"Tim und Struppi"..., dieses Duo hat wohl so manchen von uns durch die Jugend begleitet. So auch mich. Der eifrige Journalist und sein putziger Hund haben natürlich auch meine Sympathien, seit Jahren. Im Original heissen die beiden übrigens "Tintin & Milou" und sind natürlich in französischer Sprache nicht weniger spannend zu Lesen. Die Geschichten rund um Tim und seine Freunde glänzen durch einen besonders sauberen Zeichenstil, der als "Ligne Clair" (klare Linie) bekannt wurde.
Tim's Erfinder, der Belgier Georges Remi (sein Künstlername "Hergé" kommt übrigens von seinen umgekehrten Initiaten R.G.), könnte heute Dienstag seinen 100sten Geburtstag feiern. Leider ist der gute Mann im Jahre 1983 im Alter von 75 Jahren an Leukämie verstorben. Hergé verfügte in seinem Testament, dass niemand nach ihm Tim und Struppi weiterführen dürfe. So wurde auch sein unvollendetes Abenteuer "Tim und die Alphakunst" nur als eine Serie von Skizzen und Notizen veröffentlicht. Der letzte komplette Band war "Tim und der Haifischsee", welcher später auch verfilmt wurde.
Die ersten Abenteuer erlebten Tim, Struppi, Schulze und Schultze, Professor Bienlein und Kapitän Haddock bereits Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Noch in schwarzweiss ging der rasende Reporter "Im Lande der Sowjets" auf Spurensuche. Später folgten 23 weitere, komplette Comic-Bände, welche Tim unter anderem nach Australien, Afrika, in die USA oder auf den Mond führten.
Nicht immer waren die Tim und Struppi Geschichten unbestritten. Da wäre zum Beispiel "Tim im Kongo". Ein Band der vor gut 70 Jahren erschienen ist, ein einer Zeit also, in der bereits deutliche nationalsozialistische Ansätze zu bemerken waren. So muss man als Leser durchaus mal gewisse Abstriche machen, was die "political correctness" angeht. In der heutigen Zeit würde man ein Werk mit gleichem Inhalt als chauvinistisch und rassistisch bezeichnen. Kurz zusammengefasst: Tim, der weiße Alleskönner und Übermensch beehrt die rückständigen Neger mit seinem Besuch. Er leistet dabei eine Art Entwicklungshilfe und erschießt aus aus welchen Gründen auch immer afrikanische Wildtiere. Die Afrikaner werden äusserst stereotyp schwarz und mit dicken Lippen dargestellt.
Trotzdem, "Tim im Kongo" ist ein Kultbuch. Es lebt von der Zeit, als Belgien noch stolz war auf seine zahlreichen Kolonien und es wiederspiegelt zweifellos den Zeitgeist dieser Jahre. Bis heute wird Hergé entsprechend auch immer wieder beschuldigt, während dem Krieg mit den Nazis kollaboriert zu haben. Diesen Vorwurf muss er sich vorallem gefallen lassen, weil er während der Kriegsjahre seine Geschichten bei der Nazi-nahen Zeitung "Le Soir" veröffentlicht hatte. Allerdings finden sich in den Geschichten aus dieser Zeit - meiner Meinung nach - keine politischen Statements, welche die Nazis zur Propaganda hätten nützen können.
Den Belgiern ist das egal. Für sie sind Tintin und Milou und mit ihnen ihr Schöpfer Hergé (Foto rechts) eigentliche Nationalhelden. Ich selber war vor einigen Jahren in Brüssel und habe da natürlich Tintin-Museen und einen Tintin-Park besucht. Dem Charme des rasenden Reporters und seines Foxterriers kann man sich in der belgischen Hauptstadt unmöglich entziehen. Besucher begegnen Hergé heute in Brüssel immer wieder, vor 3 Jahren widmete die Stadt ihrem großen Comic-Künstler ein neues Projekt: Auf zahlreichen Häuserwänden wurden bekannte Comic-Szenen überdimensional groß aufgemalt. Wer in der belgischen Hauptstadt als Tourist unterwegs ist, trifft also immer mal wieder auf Tim und Struppi.
Die Abenteuer des ruhelosen kleinen Tim wurden bis zum heutigen Tag in über 60 Sprachen übersetzt und rund 200 Millionen Mal verkauft. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, will Regisseur Steven Spielberg demnächst die ersten drei Comic-Folgen auf die Leinwand bringen. Die Rechte dafür hatte er sich noch zu Lebzeiten von Hergé gesichert. Aber nicht nur Spielberg ist ein bekennender Tintin-Fan, auch Andy Warhol hat dazu gezählt und ebenso der Dalai Lama, der Hergé für den Band "Tim im Tibet" persönlich geehrt hatte.
In den fünfziger Jahren hätte es übrigens beinahe mal gar keine Tim und Struppi Comics mehr gegeben. Hergé litt in dieser Zeit an schweren Depressionen und sein Therapeut riet ihm, mit dem Zeichnen aufzuhören. Er hörte nicht auf seinen Arzt, verliess seine Frau und stürzte sich in die Arbeit. Später einmal verriet er in einem Interview, dass ihm der Band "Tim im Tibet", welcher in dieser Zeit hergestellt wurde, mehr geholfen hätte, als jede Therapiestunde bei irgendwelchen Ärzten.