11. Februar 2011

‏السلام عليكم‎

Es hätte Geschichte geschrieben werden können gestern Abend. Hätte, können... Wurde aber nicht. Die Welt schaute nach 21 Uhr gebannt nach Kairo und wartete auf die Ansprache von Präsident Mubarak. Er liess er sein Volk und die restliche Welt warten und dann zeigte er allen die lange Nase. Auch die Menschen auf dem Tahrir-Platz starrten still und leise auf die TV-Bildschirme. Dann schrien sie entsetzt auf. Denn der erwartete, sofortige Rücktritt von Hosni Mubarak fand nicht statt. Er wolle die Verantwortung für das Land bis im September weiterhin ausüben, erklärte der Präsident in der Fernsehansprache.

Kurz darauf trat sein Vize Omar Suleiman (auch bekannt als "der Folterknecht") vor die Kameras. Er wiederholte den Inhalt seines Chefs, veränderte lediglich die Worte. Fügte noch Bemerkungen hinzu wie, dass die Jugend sich nicht von ausländischen TV-Stationen beeinflussen lassen und lieber wieder zur Arbeit gehen solle als weiter zu demonstrieren. Kurz, es scheint als hätten die beiden alten Herren einfach nicht kapiert, was der Wille des Volkes ist. Da nützen auch keine Verfassungsänderungen mehr etwas, es ist einfach an der Zeit zu verschwinden! 

Nun gut, der Mubarak klammert sich - wie es zahlreiche Despoten vor ihm schon getan haben - an die Macht. Meine Vermutung darum, mit seiner Rede wollte er die Demonstranten lediglich provozieren. Sie aus der Reserve locken um dann einen Grund zu haben, sie blutig in die Schranken zu weisen. Welche Rolle die Armee nämlich genau spielt, das weiss niemand so genau. Und wie schon im Fall Saddam Hussein verfügt Mubarak eine ihm treue Präsidentengarde, welche ihn bis zum Schluss verteidigen wird. Bis heute gab es bereits mehrere hundert Tote im Umfeld der Demonstrationen, würde nun die Armee/Präsidentengarde ins Geschehen eingreifen - die Folgen wären wohl verheerend.

Aber was schreib ich hier eigentlich...? Wir sitzen in unserem anständigen, sicheren Land und beobachten die ganze Geschichte wie einen gut inszenierten Hollywood-Film. Nie in Gefahr, stets in der Nähe vom Kühlschrank. Wir wissen gar nicht, wie sich das ägyptische Volk derzeit gerade fühlt. Nein, es soll ja sogar immer noch europäische Touristen geben, welche in den Badeorten All-inclusive-Ferien geniessen. Geschmacklos hoch sieben! Überhaupt sieht der Westen in der ganzen Sache ziemlich schlecht aus. Die USA machen einen auf Windfahne, die EU will sich ebenfalls nicht die Finger verbrennen und aus der Schweiz kommen ebenso kleinlaute Töne. Den Vogel schiesst aber mal wieder Israel ab, wo man die Rede Mubaraks positiv bewertet hat...

Darum, heute sind in der arabischen Welt die Freitagsgebete angesagt. Im Anschluss danach wollen sich die Menschen in Kairo, Alexandria und weiteren Städten wieder versammeln und für ihre Freiheit kämpfen. Ich wünsche ihnen dafür viel Kraft, Energie und natürlich Erfolg. Auf dass die Revolution unblutig endet. 

Update 17:15 Uhr: Mission accomplished, Mubarak step down as President of Egypt!


الله أكبر الله أكبر الله أكبر
اللهم احفظ مصر و شعبها‏‎


1 Kommentar:

Adi hat gesagt…

Leider ist das auch wieder ein Beispiel, in dem sich der "Westen" vor Jahren mal eingemischt hat, um die Lage da unten "stabil" halten zu können - und sich immer noch einmischt: Ägypten (bzw. Hosni, Husni..?) erhält Militärgerätschaften von den USA. Der Suez-Kanal war (ist) ja auch wichtig wegen des Öl-Transports.

Da es aber nicht wie andernorts exterm-muslimische Gruppierungen sind, die dieses Öl gefährden könnten, und sich die Proteste mehrheitlich friedlich äussern, musste ja bislang kein US-Präsi einschreiten. Ägypten wird ja geführt durch einen demokratisch gewählten Despoten - demokratisch gewählt durch die USA, die EU und Israel...

Übrigens: das neuste Wort, heute auf 3sat-Texttafel gelesen: Protestende. Wat 'n Quaack.