24. Januar 2011

Roger-Stan: Wem drückst Du die Daumen?

Roger hier. Federer da. Was soll unser Nationalheld den Journalisten noch erzählen? Immer wieder die selben Fragen: Ob er denn das Turnier gewinnen könne, wer seine Konkurrenten wie er mit seiner Leistung zufrieden sei, und so weiter und so fort. Und dennoch ist es in diesem Jahr etwas anders. Und dennoch ist es heuer etwas anders. Immerhin hat der 29-jährige Schweizer seit seinem Triumph in Melbourne vor einem Jahr kein einziges Mal das Endspiel bei einem Major erreicht. Und da musste Federer etwas verändern. Mit dem neuen Coach Paul Annacone, der mit Pete Sampras und Tim Henman andere Offensivspieler betreut hatte, arbeitete der wohl beste Spieler aller Zeiten zusätzlich an seinem Angriffsspiel. "Man muss ständig an sich arbeiten, um Turniere gewinnen zu können. Heute kann jeder jeden schlagen", sagte Federer im Vorfeld der Australian Open. Doch damals wusste er noch nicht, wer sein nächster Gegner sein wird.

Denn, zum ersten Mal an einem Grand-Slam-Turnier stehen sich zwei Schweizer in den Viertelfinals gegenüber. Und der Gegner von King Roger heisst natürlich Stan "The Man" Wawrinka, der den Amerikaner Andy Roddick eiskalt abservierte. "Es ist ein Traum, gegen einen Freund zu spielen", erklärte Federer nach der Partie. Kunststück: In sieben Partien hat der vierfache Weltsportler des Jahres nur einmal gegen seinen Landsmann, mit dem er 2008 in Peking Olympiagold holte, verloren. Bloss, 2011 könnte alles anders sein!

Denn Stanislas Wawrinka hinterliess in der ersten Turnierwoche den etwas stärkeren Eindruck als Federer. Derweil Federer im Achtelfinal gegen Tommy Robredo den dritten Satz abgab, blieb Wawrinka auch gegen Roddick jungfräulich ohne Satzverlust. Stan zeigte gegen Roddick, der ATP Nummer 8, wie zuvor schon gegen Gael Monfils eine berauschende Leistung und dominierte das Spiel in allen Belangen. Der Romand dominierte Roddick sogar beim Aufschlag, der grössten Stärke des Amerikaners.

Mit welchen Hoffnungen steigt Wawrinka ins Duell gegen Federer? An der Medienkonferenz in Melbourne sagte er, "ich fühle mich sicher nicht als Favorit. Die Leute, die behaupten, dass ich im Moment womöglich besser spiele als Federer, die vergessen, dass Federer an Grand-Slam-Turnieren immer präsent ist. Er bestreitet seinen 27. Viertelfinal hintereinander. Und normalerweise spielt er in den letzten Runden an den Majors sein bestes Tennis. Ich mache mir keine Illusionen. Das wird ein äusserst schwieriges Spiel für mich." Er zollt seinem Kumpel also durchaus Respekt, ohne aber zu wissen, dass wenn einer die Schwächen von Roger kennt, er das ist! Und genau das dürfte auch Federer bewusst sein, ausgerechnet sein Landsmann könnte ihm auf dem Weg zum Aussie-Titel im Weg stehen.

Roger Federer freute sich gestern riesig über Stans Effort und meinte im Hinblick au die brisante Partie: "Ich habe seit langem das Gefühl, Stan macht zwei Schritte vorwärts, dann einen zurück und wieder zwei vorwärts und einen zurück. Im Moment gelingt ihm ein nächster Schritt vorwärts. Mittlerweile bekundet er viel weniger Probleme gegen Aussenseiter. Er gewinnt diese Spiele schon fast locker. Und heute weiss er, dass er auch gegen die besten gewinnen kann. Er spielt sich im Moment in jene Liga vor, in der die Leute spielen, die fähig sind, Grand-Slam-Turniere zu gewinnen." Federer ist also gewarnt, gegen Wawrinka, der vor Selbstvertrauen strotzt, darf er sich so dumme Fehler wie in der Schlussphase des zweiten Satzes gegen Robredo nicht leisten.

