Fakt 1, der FC Aarau ist gestern Abend nach fast 30 Jahren in der Nationalliga A abgestiegen. Fakt 2, ich "verdanke" diesem gestrigen Abend einen wohl einzigartigen Platz in der Aargauer Zeitung. Nun, wir wären bei Faktum 3: bis auf die Bildlegende und einen Satz im Text kann ich eigentlich mit diesem unrühmlichen Auftritt in der Zeitung leben, muss ich ja. Hab ihn ja auch selber zu verantworten. Ja, ich war auf dem Platz und ja ich habe Rapisarda angerempelt. Nur, das Foto ist eine Momentaufnahme welche sowohl das was davor und als auch das, was danach passiert ist nicht wiederspiegelt. Die Macht der Bilder, die Macht der Medien halt. Entsprechend werd ich nun wohl für die nächsten Tage in unserem Städtchen der Buhmann sein, Fakt ist aber ebenso, dass ich auch heute Freitagmorgen in den Spiegel schauen kann und weiss, ich habe nichts Unrechtes getan. Auch wenn das die AZ mit ihrem Bericht suggerieren möchte, allen voran Felix Bingesser welcher für Text und Bildlegende verantwortlich ist. Aber hey, ich arbeite lange genug selber in der Branche um zu wissen wie der Karren läuft - nur lieber Felix, man sollte bei der Wahrheit bleiben und keine Geschichten erfinden, nur um damit mehr Zeitungen zu verkaufen!
Was ist passiert, am gestrigen schwarzen Abend im Stadion Brügglifeld? Der FC Aarau hat eine traurige Partie abgeliefert, Bellinzona hat in St. Gallen gewonnen. Entsprechend sass der Frust tief, aber eben der Frust keineswegs die Wut. Nach Abschluss der 90 Minuten habe ich spontan beschlossen mich bei Ivan Benito zu bedanken und zu verabschieden. In meinen Augen der einzige Aarauer auf dem Platz, der diese Bezeichnung auch verdient hat. Gesagt getan, nachdem das Schiedsrichter-Trio den Platz verlassen hatte, bin ich also seelenruhig in Richtung Ivan spaziert. Wir haben ein paar Worte gewechselt, getrauert... als ich aus dem Augenwinkel sah, dass es ein Handgemenge zwischen einem Aarau-Fan und Aarau-Spielern gab. Ich rannte also rüber und fragte einen Spieler was dann denn soll... Als Antwort gabs nen dummen Spruch, als Replik meinerseits einen Rempler. Es kam ein weiterer Spieler dazu, alle beteiligten Alpha-Tierchen wollten kurzerhand ihr Revier markieren und das wars auch schon. Ja genau, das war alles. Nur Sekunden später gab es zwischen allen Beteiligten ein Shakehand, sogar Trainer Ranko und GC-Spieler Cabanas gesellten sich hinzu. Man tauschte sich aus, wie tief der Frust und die Trauer sitzt und Ende.
Dass dann die AZ von unbelehrbaren Chaoten und Angriffen auf die Spieler schreibt ist schlicht eine Lüge. Nicht einmal das Sicherheitspersonal - und es waren beim besten Willen unzählige Uniformierte vor Ort - befand es für nötig einzugreifen. Es gerieten erwachsene Männer aneinander, deren Liebe dem FC Aarau gilt. Nach fast 30 Jahren ist "ihr" FC Aarau gestern Abend abgestiegen und da die AZ auf der Suche nach DEM Bild war und es sonst im Stadion extrem ruhig war, nimmt man halt eine Momentaufnahme. Ohne aber die Beteiligten zu befragen, was denn da in der Situation genau passiert sei. Man stellt jemanden an den Pranger, richtet ihn öffentlich hin und wirft in der eh schon frustrieren Meute zum Frass vor. Dumm nur, Felix Bingesser, dass gestern Abend im Stadion noch knapp 8000 andere Menschen vor Ort waren, welche die Situation ebenfalls beobachtet haben und viele von ihnen bezeugen zB über Facebook dass der eigentliche "Angriff" von den Spielern X und Y ausgegangen sei. Nach dem Spiel kamen dann fast nur Sprüche in Richtung "Wären wir in Bochum oder Berlin gewesen, hätte es eins aufs Maul gegeben" oder "Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, dann hätte ich dem aber die Meinung gegeigt", "Wenigstens hat jemand Courage gezeigt" und so weiter. Bloss, darum ging es ja gar nicht. Respekt stand auch in der bitteren Stunde des Abstiegs in Aarau im Vordergrund und hätte unser guter AZ-Schreiberling nur ein bisschen studiert, dann hätte er das auch selber gemerkt. Denn ohne gegenseitigen Respekt wäre die Situation wohl eskaliert und vielleicht wirklich die Fäuste geflogen...
