Ich hab mal wieder Musik geladen. Bei iTunes, ganz legal. Auf der Einkaufsliste standen dieses Mal Black Tiger mit "Beton Melancholie" und der Baschi mit "Fürs Volk". Beide Herren kommen aus Basel, beide singen bzw. rappen in ihrer Muttersprache, beide gelten in den Medien als Rebellen und trotzdem könnten die beiden Alben und ihre Macher verschiedener nicht sein.
Black Tiger gehört zu Pionieren der Schweizer Rapszene. Anfang der 90er Jahre feierte er zusammen mit P-27 und der Single "Murder By Dialect" einen Hit und verhalf damit dem Mundart-Rap zum Durchbruch. Legendär die Textzeile "Basel dä Räp esch für dech!" Das aktuelle Album mit dem Titel "Beton Melancholie" ist zwar bereits seit letztem Herbst auf dem Markt - im Vergleich zu Baschi - aber nur Insidern ein Begriff. Das muss sich ändern!
Eigentlich schade, dass Urs Baur - wie er bürgerlich heisst - in seiner fast 20jährigen Karriere erst das zweite Album released hat. Der Mann hat was zu sagen, er erzählt das in intelligenten Rap-Songs und unterscheidet sich damit von den unzähligen Posern, Pseudogangstern und Rap-Clowns der restlichen Schweizer Hip-Hop-Szene. Die Platte lebt von zahlreichen französischen Einflüssen und erinnert machmal an MC Solaar, Sinik oder IAM. Insgesamt wird auf 6 Sprachen gerappt, zahlreiche Gäste kommen dabei zum Zug.
Es gibt viele Moll-Töne, dabei geht es oft um Streit, seelische Verletzungen, Gewalt, Integration, Drogen, Tod und Selbstmord. All diese Themen werden von Black Tiger - Psychologiestudent und Afroschweizer - aber nicht verherrlicht, im Gegenteil. Er versucht der Jugend in ihrer Sprache zu erklären, dass es nichts bringt sich Woche für Woche voll laufen zu lassen und dann aus Langeweile ne Schlägerei zu provozieren:
" Es wird disst und ghasst und us Hass gets Gwalt und es chonnt mer fascht eso vor, als obs euch fascht e bezz gfallt. Dissen esch Mode wie ne verschisseni Droge, s isch Methode so macht me hütte Karriere."
Der Mann wovon er erzählt und darum wirkt er auf mich authentisch. Kein Wunder ist er doch selber seit einigen Jahren immer mal wieder im Auftrag von Integrations- und Jugendprojekten unterwegs. Eine Erfahrung die sich auf diesem Album auszahlt. "Falschi Kollege", "Verletzte Stolz" oder "R.I.P." sprechen eine deutliche Sprache. Fazit: Ein Must für jede gut sortierte CD-Sammlung - sofern man Baseldytsch und Mundart Rap mit sozialkritischem Inhalt mag.
Und num zum Baschi. Vor wenigen Wochen war ehemalige Musicstar-Kandidat mit Jahrgang 1986 im Schweizer Fernsehen in einer Doku-Soap mit dem Titel "Baschi National" zu sehen. Anschliessend kam sein Album "Fürs Volk" auf den Markt, seit Sonntag ist es auf Platz 1 der Schweizer Charts. Die Gemeinsamkeit zum Black Tiger-Album liegt im Dialekt und je einem Song über den Tod eines Familiemitglieds. Wobei es da beiden gelingt Gänsehaut zu erzeugen.
Das Album von Katy-Freund Baschi geht irgendwie in Richtung Robbie Williams, einmal gibts sogar das "Feel"-Klavier. Viele eingängige Melodien, Refrains zum Mitsingen, Streichereinsätze und akkustische Gitarren. Da gibt es nichts zu meckern, solide produziert vom ehemaligen Subzonic-Mann Roman Camenzind. Mir persönlich fehlt es etwas an den Überraschungseffekten. Die CD "Fürs Volk" kann man locker durchhören, bei den zwei Singles hab ich auch gleich laut mitgejohlt. Und Titel wie "Heimat", "Wieder Träume" oder "Wiit wäg" können mich absolut überzeugen. Aber eben, die Frage bleibt: wie nachhaltig sind diese Songs? Wenn der Baschi von Schwänzen, vom Bumsen und Vögeln, Huren, Wichsen oder vom Tripper singt dann ist das zwar durchaus mal was anderes, nach mehrmaligem Hinhören ist der Effekt aber weg.
Aber vielleicht sollte man dieses Album auch einfach nur geniessen, mit nem lockeren Pfiff auf den Lippen. Und im Hinblick auf die kommenden Sommertage liefert Baschi so gesehen den passenden Soundtrack. Auf dem Fahrrad der Aare entlang oder mit nem Bierchen an einer lockeren Grillparty, da kommt diese CD genau richtig. Und überhaupt, man sollte Baschi, den jungen Rebellen und Black Tiger, den gestandenen Rapper auch gar nicht vergleichen. Sich einfach daran ermuntern, dass für einmal der mit Jahrgang 72 rappt und der mit 86 rockt... verkehrte, aber herrliche Musikwelt!