Speziell ist das Spiel in der Nacht auf morgen Dienstag natürlich auch für alle Schweizer Tennisfans. Wem die Daumen drücken? Auf der einen Seite unser Superstar, auf dem Weg ins Finale gegen Nadal und eventuell auch auf dem Weg zurück zur Nummer 1... Auf der anderen Seite der ruhige Underdog, welcher - trotz privaten Unruhen - derzeit sein bestes Tennis spielt und auch mal gerne ein grosses Turnier gewinnen möchte. Hmmm, ganz ehrlich: zu einem ungeschickteren Zeitpunkt hätte dieses Bruderduell nicht kommen können. Da stehen in Sachen Dramatik sogar die Autoren des RTL-Dschungelcamps hinten an. Darum meine Frage, für wen schlägt in diesem Schweizer Viertelfinale euer Tennisherz: Roger "The King" Federer oder Stan "The Man" Wawrinka? Die entsprechende Umfrage gibts oben rechts im Blog.

23. Januar 2011

Der Song zum Wochenende

Heute von und mit Amanda Palmer zum Thema Haare. Unter den Armen oder bzw. vorallem zwischen den Beinen. Ja, auch darüber kann man ein Lied schreiben: Amanda Palmer & The Young Punx - "Map of Tasmania"!

22. Januar 2011

Dschungelcamp Halbzeit: Froonck ist raus!

Mögen moralisch einwandfreie TV-Konsumenten auch den Zeigefinger heben und die Köpfe schütteln: Aus fachlicher Distanz betrachtet ist das "Dschungelcamp" von Grundy Light Entertainment für Formate dieser Liga erstklassig und mit viel Arbeit produziert. Nimmt man Regie, Kamera, Aufnahmeleitung, Ton hinzu, findet man fachlich Leistungen am oberen Rand des Spektrums. Auf diesem Niveau – täglich – zu produzieren, ist geballte und hochprofessionelle Leistung eines gesamten Teams innerhalb einer 16-tägigen Hochdruck-Situation. Völlig unabhängig von einer Diskussion etwaiger, moralischer Aspekte muss man das nach der ersten Woche neidlos anerkennen. Die eigentlichen Stars, Zietlow und Bach, sind in dieser Kombination Benchmark: böse, auf den Punkt, mit hervorragenden Texten, mit ätzendem Sarkasmus, einer Portion Selbstironie und sichtbarem Comedy-Potential.

Die Dynamik wird zusätzlich dadurch verschärft, dass Künstler oder Ex-Stars im TV jene Stärken, die sie einmal erfolgreich gemacht haben, nicht zwangsläufig im Bereich sozial-kooperativer Kompetenzen aufweisen. Im gedachten Extremfall also muss eine Ansammlung von sozial armseligen Individualisten ein gewähltes Zusammenleben unter Extrembedingungen bestreiten: in Kontakt zu Leidensgenossen und “Teammitgliedern“, die sich niemand selbst ausgesucht hat. Das ist nicht leicht – trotz Kontakt zum Produktionsteam oder zum anwesenden Psychologen. Und seit gestern Abend kommt noch ein Aspekt dazu, die Kandidaten werden von den Zuschauern abgewählt. Wer bleibt drin? Wer muss raus? Eine korrigierte Prognose, nach einer Woche Bootcamp.

Jay Khan: Zu Beginn auf Sixpack und Körperliches reduziert. In der aktuellen Campertruppe einer der ersten, der Werte von Teamgeist, Verantwortung und Offenheit für sich reklamierte. Khan bietet Potenzial für weitere Aufmerksamkeit: Nicht nur wegen seines Teamgeistes, sondern auch, weil er erotisch von der Sportskameradin Indira umworben wird und Zuschauer mit hoher Wahrscheinlichkeit Interesse an weiterem Informationsgewinn auch zu diesem Thema aufweisen. Wahrscheinlich niemand, der schnell ausscheidet. Vielleicht sogar einer der Favoriten.

