6. November 2008

Die Aargauer und ihre Rüebli

Gestern war in Aarau mal wieder Rüeblimärt. US-Wahlen sei dank, hatte ich den Tag über frei und konnte somit mal wieder durch diesen schönen, aber doch obskuren Markt spazieren. Obskur? Ja, ich finde schon. Ein ganzer Markt voller Rüebli (Karotten) macht mir schon fast ein bisschen Angst. Rüeblitorte oder Rüeblisuppe kenne ich ja noch. Aber Rüeblischnaps, Rüebliglacé oder Rüeblitee find ich dann schon recht schräg. Ok, ich sage nicht, dass es nicht schmeckt. Vorallem vom Rüeblischnaps war ich äusserst angetan.

Was ich aber echt nicht wusste ist, dass fast die halbe Schweiz wegen diesem Markt Jahr für Jahr nach Aarau pilgert. Ich selber bin eher ein seltener Gast bei diesem Anlass, obwohl es diesen Event schon seit 27 Jahren gibt in der Kantonshauptstadt. Klar, so hie und da mal bin ich auch durch die Stände spaziert, aber so richtig Zeit (und Interesse) wie gestern hatte ich eigentlich eher selten. Nun, ich hab gestaunt. Da standen unzählige Autobusse aus Kantonen wie Waadt, Fribourg, Bern, Graubünden oder Tessin herum. Zwischen den Marktständen waren entsprechend unzählige Sprachen zu hören und Stadthostessen haben Touristen aus Süddeutschland durch die Gassen begleitet. Aarau als Ziel von Touristen? Und ich dachte, wir wären hier einfach für immer und ewig "die Stadt mit den schönen Giebeln". Wobei ich Anfang Jahr auch diesbezüglich belehrt wurde, eine Freundin aus Russland, die bei mir zu Besuch war, zeigte sich tatsächlich hell begeistert von diesen ollen Giebeln. Mir selber fallen diese Dinger inzwischen gar nicht mehr auf.

Warum aber gerade Rüebli? Fakt ist, das Rüebli gehört zum Aargau wie der Merlot zum Tessin, das Racelette zum Wallis oder die Saucisson zum Waadtland. Die vermutlich beliebteste Art Rüebli zu servieren ist zweifellos die allerseits bekannte Rüeblitorte. In den 70er Jahren sammelten verschiedene Aargauer Hauswirtschaftslehrerinnen in der ganzen Schweiz bekannte traditionelle und weniger bekannte Rezepte mit Karotten. Die Höhepunkte dieser kulinarischen Bestandesaufnahme wurden Anfang der 80er Jahre im Kochbuch "Aargauer Rezepte" veröffentlicht. Ein Buch das in der gut sortierten Aargauer Küche irgendwo herumsteht.

Der Aargau gilt zwar als Rüebliland, aber warum er genau zu diesem Namen kam, ist historisch nicht belegt. Vermutlich geht die Bezeichnung auf eine Verwechslung zurück: Der Aargau ist kein eigentlicher "Rüebli-Kanton", hingegen wurde bei uns schon im 18. Jahrhundert der Anbau von Rüben (die vom Räbeliechtli-Umzug) massiv gefördert. Rüben gleich Rüebli? Die sprachliche Verwechslung oder Vermischung der unterschiedlichen Gemüsearten liegt nahe.

Im Internet ist zudem eine Legende von einem Baselbieter Pfarrer zu finden, der in Brugg arbeitete und von daf seiner Familie immer frische Rüebli mitbrachte. Dies würde vielleicht erklären weshalb die Rüeblitorte schon um 1900 in einem Basler und nicht in einem Aargauer Kochbuch zu finden war. Seis drum: Das Rüebli ist als Symbol für den Aargau schon seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt: Es gab nämlich schon damals Postkarten von Dorf- und Städtebildern mit Rüebli-Verzierungen zu kaufen. Und das ist auch gut so, den schliesslich ist das Rüebli unser aller liebstes Gemüse: Jede Schweizerin und jeder Schweizer isst im Jahr fast 9 Kilogramm davon Rüebli gegessen!

So gesehen wohne ich also lieber in einem Rüeblikanton, als zum Beispiel in einem Kanton wo es mehr Kühe als Einwohner gibt wie zum Beispiel... dem Kanton Luzern!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

kühe? dachte eigentlich, wir hätten mehr schweine denn einwohner. :-) so oder so sehen wir uns am samstag, oder?

Brigitte hat gesagt…

Racender Käse in den Walliser Alpen? Cool! Kein Wunder also, schmeckt das Walliser Raclette sooo köstlich!!! ;-)