Aber eben, nach dem Spiel gabs laut der Polizei in der Stadt eine wilde Katz- und Mausjagd, zwischen Zürchern, Polizei und Aarauern. In der Pause der Partie haben GC-Fans im Restaurant Sportplatz eine Scheibe und Gläser demoliert... Solche Typen sollte man vielleicht mal so gross in der Zeitung abbilden, aber eben, das sind die richtigen Gewalttäter, an die getraut man sich dann vermutlich nicht heran. Da schnappt man sich doch lieber den Monsieur Fischer, der nach fast 30 Jahren als anständiger Fan idealerweise eine schöne Szene für die Kamera liefert. Oder wie mir ein FCA-Spieler nach dem Match per SMS geschrieben hat:
"Das isch nur well alli frustriert sind und irgendöpis sueche wo sie
no chöne mitrede und eine wo si chöne druf zeige!! Ich hoff gisch dem ned zu grossi Beachtig!!"
So gesehen, in einer Woche hat man ein nächstes Kalb gefunden welches man dem Metzger zum Schlachten präsentiert: Swisscoy-Soldaten, Burka-Trägerinnen, verschuldete Griechen, Hirschmann und Co. lassen grüssen. Britney Spears muss ihr Höschen ausziehen um es in die Zeitung zu schaffen und dann reichts nicht mal auf die Frontseite. Ich selber weiss, was ich getan und nicht getan habe. Ich kann mir, wie gesagt, auch heute noch im Spiegel in Augen schauen und weiss dabei, dass ich kein Gewalttäter oder Hooligan bin. Und das Wichtigste, nach dem Radschlagen der Pfauen hat man sich die Hände geschüttelt und die Sache gemeinsam als erledigt abgetan. Schade nur, dass die Aargauer Zeitung dieses Foto dann nicht gebracht hat. Weinende, enttäuschte und sich in den Armen liegende Männer sind halt vermutlich einfach schlecht für die Auflage.
"Das Recht am eigenen Bild besagt, dass jeder (nicht prominente) Mensch
grundsätzlich selbst darüber bestimmen darf, ob überhaupt und in welchem
Zusammenhang Bilder von ihm veröffentlicht werden.
Die Abbildung von Personen ist durch das Recht am eigenen Bild über den
Persönlichkeitsschutz geregelt in der Schweizerischen Bundesverfassung,
im Zivilgesetzbuch und in der Datenschutzgesetzgebung. Die Regelungen
besagen, dass eine Person ohne deren hinreichend konkrete Zustimmung
nicht erkennbar dargestellt werden darf. Erscheint die Person als Teil
einer Landschaft, Umgebung oder eines Ereignisses, ist die Abbildung
erlaubt, solange die Person nicht verunglimpft wird."
Aber eigentlich geht es ja um den FC Aarau, der ist gestern Abend in die Challenge League abgestiegen. Und das tut auch heute Freitagmorgen immer noch verdammt weh!
Nachtrag 16 Uhr 30: inzwischen wurde mir bestätigt dass es Videomaterial gibt, welches zeigt dass die Spieler zuerst Handgreiflich wurden, entsprechend konnte ich bei der Aargauer Zeitung eine Stellungnahme abgeben welche morgen erscheint.