Indira Weis: Brust und Bootcamp. Die süsse Sängerin wirkt eher integrativ und ist alleine wegen ihrer begonnenen Avancen Jay Khan gegenüber aktuell keine Kandidatin für frühes Ausscheiden. Der Busen-Bonus hilft bei männlich digitalen Zuschauern. Indira bietet – über Jay hinaus – künftigen Unterhaltungswert auch in möglichen Konflikten mit Sarah Knappik ("Sarah Dingens"). In dieser Frage scheint die letzte Messe noch nicht gelesen. Ein Ausscheiden von Weis wird wahrscheinlich, wenn die Anzahl der Camp-Kumpels abnimmt und ein wenig Langeweile einkehrt. Dann könnte eine – zuschauerseitig aggressive – Trennung des Paares Jay/Indira neues Leben ins Format blasen.

Rainer Langhans: Aufsichtsrat der Truppe. Untouchable. Schrill, mit rosa Slip und Kopfstandbank am Gruppenrand. Langhans hat spürbare Autorität, ohne sie unangenehm zu nutzen. Der Mann mit solidem Anpassungswiderstand und prinzipieller Neigung zum Widerspruch ist ein Fossil. Und ein Glück für die diesjährigen Geschäftsergebnisse von Kopfstandbankproduzenten. Ein früher Rausschmiss scheint unwahrscheinlich. Langhans ist Geheimfavorit: Allein die Vorstellung, in welcher Art ein Langhans nach Ende des Camps auf dem Thron des Dschungelkönigs sitzt, macht Vergnügen. Das trüge Spuren eines Reich-Ranicki in integrierter Form. Außerdem: Irgendwie gönnt man ihm die Kohle der folgenden, bezahlten Auftritte in Talk-Shows als Meilensteine auf dem Weg eines ansatzweise konvertierten Alt-68ers.

Eva Jacob: Die 1943 geborene Eva Jacob wirkt impulsgesteuert und verpeilt. Ein durch die Zuschauer-Votings nahendes Ende ihres Engagements scheint deshalb wahrscheinlich, weil eine weitere Annäherung an Grenzen psychischer Leistungsfähigkeit bei ihr vielleicht die nachhaltigsten Einschnitte hervorriefe. Es wird der Punkt kommen, wo Zuschauer sie durch ihren Anruf vor sich selbst schützen.

Katy "Walter" Karrenbauer: Die Frau mit unscharfem Profil ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Sympathieträger. Zu unpräzise switcht Karrenbauer zwischen dem Rollenprofil der markigen Knast-Else in unglaubwürdig-klebrige, pseudosoziale Unterstützerrollen, um dann wieder hinter dem Rücken anderer abzulästern. Eher eine Kandidatin für schnelles Ausscheiden im ersten Drittel der Selektionsphase.

Mathieu Carrière: Aus Karrenbauer-Gründen kein Favorit. Carrière fehlt es an Prägnanz, Klarheit und Glaubwürdigkeit. So bleibt stets diffus, welcher seiner – partiell markigen – Sprüche inszeniert ist. Das professionell deformierte Heuchel-Wunder mit fragmentiertem Sympathiefaktor hat eher geringe Chancen auf die Zielgerade.

Sarah Knappik (“Sarah Dingens“): Angebliche Vegetarierin - siehe Foto. Keine Narzisstin, sondern eher eine Verwöhnte mit soziopathischen Facetten. Auf Deutsch: Die können irgendwie nicht so richtig mit anderen. Die pussierliche, blonde Zeitbombe mit dem abenteuerlichen Realitätsbezug bindet allerdings jede Menge Zuschauer-Energie. Physikalisch betrachtet, spricht also wenig für einen schnellen Rausschmiss: 80% des Unterhaltungswertes gibt man als Zuschauer durch vorschnelle Sarah-Anrufe schon deshalb nicht auf, weil man sich ungern den Dschungel-Abend selbst zerbröselt. Je nach Entwicklung bleibt Knappik vielleicht lange dabei und gehört – unter bestimmten Voraussetzungen – sogar zum erweiterten Favoritenkreis.

Und dann gibts "die Gruppe der Hutständer": Es ist ein Phänomen, mit wie wenig Einsatz man bei RTL ca. 50.000 Euro verdienen kann. Entsprechend musste gestern Froonck das Quartier verlassen. Farblosigkeit innerhalb eines Unterhaltungsformates ist unverzeihbar. Selbst ein Hydrant an der Strasse hat mehr Ausstrahlung als Peer Kusmagk, Thomas Rupprath und Gitta Saxx.

