Nordafrika brennt. BBC-Blogger Matt Frei spekuliert gar, 2011 könne "das 1989 des Nahen Ostens" werden. Aktuell finden die Proteste im Ferienland Ägypten gegen Präsident Hosni Mubarak kein Ende. Inspiriert durch die Vorgänge in Tunesien widersetzten sich zahlreiche Menschen auch gestern in Kairo und Suez dem Demonstrationsverbot.
Ähnlich wie zuvor in Tunesien organisieren auch in Ägypten die meist jungen Demonstranten ihre Proteste über soziale Onlinenetzwerke wie Facebook und Twitter. "Geht nicht zur Arbeit, geht nicht in die Schule. Lasst uns alle Hand in Hand für unser Ägypten auf die Straße gehen. Wir werden Millionen sein.", ist zum Beispiel auf Facebook zu lesen. Nahost-Experten erwähnen in zahlreichen Interviews, dass die Bewegung vorallem von Jugendlichen vorangetrieben wird. Selbst praktische Tipps, wie man sich etwa am besten gegen gepanzerte Wasserwerfer wehrt, kursieren in Internetforen, bei Facebook, Twitter oder in Blogs. Ein bekannter ägyptischer Blogger rief zum Beispiel die Demonstranten dazu auf, Farbbeutel mit schwarzer Farbe mitzubringen, die sie auf die Scheiben der Wasserwerfer werfen sollten, damit die Fahrer nichts mehr sehen könnten. Anschliessend sollten dann die Reifen der Fahrzeuge aufgeschlitzt werden. Kurz, Einsatztaktik 2.0 im Jahre 2011.
Wie gross die Bedeutung der sozialen Medien in diesem Protest ist, zeigt das Bemühen der Regierung, diese Kommunikationstools auszuschalten: Nach dem Kurznachrichtendienst Twitter wurde gestern Abend laut der Harvard Uni offenbar auch Facebook für mehrere Stunden gesperrt. Zuvor hatte Twitter am späten Dienstagabend bestätigt, dass seine Website in Ägypten von der Regierung blockiert worden sei. In der Innenstadt Kairos funktionierten zudem zeitweise die Mobiltelefone nicht, um den SMS-Verkehr zu unterbinden.
Der (schlechte) Witz an der Geschichte: Gleichzeitig stellte der ägyptische Ministerpräsident Ahmed Nasif dem Land in einer Rede Meinungsfreiheit in Aussicht. Zitat, „die Regierung hat die Absicht, die Freiheit der Meinungsäusserung mit legitimen Mitteln zu garantieren“. Ja ne, is klar. Ebenso erwähnte er, dass die Polizei zur Zurückhaltung gemahnt worden sei, komisch nur, dass trotz dieser Zurückhaltung seit Anfang Woche mindestens 6 Demonstranten ums Leben gekommen sind.
Fakt ist, die politischen Partien laufen der Entwicklung im WWW nur noch hinter her, die Regierungen sind überrumpelt. Selbst die stärkste Oppositionskraft in Ägypten, die sogenannte Muslimbrüderschaft, hat sich bisher nicht offiziell an den Protesten beteiligt. Viele der jungen Muslimbrüder gehen aber dennoch auf die Strasse. Nicht als Muslimbrüder, sondern als junge, stolze Ägypter. Von aussen scheint es, als seien die Jugendlichen so schnell nicht bereit aufzugeben. Laut dem französischen Fernsehen wollen sie sich in ihrem Kampf gegen Mubaraks Regime offenbar auch von den traditionellen Oppositionskräften abgrenzen. Bei Kundgebungen in Kairo versuchten Oppositionspolitiker das Wort zu ergreifen, Jugendliche hätten diese jedoch einfach niedergeschrien: "Nein, das hier ist unser Aufstand, das ist unsere Rebellion, die wollen wir uns nicht von euch wegnehmen lassen. Ihr, die ihr die ganzen Jahrzehnte nichts gegen das Regime gemacht habt. Jetzt sind wir dran."
Die weitere Entwicklung in Ägypten ist schwer vorherzusehen. Klar dürfte jedoch sein, fällt die Regierung Mubarak dürften auch Proteste in Algerien, Syrien, Jordanien, Marokko, Sudan oder Libyen auffachen. Und während nach Tunesien jetzt in Ägypten das Volk auf die Strasse geht, macht sich Israel - schon mal rein präventiv - in die Hosen und befürchtet, dass die Revolutionen die arabische Welt erstarken könnten. Nach israelischer Sicht könnten nach den Unruhen durchaus auch Islamisten an die Macht geraten, was durchaus eine Bedrohung darstellen könnte. Entsprechend wird auch spekuliert, ob und inwiefern sich der Verbündete USA in die Unruhen in Nordafrika einmischen könnte...