Die Geschichte um Nadja Benaissa geht mir irgendwie nicht aus dem Kopf. Es ist ein paar Jahre her seit ich sie mit ihren Angels in Zürich zu einem Interview getroffen habe. Sie ist mir als "die Ruhige" in Erinnerung geblieben, ganz im Gegensatz zu Lucy oder Sandy. Musikalisch wurde es ja dann schnell einmal ruhig um Nadja. Ein paar Mal gab es in den vergangenen Jahren Schlagzeilen in der Bildzeitung, einmal ging es um Drogen. Und so wie ich mich erinnere war Nadja laut Bild auch mal pleite. Aber sonst, Funkstille. Kein Wunder also dass sie - trotz No Angels Reunion - durch kleine Clubs tingelte und mit dem Label "No Angels" noch etwas Kohle machte. Sofern dies nach dem Grand-Prix-Eurovision-Flop überhaupt noch möglich war. Aber eben, das alles ist jetzt in den Hintergrund gerückt. HIV-Schlagzeilen beherrschen die Medien, die Vorwürfe sind heftig. Aber trotzdem bin ich der Meinung, dass es den Medien nicht zusteht einen Menschen so zu verurteilen und vorallem zu outen!
Lange hab ich mir meine Meinung zu diesem Thema überlegt und bin dann per Zufall über einen Leitartikel in der Frankfurter Rundschau gestossen, der sich mit meine Meinung deckt:
Eine junge Frau wird in aller Öffentlichkeit von der Polizei verhaftet, weil sie angeblich Sexualpartner mit dem HI-Virus infiziert haben soll. Sie kommt in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Verdacht der gefährlichen Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft nennt in einer Presseerklärung Details - es geht um drei Sexualpartner. Begründet wird die Verhaftung der Frau mit "Wiederholungsgefahr".
Die Öffentlichkeit - das klingt durch - soll vor einer jungen Frau geschützt werden, deren Promiskuität ein Risiko darstellt. Man muss nicht gleich von einer "modernen Form der Hexenjagd" sprechen, wie das die Deutsche Aids-Hilfe getan hat. Doch fragwürdig ist dieses Vorgehen allemal. Verstanden sich die Ordnungshüter hier als eine Art Seuchen-Polizei, die quasi gefährliche Körper aus dem Verkehr ziehen muss? Das erinnert fatal an die Zeiten der Aids-Hysterie in den 1980er Jahren. Es war deutlich übertrieben, das Verhalten der hessischen Polizei und der Darmstädter Staatsanwaltschaft. Und das wäre auch so, wenn es nicht um die Popsängerin Nadja Benaissa von der Girlgroup "No Angels" ginge.
Die Behörden lieferten mit der spektakulären Verhaftung und ihren verqueren Stellungnahmen eine Steilvorlage für die Boulevardpresse. "U-Haft, um Männer vor Ansteckung zu schützen", schrieb die Bild-Zeitung auf Seite 1 und horchte gleich mal bei einem angeblichen früheren Sexualpartner der Popsängerin nach. Was Nadja Benaissa und ihre Sexualpartner getan haben, ist bisher nicht öffentlich bekannt. Die Details können nur die Beteiligten kennen. Es gibt einen Verdacht, eine Anzeige liegt vor. Deshalb muss man betonen, dass für Nadja Benaissa die Unschuldsvermutung gilt - und damit macht man die Sängerin keineswegs zu einem Unschuldsengel. Außerdem gehören zum Sex immer mindestens zwei und folglich ist auch nach der (Mit-)Verantwortung der Sexualpartner zu fragen. Experten weisen darauf hin, dass in den Strafverfahren um HIV-Infektionen oftmals Beziehungsstreitigkeiten eine Rolle spielen.
Die Justiz dürfe keine Akteurin der HIV-Prävention in Deutschland sein, betont die Deutsche Aids-Hilfe. Mit dieser Forderung verweist sie auch auf die Grenzen des Strafrechts. Das muss zweifellos dann angewendet werden, wenn es um Fälle der absichtlichen oder böswilligen Infektion eines Sexualpartners geht. Doch diese Fälle sind äußerst selten. Die hessischen Beamten, die Nadja Benaissa verhaften ließen, griffen zu ihrer ganz eigenen Art des letzten Mittels. Und sie nehmen dabei eine beispiellose Vorverurteilung der Sängerin in Kauf.
Den kompletten Text von Hans-Hermann Kotte gibt es hier. Inzwischen konte Nadja Banaissas Anwalt scheinbar eine einstweilige Verfügung erwirken, die es der Bild Zeitung verbietet weiterhin in solch menchenverachtender Form zu berichten. Das Boulevardblatt kümmert sich aber scheinbar einen Deut darum. Denn seien wir ehrlich, für eine HIV-Übertragung braucht es immer zwei Menschen und auch den drei Männern war es freigestellt beim Sex mit der promintenten Bettgespielin ein Kondom zu benutzen oder eben nicht. Mitleid müssen diese Herren in meinen Augen darum keines erwarten.