Und sonst? Die mediale Öffentlichkeit ist zwischen Berichterstattung und Trittbrettfahrerei Teil des Systems. Selbst beim ZDF-Markus Lanz hielt der Dschungel thematisch für zwei Talk-Shows mit Ex-Kandidaten und abenteuerlichen Experten her. Heute wird im Camp die Selektionsphase eröffnet. Der Zuschauer entscheidet. Panem et circenses. Innerhalb der nächsten Tage wird es leerer werden im Camp. Leiser wird es zunächst nicht. Hutständer verursachen keinen Lärm.


Quelle: Christopher Lesko, Meedia

21. Januar 2011

Die 6. Brust OP war für Cora eine zu viel

Neben dem Dschungelcamp kannte die deutsche Bildzeitung in den letzten Tagen nur ein Boulevard-Thema: "Sexy Cora im Koma!" Gestern um 14.30 Uhr starb die junge Frau, die bürgerlich Carolin Wosnitza hiess, in der Hamburger Uni-Klinik. Neun Tage lag die Pornodarstellerin nach einer missglückten Brustvergrösserung im Koma. Ihrer sechsten Vergrösserung, sollte man an dieser Stelle vielleicht noch erwähnen.

Carolin Wosnitza wurde 1987 geboren, wuchs in Berlin-Pankow auf. Drei Jahre lang drehte sie als „Sexy Cora“ harte Pornofilme fürs Internet. Im Januar 2010 wurde sie einem breiteren Publikum bekannt, als sie bei „Big Brother“ einzog. Seitdem war Cora über ihre Webseite als Cam-Girl im Einsatz und bot ihrer Kundschaft gegen Geld private Sexshows. Ebenso konnte man ihr Leben über Twitter verfolgen, da war kurz vor der OP noch von einer Urlaubsreise zu lesen und auch ihren Hund zeigte sie ihren Followern immer wieder gerne. Dazu war sie ein Fan des FC St. Pauli. So gesehen, eigentlich eine ganz normale junge Frau. Wären da nicht die riesigen Brüste gewesen. Immer und immer wieder liess sie nachlegen. Zuletzt hatte Cora geplant, sich ihren Busenumfang von Körbchengrösse F auf G zu erweitern. 


Bloss, so einfach war das scheinbar nicht. Immerhin hatte eine Privatklinik in Polen zuvor Cora abgewiesen, mit dem Hinweis dass der Eingriff zu gefährlich sei für ihren doch zierlichen Körper. Aber wie es so ist, es gibt immer einen der es macht - sofern die Kohle stimmt. Und siehe da, in der Hamburger Alster-Klinik wurde die 23jährige fündig und legte sich unters Messer. Schönheitschirurg Martin K. aber operierte. Mit fatalen Folgen. Kurz nach Einleiten der Narkose blieb ihr Herz stehen. Coras Gehirn blieb minutenlang ohne Sauerstoff. Der Staatsanwalt ermittelt inzwischen gegen Martin K. und seine Anästhesistin wegen Verdacht auf fahrlässigen Tötung und hat eine Obduktion angeordnet.

Im Normalfall reagiert die von Sensationen getriebene Gesellschaft heutzutage mit grosser und flächendeckenden Betroffenheit auf solche Nachrichten. Irgendwie werd ich den Eindruck nicht los, dass das im Fall Cora etwas anders ist. Vielmehr werden Fragen gestellt oder zumindest ich stelle mir Fragen. Der Tod der jungen C-Promifrau wirft ein dunkles Licht auf die TV-Trash-Branche. Wie weit sind Privatfernseh-Bekanntheiten und Protagonisten des Reality-TV bereit zu gehen, um Aufmerksamkeit für sich und ihren Körper zu erlangen? Welche Gefahren nehmen sie dafür auf sich? Inwiefern sind Sendungen wie "Bauer sucht Frau", "DSDS", "Big Brother" und Co. schuld an einem solchen Schicksal, in dem sie ihren Darstellern das Gefühl geben, sie wären prominent und wichtig? Oder wie sonst liesse sich die Aussage von Cora "Mein Körper ist mein Kapital" sonst deuten? Die Frau war Erotikdarstellerin, vor Big Brother kannte sie kaum jemand, im Herbst letzten Jahres wurde sie auf der Sexmesse Venus in Berlin zur besten Amateurdarstellerin gewählt. Danach wurde es ruhig um Cora, irgendwie wundert es mich dann nicht, dass sie mit einer erneuten OP ihrer Karriere noch einmal auf die Sprünge helfen wollte...

