Steph, il est de retour! Und das ist gut so. Stephan Eicher ist seit Mitte der achtziger Jahr einer meiner absoluten Lieblingsmusiker. Und daran hat sich in all dieser Zeit nichts geändert. Im Gegenteil. Der Mann aus Münchenbuchsee bei Bern hat sich in dieser Zeit verändert, genau so wie ich das auch getan habe. Eicher hat mir quasi über all die Jahre den Soundtrack zum älter werden geliefert. Danke dafür! Inzwischen hat Stephan Eicher der Schweiz definitiv den Rücken gekehrt und wohnt in der Camargue, unfern der Hafenstadt Marseille.
Letzte Woche kam sein neuestes Album auf den Markt, "Eldorado". Und es ist wieder - auf seine Art - ein Meisterwerk. Vorbei sind natürlich die NDW-Zeiten, in denen er noch zusammen mit seinem Bruder Martin mit Hits wie "Eisbär" die Hitparaden gestürmt hat. Vorbei sind auch die Zeiten, als er alleine mit einem Kassettengerät und einer Gitarre auf der Bühne stand und von Einsamkeit sang. Aber die Melancholie hat er auch auf seiner aktuellen Platte nicht abgelegt. Und auch das ist gut so.
Zum Album. Gerade mal 11 Songs gibt es zu hören. Komponiert und arrangiert von Stephans Kollegen, die man zum Teil schon aus der Vergangenheit kennt. So hat sein Freund, der Schriftsteller Philippe Djian, natürlich wieder französische Texte beigesteuert. Den schweizerdeutschen Part übernimmt auf "Eldorado" ebenfalls ein Schriftsteller: Martin Suter! Und das tut er verdammt gut. Von ihm stammt unter anderem der Text von "Zrügg zu mir". Mein derzeitiger Favorit auf der aktuellen CD. Ein sehr sanftes Lied, mit Violine, Vibraphone oder auch Glockenspiel und - wie erwähnt - einem tollen Text:
"U lue mer ja kei Mätsch, si findet Fuessbau schtier u faus es trotzdem tätsch, de trink derzue keis Bier. Sie findet Bier vor de Glotze u Sport totau zum Chotze. Lue lieber bim ene Rote e Bricht über d Lofote."
Quasi die Tipps an den neuen Lover seiner Liebsten, mit dem Hinweis im Refrain, dass wenn es dem Neuen zu viel werde, habe er durchaus ein Rückgaberecht. Aber ich will mich hier gar nicht erst darauf einlassen, die Texte von Martin Suter und Philippe Djian zu interpretieren, die versteht vermutlich jeder auf seine Weise.
Nachdem Eicher auf den letzten Alben oft mit afrikanischen Musikern, mit Herbert Grönemeyer, Moondog oder dem Italiener Max Gazzé zusammen gearbeitet hat, findet man auf der aktuellen Platte die Einflüsse der Bands "Calexico" und "Lambchop". So findet der Hörer zum Beispiel im Song "Rendez-Vous" eine geniale Mariachi-Trompeten-Einlage, sowie eine Pedal-Steel-Guitar, welche einem ins tiefste Mexio versetzt. In vielen Liedern wird zudem das Schlagzeug mit einem Besen "gewischt" (ja, das heisst so...), was eine tolle Ambiance erzeugt.
Mit "Voyage" ist Eicher einen äusserts traurigen Walzer geschaffen, "Dimanche en Décembre" kommt mir einer elektrischen Gitarre und einigen Samples ziemlich schräg daher. Kein Wunder, wurde der Song doch von Mickael Furnon, einem aufstrebenden Sound-Tüftler aus dem Norden Frankreichs geschrieben. Ebenfalls aus dem Hexagone kommt Raphael Haroche, aus seiner Feder stammt das zuvor erwähnte "Rendez-Vous". Selber wird Raphael bei unseren westlichen Nachbarn seit einigen Jahren mit James Blunt verglichen und räumt Preis um Preis ab.
Seit dem letzten Album "Taxi Europa" hat sich Stephan Eicher von seinem langjährigen Manager und Freund Martin Hess getrennt. Entsprechend neu dürften die Erfahrungen gewesen sein, die Eicher während den Arbeiten zu "Eldorado" gemacht hat. Alleine auf sich gestellt hat der Mann, der den Franzosen den Mani Matter Song "Hemmige" beigebracht hat, auf grosse Experimente verzichtet und sich auf das verlassen, was er kann. Und damit liegt er meiner Meinung nach auch dieses Mal nicht falsch. Ob "Eldorado" ein kommerziell grosser Erfolg wird wie zum Beispiel "Engelberg" oder ob sich eine Hitsingle heraus kristallisiert wie "Combien de Temps" oder "Dejeuner en Paix" ist fraglich. Aber das spielt auch keine Rolle.
Stephan Eicher ist ein grossartiger Musiker und Sänger. Wer einmal ein Konzert von ihm besucht hat, der weiss, wovon ich rede. Auch wenn er ganz alleine auf der Bühne steht, versprüht er mit seiner ruhigen, ja fast scheuen Art ein Karma, von dem viele grosse Stars nur träumen dürfen. Ich habe den Eicher unzählige Male live gesehen, durfte ihn zwei, dreimal interviewen. Jedesmal war ich von neuem überrascht, wieviel Humor und Intelligenz in diesem Mann steckt. Eigenschaften, die sich zum Glück auch in seiner Musik niederschlagen. Auch im neuen Album "Eldorado".
Zahlreiche Hörproben gibts auf Stephan Eichers Homepage, dahin gelangt man mit nem Klick auf den Post-Titel, ganz oben an der Seite.