Laut einer Umfrage der Schweizer Zeitung "Sonntagsblick" wollen zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer in Zukunft kein Sturmgewehr mehr zu Hause. Die Befragten sind der Meinung, dass die Armee ihren Leistungsauftrag auch erfüllen könne, wenn die Waffen im Zeughaus gelagert werden. Als grösste Sorge im Zusammenhang mit den Sturmgewehren gaben - nicht zuletzt - die befragten Frauen an, dass mit der sicheren Verwahrung der Waffen Familiendramen verhindert werden könnten.
Die Schweizer und ihre Waffen. Gegen 420'000 Sturmgewehre und Pistolen der Schweizer Armee werden zur Zeit von Soldaten und Schützen zu Hause aufbewahrt. Das ist vollkommen legal und grundsätzlich gesehen auch ungefährlich. Aber natürlich sind nicht nur Armee- sondern auch noch andere Waffen im Umlauf. Nach letzten Schätzungen kursieren diesbezüglich Zahlen zwischen 1,2 und 3 Millionen Stück. Und meiner Meinung nach, fängt da das Übel an.
In der Schweiz kommt man - ausser offiziell beim Militär - ziemlich einfach an eine Waffe. Sofern der Leumund stimmt und auch sonst keine besonderen Verhaltensstörungen vorliegen, ist es nicht allzu kompliziert, an einen Waffenbesitzschein zu kommen. Noch einfacher ist der Bezug von Munition und Zubehör. Da reicht meist eine Unterschrift und das wars dann. Und für alle die, welche ihre Waffe nicht offiziell beziehen möchten, gibt es Zeitschriften oder Internetseiten, auf denen Waffen illegal den Besitzer wechseln. Immer öfter kommt es darum vor, dass man von Überfällen liest, bei denen massive Kaliber im Einsatz waren.
Bei der Polizei beobachte man, dass immer mehr Jugendliche immer schneller zur Waffe greifen. Sei es zum Selbstschutz, zur Ausübung von Gewalt gegen andere oder um die Waffe gegen sich selber zu richten. In Sachen Suizid belegt die Schweiz seit Jahren einen internationalen Spitzenplatz. Ob die hohe Selbstmordrate in unserem Land allerdings direkt mit den Armeewaffen zusammenhängt, belegt keine mir bekannte Studie. Beim Entscheid freiwillig aus dem Leben zu gehen, dürften wohl andere Faktoren eine Rolle spielen, als die Auswahl der Tatwaffe.
Gespannt darf man nach den deutlichen Zahlen der "Sonntagsblick"-Umfrage auf die Reaktion der Waffenlobby sein. In der Schweiz ist das - im Gegensatz zu den USA - weniger die Waffenindustrie, als vielmehr die Sportschützen. Beinahe jedes Dorf hat seinen eigenen Schiessverein, zahlreiche Festivitäten beinhalten ein Wettschiessen und auch sonst wird auf den Schweizer Schiessplätzen eigentlich täglich irgendwo trainiert. In diesen Kreisen sieht man einer möglichen Verschärfung des Waffengesetzes eher kritisch entgegen. Für Diskussionsstoff dürfte in den nächsten Wochen also gesorgt sein.
Meiner Meinung nach liegt das Gefahrenpotential weniger in den Waffen der Sportschützen und Wehrpflichtigen, als vielmehr bei den illegalen Knarren. Da lagern in vielen Schränken und Kellern Kalaschnikows und Pump-Action-Gewehre die von Menschen benutzt werden, denen ich persönlich nie im Leben eine Waffe verkaufen würde. Viele Jugendliche halten sich ne Pistole als Spielzeug, weil es cool ist. Viele Frustrierte stärken mit einer Waffe ihr Selbstbewusstsein. Diese Waffenbesitzer schätze ich als wesentlich gefährlicher ein als den durchschnittlichen Soldaten.
Ganz persönlich bin ich kein Waffennarr. Aber ich habe natürlich auch eine Armeewaffe zu Hause, die ist jedoch sicher verstaut und kommt nur einmal im Jahr zum Einsatz, wenn ich mir mit ein paar Kollegen einen kleinen Wettkampf auf dem offiziellen Schiessplatz unserer Gemeinde liefere. Ein Überbleibsel aus der Jugendzeit quasi. Mir fällt es schwer, mir vorzustellen, dass Amokläufe und Familiendramen künftig weniger werden, wenn die Dienstwaffe nicht mehr im Haus ist. Wenn doch jemand so verzweifelt ist, dass er zur Waffe greift, dann geht seine Verzweiflung doch vermutlich so weit, dass ihm die Art der Waffe egal wird. Wenn dann kein Sturmgewehr zu Hause steht, dann muss halt ein Messer oder sonst etwas herhalten.
Wer bis hierher mitgelesen hat, der merkt, ich bin mir selber nicht so ganz sicher, wie ich bei einer Abstimmung zum Thema Armeewaffe entscheiden würde. Ich muss dieses Teil jetzt nicht unbedingt im Haus haben, aber es stört mich auch nicht. Ich habe schlicht keine Beziehung zu diesem Gewehr. Würde es nicht mehr da stehen, würde ich es nicht vermissen. Denn für meinen alljährlichen Hobby-Schiesstag kann man sich ja auch beim örtlichen Verein eine Waffe ausleihen. Vermutlich ist ein alter, eidgenössischer Zopf, an den man(n) sich einfach gewöhnt hat. Froh bin ich, dass die Diskussion über das Thema - wenn auch aus einem tragischen Grund heraus - lanciert wurde. Unglücklich finde ich jedoch, dass der "Sonntagsblick" die Umfrage in der Woche nach den Amokläufen in Baden (Schweiz) und in Virginia (USA) durchgeführt hat.