Nun ist sie verstorben. Der Fall erinnert mich irgendwie an Lolo Ferrari, auch ihr wurden ihre grossen Brüste zum Verhängnis. Auch damals diskutierte man öffentlich über Sinn und Unsinn von Schönheitsoperationen. Hat sich was geändert? Nö. Zahlreiche Promi-Frauen haben es ja auch getan und die Männer stehen - angeblich - auf grosse Brüste. Und solange Dumpfbacken wie Gina-Lisa Lohfink oder die Katzenberger durch die Boulevard-Magazine der Privatsender geschleppt werden, dürfte sich so manch junges Mädchen denken, dass Erfolg über grosse Hupen führt! Verrückte (kranke?) Welt... Free Rainer! RIP Cora.

20. Januar 2011

Marseille, der geilste Club der Welt

Ja klar, diese Ausssage beruht natürlich auf der Euphorie, dass sich Olympique de Marseille gestern Abend für das Finale des Coupe de la Ligue im Stade de France qualifiziert hat. In Paris übrigens, der meist gehassten Stadt für jeden OM-Fan. Okay, es ist "nur" der Ligacup. Nach der Meisterschaft und dem Coupe de France der drittwichtigste Wettbewerb im französischen Fussball. Aber egal, immerhin ist Marseille Titelverteidiger und das Spiel im grössten Stadion Frankreichs wird am 23. April mit weit über 70'000 Fans ausverkauft sein. Und schliesslich ermöglicht ein Pokalsieg den direkten Einzug in die Euroliga - sofern es mit der Champions League nicht klappen sollte. 


Das tolle an diesem Sieg von gestern Abend ist ja, dass er mal wieder typisch war für OM-Verhältnisse. Noch vor 10 Tagen ist man im französischen Cup gegen Evian ausgeschieden. Ja genau, das Evian das eher für Mineralwasser denn für Fussball bekannt ist. Spott und Häme liessen natürlich nicht lange auf sich warten, der Meister 2010, Ligacup- und Supercupgewinner, CL-Teilnehmer verliert gegen die Amateure vom Genfersee. In Marseille selber gab man erst einmal dem schlechten Platz schuld und danach den Spielern. Allen voran rückten Gignac und Brandao in die Kritik der Fans. Und wer die OM-Fans (und Medien) kennt weiss, da geht man nicht gerade zimperlich um mit den Akteuren. Aber, beide Stürmer haben bis dahin wirklich schlecht ausgesehen, je 1 Tor seit Beginn der Saison. Das ist nicht viel, vorallem wenn man bedenkt mit welchen Vorschusslorbeeren Gignac im Vélodrôme angekommen ist.

Nun gut, eine Woche Schelte vom allerfeinsten und am Sonntag ging es dann weiter in der Liga. Zu Gast war Bordeaux, ein durchaus starker Konkurrent. Und wer schoss die Tore zum Sieg? Genau, Gignac und Brandao. Auf einmal wurden sie von den Fans (und den Medien) wieder geliebt und auf Händen getragen. So sehr, dass sie Trainer Deschamps gestern in die Startelf berufen hat. Das Halbfinale gegen Auxerre (mit dem Schweizer Grichting) ging mit 2 zu 0 Toren zu Gunsten von Marseille aus. Und wer schoss die beiden Tore? Genau, Gignac und Brandao. Die einzigartige OM-Fankultur feiert zwei neue Helden, nachdem Brandao vor der Winterpause noch beinahe nach Elba verbannt worden wäre...

