Eigentlich wollt ich sie ja verkaufen, aber nun hab ich mich doch noch einmal für sie entschieden: meine Vespa! Erst recht nachdem sie vom Mechaniker meines Vertrauens, Grassi Aarau, aus dem Winterschlaf geholt wurde. Seit meinem 18 Lebensjahr begleitet sie mich und läuft und läuft und läuft. Okay, ähnlich wie bei den Schweinchen Babe-Filmen war auch hier mehr als nur eine Hauptdarstellerin im Einsatz. Die aktuelle "Maschine" ist (offiziell) die Nummer 2. Es gab mal noch eine rote Vespa, aber nur ganz kurz. Als Leih-Roller. Die zähl ich nicht. Blau muss sie sein. Und das aktuelle Modell, welches ich nun schon seit über rund 12 Jahren mein Eigen nenne, ist blau. Vespa, das ist Kult. Vespa steht auch für Fahrspass und Romantik. Und Vespa ist vor allem eines: Geschichte!
Rinaldo Piaggio gründete im Alter von nur 20 Jahren die gleichnamige Firma 1884 in Genua. Zunächst spezialisierte sich Rinaldo's Unternehmen auf die Ausstattung luxuriöser Schiffe. Doch schon zum Ende des Gründungsjahrhunderts produzierte Piaggio bereits Eisenbahnwagons, Lieferwagen, Luxusbusse und Motoren sowie Straßenbahnen und spezielle LKW-Aufbauten. Der erste Weltkrieg führte zu Veränderungen bei Piaggio, die das Unternehmen für Jahrzehnte prägen sollten. Piaggio baute erstmals Flugzeuge, darunter auch Wasserflugzeuge. Gleichzeitig wurden neue Produktionsstätten in Betrieb genommen. Im Jahr 1917 kaufte Piaggio eine neue Fabrik in Pisa, vier Jahre später übernahm das Unternehmen eine kleine Fertigungsstätte in Pontedera. Hier entstand zunächst das Zentrum der Flugzeugproduktion, wo Piaggio Propeller, Motoren und komplette Fluggeräte herstellte. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Werkshallen von Pontedera zur Geburtsstätte der inzwischen legendären Vespa.
ie Vespa (italienisch für Wespe) ist der Entschlossenheit eines Enrico Piaggio zu verdanken, der ein erschwingliches Produkt für den Massenmarkt herstellen wollte. Bereits gegen Ende des Krieges zog Enrico jede erdenkliche Möglichkeit in Betracht, um die Produktion in seinem Betrieb wieder aufzunehmen. So entstand ein Motorroller, der auf einem kleinen, ursprünglich für Fallschirmjäger konzipierten Motorrad basierte. Der Prototyp MP5, der wegen seiner eigenartigen Form “Paperino” (italienisch für Donald Duck) genannt wurde, stellte Enrico Piaggio indes nicht zufrieden. Deshalb bat er Corradino D’Ascanio, das Konzept zu überarbeiten.
Am 23. April 1946 meldete die Piaggio & C. S.p.A. ihre Entwicklung beim Industrie- und Wirtschaftsministerium in Florenz zum Patent an. Die Patentschrift sprach von einem „Motorrad mit sinnvollen Komponenten und Elementen sowie einer Karosserie mit Spritzschutz und Verkleidung, die alle mechanischen Teile verdeckt“. Schon kurze Zeit später präsentierte man das Fahrzeug der Öffentlichkeit und rief dabei sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Enrico Piaggio ließ sich jedoch nicht beirren und begann sofort mit der Serienproduktion. Dabei verließen zunächst 2.000 Stück der ersten Vespa 98 das Werk. Sein gesellschaftliches Debüt feierte der neue Roller im eleganten Golf Club von Rom. Unter den Gästen war auch U.S. General Stone, der die alliierte Militärregierung repräsentierte. Die Italiener sahen die Vespa erstmals in der Zeitschrift Motor vom 24. März 1946. Am 15. April 1946 zierte die Vespa dann auch das Titelblatt der Zeitschrift La Moto.
Von 1946 bis zum Tode Enrico Piaggios im Jahr 1965 verließen allein in Italien 3.350.000 Vespas die Produktionshallen: statistisch bedeutete dies eine Vespa pro 50 Einwohner. Den größten Verkaufserfolg in der Firmengeschichte stellt jedoch die Vespa PX mit 125, 150 oder 200 ccm Hubraum dar. Diese vielleicht typischste Vespa kam 1977 auf den Markt und fand seither mehr als 2 Millionen Käufer. Dabei spricht sie bis heute sowohl Nostalgiker wie auch jüngere Kundengruppen an. Auch im Rennsport war die Vespa aktiv. Bereits in den fünfziger Jahren nahmen Maschinen in Europa an regulären Geschwindigkeits- und Offroad-Wettbewerben teil und waren dabei nicht selten erfolgreich. Darüber hinaus kam die Vespa auch in ungewöhnlichen Disziplinen zum Einsatz. Für das Rennen Paris-London im Jahr 1952 baute der Franzose Georges Monneret eine Amphibien-Vespa und überquerte damit den Ärmelkanal. Ein Jahr zuvor hatte Piaggio selbst einen Vespa Prototypen mit 125 ccm Hubraum auf die Räder gestellt und mit durchschnittlich 171,102 km/h den Geschwindigkeits-Weltrekord über einen fliegenden Kilometer eingefahren. Nur wenige wissen, dass bei der zweiten Rallye Paris-Dakar im Jahr 1980 die Piloten M. Simonot und B. Tcherniawsky das Ziel auf einer Vespa PX 200 erreichten.
Dabei ist die Vespa weit mehr als ein blosses Marktphänomen. Sie ist Teil der gesellschaftlichen Entwicklung. In den Jahren des „Dolce Vita“ wurde die Vespa zum Synonym für den Roller, und ausländische Journalisten beschrieben Italien als „das Land der Vespa“. Welchen gesellschaftlichen Stellenwert die Vespa im In- und Ausland besass, wird durch die Leinwand-Präsenz der Italienerin in hunderten von Filmen deutlich. Und diese Rolle spielt die Vespa bis heute. In „Ein Herz und eine Krone“ standen Audrey Hepburn und Gregory Peck nur am Anfang einer Riege internationaler Schauspielerinnen und Schauspieler, die den weltweit bekanntesten Roller zum Filmpartner hatten. Die Filmographie reicht von „Quadrophenia“ und „American Graffiti“ über „Der talentierte Mr. Ripley“ und „102 Dalmatiner“ bis hin zu „Liebes Tagebuch...“. Bei Foto-Shootings, in Filmen und am Set war die Vespa ein vertrauter Reisebegleiter für Filmstars wie Raquel Welch, Ursula Andress, Geraldine Chaplin, Joan Collins, Jayne Mansfield, Virna Lisi, Milla Jovovich, Marcello Mastroianni, Charlton Heston, John Wayne, Henry Fonda, Gary Cooper, Anthony Perkins, Jean-Paul Belmondo, Nanni Moretti, Sting, Antonio Banderas, Matt Damon, Gérard Depardieu, Jude Law, Eddie Murphy, Tom Hanks und Owen Wilson.
Quelle: Vespa DE
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