7. Dezember 2007

Advents-Bloggen: Tag 07


Gastbeitrag heute von: Edith Schmid, Riom/Graubünden


Sabine war glücklich. Es hatte alles geklappt und heute Abend würde sie Weihnachten feiern wie früher daheim. Endlich wieder einmal ein richtiges Weihnachtsfest. Seit Mutter gestorben war, hatte sie das nicht mehr erlebt. Nicht, dass sie Weihnachten ganz alleine war, nein, nein, sie war immer bei ihrer Schwester und deren Mann zu Besuch. Nur, in deren durchgestyltem Haus kam trotz aufwändiger, teurer Dekoration, hervorragendem Essen und tollen Geschenken keine Weihnachtsstimmung auf. Trotzdem war sie jeweils dankbar für die Einladung, denn das war immer noch besser als die Weihnachtsparty in der WG, die meist in einem kollektiven Besäufnis endete.

Jetzt aber war alles anders. Endlich hatte sie eine eigene Wohnung. Nicht gerade modern, dafür schön gross und vor allem günstig. Da nahm sie einige Mängel gerne in Kauf. Und dieses Jahr hatte sie Lea und Dieter eingeladen. Sie hatte auf der Einladung bestanden, obwohl Dieter nicht wollte. Für ihn war ihre bescheidene Bleibe wohl zu wenig vornehm, doch Lea freute sich wirklich. Überhaupt blieb es für Sabine ein Rätsel was ihre Schwester an Dieter fand. Aber Lea war schon früher die gewesen, die es daheim lieber luxuriöser gehabt hätte. Und Luxus konnte Dieter ihr wirklich bieten. Allerdings, in letzter Zeit kam es Sabine so vor, als hätte Lea das feudale Leben als dekorative Ehefrau eines reichen Emporkömmlings langsam satt. Verständlich, das war doch kein Lebensinhalt.

Heute aber sollte Lea wieder einmal eine stimmungsvolle, gemütliche Weihnachtsfeier erleben. Sabine hatte sich mächtig ins Zeug gelegt. Sie hatte die Wohnung zwar schlicht, aber wunderschön dekoriert. Nicht so teuer und protzig wie bei ihrer Schwester, das hätte sie sich gar nicht leisten können, dafür gemütlicher. Sie hatte mehrere Sorten Plätzchen gebacken. Sie hatte den Christbaumschmuck ergänzt und natürlich eine schöne Tanne gekauft. Sie war abends nach der Arbeit durch die Stadt gerannt für tausend Kleinigkeiten. Sie hatte keine Mühe gescheut. Der Aufwand war viel grösser als sie gedacht hatte, aber das nahm sie gerne in Kauf für das perfekte Weihnachtsfest. Sie hatte auch die aufkommende Erschöpfung ignoriert und der Versuchung, doch noch ein quasi fixfertiges Essen zu kaufen, widerstanden. Statt sich ein bisschen auszuruhen hatte sie heute den ganzen Tag in der Küche gestanden und vorgekocht und vorbereitet. Es hatte alles geklappt! Es war alles genau so, wie sie es sich erträumt hatte. Gerade eben hatte sie geduscht und anschliessend das Aperogebäck in den Ofen geschoben. Jetzt musste sie nur noch in Kleid und Schuhe schlüpfen, dann wäre sie bereit. Sie hätte sogar noch Zeit die Füsse kurz hochzulegen. Nicht für lange, denn hier im Schlafzimmer hörte sie weder Türglocke noch Telefon. Aber Lea und Dieter würden sowieso nicht zu früh kommen. Doch fünf Minuten wollte sie sich gönnen.

Mit einem wohligen Seufzer liess sich Sabine aufs Bett sinken. Nochmals ging sie in Gedanken alles durch. Sie hatte nichts vergessen, alles war perfekt, sogar das Timing, was sonst nicht gerade ihre Stärke war. Sie schwelgte schon in Vorfreude, stellte sich das glückliche Gesicht ihrer Schwester vor, auch Dieter würde es gefallen…

Es klingelte an der Haustüre. - Nochmals, diesmal etwas länger. - Dann klingelte es Sturm.

Dann schellte das Telefon ewig lange.

Dann dudelte das Handy auf der Küchenablage eine kleine Ewigkeit „Jingle Bells“.

Dann das Ganze nochmals.

Dann ein drittes Mal.

Dann war es still.

Im Backofen stieg vom angekohlten Aperogebäck ein feines Räuchlein auf.

Im Schlafzimmer lag Sabine auf dem Bett, ein seliges Lächeln im Gesicht und träumte vom allerschönsten Weihnachtsfest aller Zeiten.

3 Kommentare:

Christa hat gesagt…

Welch schöne Geschichte, liebe Edith. Danke vielmals!

Mir kam dabei meine Grossmutter in den Sinn …sie war eine gute, liebevolle Grossmutter und am meistens mochte ich sie für ihr warmes Lächeln.

„Esse morgens wie ein König,
mittags wie ein Bürger
und abends wie ein Bettler“

Nach diesem Sprichwort war ihr Tag geregelt und so war ihr das Morgenessen auch am liebsten. Stundenlang dauerte das Butterbrot streichen und das Kaffee schlürfen. Nichts, aber auch gar nichts konnte sie während dieser Zeit ablenken.

Im Altersheim teilte sie diese „Zeremonie“ mit vielen anderen, älteren Menschen in einem gemütlich, eingerichtetem Frühstücksraum. Und nach dem ausgiebigen Mahl, ging es jeweils für ein halbes Stündchen zurück ins Bett, bevor der Tag seinen Lauf nahm.

Eines Tages klingelte bei uns das Telefon und man teilte uns mit, dass sie nach dem Frühstück zurück in ihr Zimmer gegangen sei und sie glücklich und zufrieden einschlafen durfte

Ich glaube der liebe Gott hätte sie zu keinem besseren Zeitpunkt zu sich holen können. Und obwohl es für uns traurig war, ein wohlwollendes Schmunzeln hatte ich doch im Gesicht, denn …sogar der liebe Gott hat gewartet, bis sie gefrühstückt hatte :-)

Anonym hat gesagt…

Eine schöne Geschichte.... Ich hoffe, Sabine hat ihren Traum doch noch in die Realität umsetzen können! ;-)

hierundjetzt hat gesagt…

vorfreude ist manchmal die schönste freude sagt man.. eine wunderschöne geschichte....

@ christa
rührend - und einmal mehr vermisse ich meine grossmutter... ja, auch sie liess sich morgens beim frühstück nicht von ihrem "milchkaffi" abbringen;-)