Genau das ist Marseille. Steiler Aufstieg, tiefer Fall. Das zieht sich durch die Clubhistorie seit der Gründung im Jahre 1899. An welcher übrigens ein Schweizer nicht ganz "unschuldig" war, genau wie zu einem späteren Zeitpunkt mit Jean-Pierre Egger oder Robert Louis Dreyfus immer wieder Eidgenossen im OM-Boot sassen. Aber eben, das ewige Auf und Ab charakterisiert den Club aus der Mittelmeer-Metropole. Als ich Mitte der 90er Jahre in MRS gewohnt habe, da wurde man gerade zwangsrelegiert - als Champions League Sieger. Der nationale Meistertitel wurde OM wegen Bestechung aberkannt, den internationalen Titel durfte man behalten. Obwohl sich bis heute hartnäckige Gerüchte halten, die Mannschaft sei gegen Milan gedopt gewesen. Rudi Völler und Tony Cascarino brachten als ehemalige Spieler selber entsprechende Gerüchte in Umlauf. Überhaupt sieht man in Marseille gern die ganz grossen Namen im hellblauweissen Maillot. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte sehr, schön nach Alphabet.

- Klaus Allofs
- Gunnar Andersson
- Fabien Barthez
- Franz Beckenbauer
- Laurent Blanc
- Alan Boksic
- Eric Cantona
- Djibril Cissé
- Marcel Desailly
- Didier Deschamps
- Didier Drogba
- Christophe Dugarry
- Kalle Förster
- Erik Gerets
- Raymond Goethals
- Andy Köpke
- Frank LeBoeuf
- Samir Nasri
- JPP
- Robert Pires
- Fabrizio Ravanelli
- Franck Ribéry
- Jean Tigana
- Rudi Völler
- Chris Waddle
- George Weah

Aus all diesen Spielern liesse sich auch locker eine Jahrhundertelf basteln. Nur, häufig hatten sie während ihrer Marseille-Zeit gerade keine Lust, waren verletzt oder noch vor dem grossen Durchbruch. Entsprechend ging in den 90er Jahren in Sachen Titel so ziemlich gar nichts. Erst 2006 durfte man wieder einen - immerhin - Vizemeister-Titel feiern und konnte sich international zeigen. Ich erinnere mich dabei gerne an die Auftritte in Bern gegen YB. Auch im neuen Jahrhundert gabs Skandälchen, so mussten ein paar Angestellte hinter Gitter, nachdem bekannt wurde, dass Sozialabgaben für Spieler nicht bezahlt wurden. Nun, um es kurz zu machen: erst im letzten Jahr kamen die sichtbaren Erfolge zurück. Gleich 3 Titel konnte man einheimsen und in der Champions League ist Marseille auch immer noch dabei - auch wenn mit Manchester United in der nächsten Runde ein grosser Brocken wartet.  


Leider liegt es für mich nicht wirklich drin, Woche für Woche nach Frankreich zu den Spielen zu fahren. Ein, zwei Partien live pro Jahr müssen da reichen, mit etwas Glück ist es bald wieder soweit!! Aber dank Teleclub/Canal +, kombiniert mit den Social Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook, kommt auch in der eigenen Stube immer mal wieder eine Art Live-Feeling auf. Zudem lassen sich übers WWW Kontakte nach Marseille pflegen, was durchaus nützlich ist, wenn ich mal wieder inmitten des Commando Ultra ein Spiel schauen möchte... Nach Umfragen ist OM in Frankreich - mit grossem Abstand - immer noch der beliebteste Sportclub überhaupt, entsprechend findet man online viele gleichgesinnte Fans, die auch nicht Woche für Woche zu den Glücklichen gehören, die Einlass ins Vélo' gefunden haben. Überhaupt muss man, wenn man gaaaaaaanz ehrlich ist, ja zugeben, dass die OM-Fans entweder alles Masochisten sind oder dann unter manischen Depressionen leiden. Denn anders wäre dieses Wellental der Gefühle gar nicht auszuhalten. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Innerhalb weniger Tage oder gar Stunden ist in der Mittelmeer-Metropole alles möglich. Und weil heute nach der Final-Qualifikation einer der gute Tage ist ein kräftiges:
Allez l'OM, à la vie et à la mort!