16. Dezember 2010

AdventsBlogKalender 2010: Tag 16


Gastbeitrag heute von: Gabriela Peng


Warum Asslinge am Weihnachtsabend sterben musste

Wir kannten uns aus dem Internet. Gleiche Interessen. Politisch, Sie verstehen. Ich erst 22 Jahre alt, er schon 33 Jahre. Wir waren beide für Humanität, Menschlichkeit. Wollen ein System, welches jedem Individuum das Recht auf Entfaltung innerhalb seines Rahmens ermöglichen soll. Sein Job beim TV war Teil seines Engagements – ja, er ist berühmt in unserer Stadt.

Unser erstes Dinner: Seine Augen blitzen mit ein bisschen Gold drinn. Seine Lippen glänzten rot und prall vom Fett des Lammfeisches. Er roch ein bisschen nach Zigaretten und Leder und gesunder Haut, das atmete ich ein, als ich meine Lippen, sie glänzten vom Lippenstift denn ich esse bei Dates nie Fleisch, ich liess meine Lippen über seinen zarten Hals fahren, wo die dichten Haare weich felen. Im Gang vom Restaurant.

Er prustet mir sanft ins Ohr. Unsere Hände kribbeln ineinander. Warm. Die Füsse: Eiskalt. Es macht weh, man muss es ignorieren. Weiterküssen. Unten, vor meiner Haustüre.

Es ist der 23. Dezember. Ein Tag vor Weihnachten. Seit Jahren fel das Thermomether nicht mehr so tief. Gott, Ladies and Gentlement: er gefällt mir! Wer würde nicht schmelzen? Es ist Minus 15 Grad draussen.

Ich lasse die schwere Haustüre hinter mir ins Schloss fallen. Allein. Bin happy. Wird er sich verlieben? Ich bin erotisch, sagen die Männer doch dem Schönheitsideal entsprech ich nicht. Zu rundlich, zu lautes Lachen, intelligent. Das macht mir Komplexe. Ich möchte es langsam angehen. Jede Minute geniessen mit ihm.

Eine halbe Stunde später läutet es an meiner Tür. Ich frage über den Lautsprecher, wer es ist. Er ist es. Der berühmte Mann. Ob er bei mir schlafen könne? Es sei ihm alles gestohlen worden, Portemonnaie, Schlüssel, Handy. Aber er hatte doch noch bezahlt, im Restaurant. Das Lammfet, den Wein. Fast 120Fr. Seine Stimme hört sich warm an, verführerisch. “Lass mich rein, lass deinen Ritter Blaubart rein. “Wann genau hast du deine Sachen verloren, Ritter Blaubard?” frage ich über den Lautsprecher, “Du hattest doch eben noch bezahlt“. “Tut das was zur Sache?” fragt er gereizt zurück. “Es ist eiskalt, ich bin von der Wohnung nach Hause gelaufen” “Ritter Blaubart, bist du betrunken? “ zirpe ich. Er hatte immerhin 5 Gläser Roten. “Es kann doch gar nicht sein, deine Wohnung ist doch viel weiter weg.” Ich lächle beim Sprechen.

Ich schliesse die Augen.

Seine Finger fahren meinem Mund entlang, er zieht ihn etwas nach unten. Zur Kehle. Drückt meine empfndliche Stelle. Er könnte mich jetzt erwürgen, jetzt, beide wissen es und schauen sich in die Augen. Er zieht mein T-Shirt aus. Es gefällt ihm, war er sieht. Schnauft, nimmt meine Brüste in den Mund. Die Hände gleiten weiter und schon sind sie in in meiner warmen Höhle. Er reisst meine alte Pyjamahose weg, ich bin nicht stolz auf diese violetten Biobaumwollhosen, also weg damit. Er reisst auch meine Spitzenutnerwäsche weg, die ich noch rasch anzog und achtung. Hoppla. Das geht mir zu schnell. Da bin ich nicht mehr dabei. Ich will nicht. Ich will nicht, doch er lässt sich nicht bremsen. “Come on, Baby” du fndest mich doch scharf. “Nein”, sage ich. “Nein, warte das geht mir zu schnell, wir haben uns ja erst heute”, ich schaue verführerisch in seine Augen. “Verstehst du Liebster?” Sein Griff wird fester, er ist sehr enttäuscht. “Ich mag dich wirklich” versuche ich ihn zu trösten. “Dann tue nicht so”. Ich möchte ihn nicht weg stossen, ich mag ihn ja! Mein Körper ist verkrampft. Meine Vagina ist trocken. Ich spüre seinen Penis in mir. Er keucht und stöhnt vor sich hin, schaut mich nicht mal an. Es tut mir weh. Es tut mir in der Seele weh, als Mensch weh. Ich fange an zu weinen. Denke mich weg. Er rüttelt meinen ganzen Körper hin und her. Es ist, als sei ich nichts wert. Als Mensch. Es ist das demütigenste, was ich je erlebt habe. Schmerz überfüllt mich. Ein schwacher Liebhaber dazu. Eine Null. Ich will nicht. Ich willl nicht so und nicht heute und nicht jetzt. Ich brülle: “Lass mich in Ruh, du Arsch!!” Vor Gericht deponiert. Der Fall.

Die Journalisten. Mein Privatleben, ins Zerrlicht gestellt. Wieviele Liebhaber hatte sie schon, diese junge Schlampe. Er? Wurde sie etwa bestochen? Eine Verschwörung vom amerikanischen Geheimdienst? War sie eifersüchtig? War sie schwanger? Warum wollte sie sich an ihm rächen? Hat sie einen Grund ihn anzuzeigen? Sie stand ja auf ihn. Es kann ja gar nicht sein, sie waren noch turtelnd beim Nachtessen. Lammfet und Wein, genau. Er ist halt älter, sagte ihr später, er wolle keine Beziehung, darum tat sie es. Sie schrieb ihm ja noch ein verliebtes SMS eine halbe Stunde. Es kann ja nicht sein. Sie tat es, warum tat sie es?

“Sie” wird zur Täterin. “Er” wird mein Opfer.

Er schnauft laut. Aus dem Lautsprecher.

“Ritter Blaubart, hör mich an.” “Mach schon” keucht er, “ich hab scheisse kalt hier”! Er weint fast. Jetzt erst merke ich, dass ich immer noch im vierten Stock vor meiner Türe stehe und er unten, in der Eiseskälte. Er wartet. Ich sage nein. Nein. Er rennt in die Nacht. Die eisblaue Vorweihnachtsnacht. Am 24. feiere ich mit meiner Familie. Denke an ihn. Am 25. auch. Sein Handy nimmt er nicht ab. Er meldete sich nie mehr. Dafür meldeten die Zeitungen am 27. Dezember: TV-Promi auf offener Strasse verfrohen. Niemand half ihm.

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