entsprechend darf man auf die Auftritte der Abgänger der Berner Swiss Jazz School gespannt sein!
So, das wars dann auch schon wieder mit der Programmvorschau fürs 2011. Ich kann jedem einen Besuch nur ans Herz legen. DAS ist nämlich ein traditioneller Teil des Maienzugs, ideal zu Fuss erreichbar vom Maienzugplatz oder der Schanz her. Der Eintritt ist frei, es gibts leckeres Essen und eine Bar mit erfrischenden Getränken. In diesem Sinne: See you there!