5. Dezember 2010

AdventsBlogKalender 2010: Tag 5




Gastbeitrag heute von: Madame Lila, Luzern


Als der Samichlaus noch eine Frau war


Als der Samichlaus noch eine Frau war ?!
Wäre ich eine Schriftstellerin, würden unzählige zerknüllte Papierbögen am Boden liegen. Stattdessen starre ich Löcher in die Zimmerluft und strecke der Samichlausfrau die Zunge raus.
„Was genau tust du da ?“ Fragt mein hinzugekommener, bester Freund und wirft neugierig einen Blick auf den Bildschirm.
„Ich schreibe !“ Antworte ich. Begleitet von diesem zornigen Blick, der alle Menschen von mir fern hält, wenn ich meine Ruhe brauche. Ihn hält es nicht ab, gar nicht:
„So ? Samichlaus war also eine Frau ? So richtig mit Busen und so ?“
Lass mich. Geh weg !
„Naja. Warum nicht ? Vielleicht war das mal so…“ Ich versuche nett zu sein. Vielleicht hilft das.
„Warum tippst du dann nichts ? Über die Frau meine ich.“ Er steht noch immer neben mir, schaut mir über die Schulter.

„Schau“, erwidere ich frustriert, „bei mir kam der Samichlaus nie, als ich ein Kind war und im Grunde habe ich keine Lust, über diesen Kinderschreck zu schreiben“
„Bei mir kam er schon, damals: Saminigi nägi. Hinderem Ofen steck i und gib mer öpfel nuss und bire, den chumi wieder fürä“
So ein Quatsch. Das blieb mir erspart. Ich musste nie ein Gedicht auswendig lernen, um Mandarinen und Nüsse zu bekommen. Das weiss ich mit Bestimmtheit.

„Als meine Kinder noch klein waren, kam er bei uns vorbei. Und einmal…“
Samichlaus ist in meinen Gedanken keine Frau mehr, der Cursor auf dem Bildschirm blinkt noch immer nervös und mir ist es inzwischen egal.
„…einmal, da passierte etwas unglaubliches, als er da war. Mit den Schmutzli und dem ganzen Trara. „
Der beste aller Freunde nickt mir zu: Erzähl, komm schon!
„Naja. Der Schmutzli war doch immer so ein Junge aus der Oberstufe. Einer wohl, der sich übers Jahr gut verhielt oder so. Der durfte als Schmutzli den Samichlaus auf seiner Tour zu den Kindern begleiten. Meistens stand der arme Kerl als Kinderschreck in der Ecke und hatte die Aufgabe, den verschüchterten Kindern Angst zu machen. Buuuh. Verstehst du ?“
Er nickt:“Jaja. Und dann, was passierte dann? „
Jetzt habe ich die Fäden in der Hand, das gefällt mir. Sehr sogar:
„Was mit dem Schmutzli passierte willst du wissen ?“
„Ja!“
„Okay: Er fiel in Ohnmacht.“
„?“
„Vermutlich war es dem guten Jungen in seiner Kutte zu heiss. Er fiel, rumms, flach auf den Boden. Es knallte  und weg war er.“
So war das. Echt und wirklich. Da lag er also, umringt von Kindern, dem Nikolaus und den Dienern in weiss. Den Kindern trieb der Schreck die Tränen in die Augen und ich, ich hob instinktiv dem Kerl die Beine in die Höhe. Das hilft, habe ich während meiner Ausbildung gelernt, bei einer blutleere im Gehirn.
„Er wurde ohnmächtig ?“
Der beste aller Freunde hatte sich inzwischen neben mich gesetzt und war fasziniert: Der Supergau während des Chlausbesuchs.
„Er wurde ohnmächtig. Ja. Und im entstandenen Chaos erwachte er wieder, kam langsam auf die Beine und die Essenz der Geschichte ist die, dass….“
„Es war ein Mädchen !“ Sagt er mit Bestimmtheit.
Ich bin entsetzt: Jahre der Emanzipation haben nichts gefruchtet, gar nichts. Das schwache Weib ist es also noch immer. Unfähig , ohnmachtgefährdet und nicht imstande, Kaderpositionen inne zu haben.

Das blöde daran: Er hatte Recht. Der ohnmächtige Schmutzli war ein Mädchen.
Und seither bastle ich an einer Geschichte die damit beginnt: Als der Samichlaus eine Frau war. 

2 Kommentare:

Sofasophia hat gesagt…

gut erzählt, madame. und dass wir frauen zuweilen sensibler sind, ist doch eigentlich gar nicht mal übel, wenn ich es mir recht überlege ... :-)
liebgrüss, sofasophia

Adi hat gesagt…

Zu diesem Thema wäre auch die allzu fantastische Geschichte "Als der Nikolaus eine Frau war" von Eugen Egner zu empfehlen...