13. Oktober 2011

Ein Kurztrip nach Sevilla gefällig?

Manchmal braucht es nicht viel, dass man sich kurzzeitig fühlt als wäre man im Urlaub. Dazu muss man in gewissen Fällen nicht einmal eine grosse, teure Reise unternehmen, es reichen die richtigen Menschen, Atmosphäre und das passende Umfeld. So geschehen gestern Abend. Der eigentliche Plan war es ja, nach einem langen und strengen Tag, früh ins Bett zu gehen und entsprechend zeitig zu schlafen. Nun ja, Pläne sind da um über den Haufen geworfen zu werden. Nach einem kurzen, zahntechnisch bedingten Besuch im KSA (ja, das "Projekt" nimmt Fahrt auf!), einem Abstecher in den Denner und den Taschen voller Einkäufe glühte der Himmel über Aarau in einem unbeschreiblich schönen rot. Grund genug also, anstatt direkt in die Küche zu stehen, sich noch einmal auf einen kurzen Fussmarsch zu begeben. Die Fotokamera natürlich mit dabei. 


Nun, die Fotos wurden nicht so der Hammer. Wir setzten also unseren Fussmarsch durch die Stadt fort, in der Hoffnung, dass sich das Licht noch einmal zum positiven hin verändern könnte. In allen Kneipen sassen die Menschen beim Feierabendbier oder bei einem gemütlichen Apéro. Ein Bier? Ein Glas Wein vielleicht vor dem Kochen? Auf die neue "Altstadt" hatten wir keine Lust, im "Gossip" waren wir Anfang der Woche mit Freunden, das "Scalo" steht gegen Ende Woche gerne Mal auf dem Programm, der "Platzhirsch" war leer, das "Camino" doch eher teuer was den Wein angeht, in der "Tuchlaube" sitzen wir sonst schon immer, für die "Garage" war es zu kalt. Halt, aus dem Restaurant "Sevilla" drang auf einmal fröhliches Lachen und lautes Murmeln. Ein kurzer Blick durch die mit grauen Vorhängen bedeckte Scheibe - hinein! 

Das "Sevilla", die wohl letzte Kneipe in Aarau, die diesen Namen auch wirklich verdient. Nach dem Abgang der Familie Zimmermann ist die "Altstadt" nicht mehr das, was sie mal war. Die neue Wirtin gibt sich zwar Mühe, aber eben, tempi passati. Im "Sevilla" ist seit Jahren alles beim Alten geblieben. Der Wirt René steht Tag für Tag seinen Mann, arbeitet sowohl im Service als auch in der Küche. Mit Sabet hat er zudem die wohl schlagfertigste Serviceangestellte der ganzen Stadt engagiert. Allein für sie lohnt sich der Besuch. Aber auch René selber ist ein Original. Mit seiner grantigen aber herzlichen Art erschreckt er so manchen Besucher im ersten Moment, es kann schon Mal passieren, dass er einen darauf aufmerksam macht, dass Füsse nicht auf Stühle gehören oder dieser Tisch reserviert und man ihn verlassen soll - obwohl die Reservation erst in 2 Stunden gilt. Aber eben, der Wirt ist genau so herzlich. Immer gerne bereit für einen Schwatz, es gibt auch schon Mal einen besonders sonnigen Platz in der Gartenbeiz, schenkt einem eine Eintrittskarte fürs Pferderennen und auch wenn es um das Essen geht, lässt sich das Sevi-Personal nicht lumpen. Zudem überzeugt die Kneipe mit einem schier unschlagbaren Angebot an preiswerten Weinen, mein Liebling ist der Beaujolais - 6 Franken 60 für zwei Deziliter. 

Überhaupt findet man im Sevi noch Überbleibsel aus einer Zeit, in welcher Restaurants noch nicht aus lauter Musik, teure Getränken und launischem Personal bestanden. An der Wand hängen schön gerollt die Zeitungen des Tages, es gibt auf den Tischen Nüssli, Chips, Eier und Nussgipfel, die Bänke und Stühle sind alt und aus Holz, es darf natürlich geraucht werden, um halb 8 am Abend läuft die Tagesschau und der ganze Stammtisch schaut gebannt zu, um danach lautstark über die Geschehnisse zu diskutieren. Auf dem WC gibt Dr. Vogel den Männern Tipps zum Thema Prostata. Wenn der TV aus ist, läuft gerne Mal ein Schlager im Radio und auch Volksmusik wird gerne gehört. Auf der Speisekarte gibt es einfach Gerichte wie Würste mit Salat oder Eingeklemmte. Zu empfehlen ist übrigens das "Jura-Plättchen", mit Käse und Wurst, welche das Wirtepaar persönlich im Kanton Jura holt. Über eine Bierzapfanlage verfügt das Sevi übrigens nicht, der Hopfensaft wird in der Flasche - bevorzugt mit Bügelverschluss - serviert und genossen. Dass die Kneipe an der Kirchengasse 4 in Aarau über keine Homepage oder Email verfügt, erklärt sich von selber, oder?

Kurz, das "Sevilla" ist - neben dem "Speck" oder eben der "Altstadt" - noch einer der allerletzten Kneipen/Beizen, die diesen Namen auch wirklich verdient. Es treffen sich Arbeiter, Politiker, Anwälte und Ärzte, daneben sitzen alternativ angehauchte Jugendliche, Skater, schweigsame Yoga-Freaks, lautstarke Büezer und Frauen mit Kinderwagen. Jeder hat Platz. Peter Alexanders Lied "Die kleine Kneipe" könnte die Stimmung nicht besser beschreiben. Aber eben, ich habe es an dieser Stelle schon öfter erwähnt, leider sterben genau diese Lokalitäten langsam aber sicher aus, werden ersetzt durch austauschbare Bars. Auch die Zukunft vom Sevi ist ungewiss. Sehr lange werden wir uns nicht mehr an dieser Ambiance erfreuen dürfen, bleibt zu hoffen, dass sich bald eine längerfristige Lösung abzeichnet und man sich auch in 5 Jahren noch auf die Metzgete freuen oder beim FCA-Toto mitspielen darf. 

PS: Wie das Restaurant "Sevilla" zu seinem Namen kam und trotzdem keine spanischen Spezialitäten anbietet? Darüber gibt es in Aarau zahlreiche Geschichten. Welche davon die Wahre ist, das lässt sich in einem Gespräch mit Wirt René herausfinden. Viel Spass! 

PPS: Wir haben gestern das Kochen übrigens verschoben, die Atmosphäre genossen, uns ein paar Gläser Beaujolais und ein Jura-Plättchen gegönnt und bis spät in den Abend hinein sehr gute Gespräche geführt... LOVE!

12. Oktober 2011

Aarau: Aller et retour

Die neueste Geschichtensammlung des Stadtmuseum Schlössli Aarau lotet die Anziehungs- und Fliehkräfte von Aarau aus. Was bewegt die Menschen, aus ihrer ach so geliebten Stadt wegzuziehen? Weshalb kommen viele Weggezogene wieder zurück? Was wird an Aarau vermisst, gehasst oder geliebt?

Zu Wort kommen in dieser, nennen wir es mal, Online-Ausstellung zahlreiche Heimweh-Aarauer, Rückehrerinnen und solche, die der Stadt endgültig den Rücken zugekehrt haben. Entstanden ist ein Stimmungsbild zwischen Heimatgefühlen und Fernweh, das man hier hören oder als Podcast herunterladen kann.

Warum ich darüber berichte? Nun, einerseits finde ich die Idee der Macher total gut und zudem bin ich selber einer der Befragten. Als grosser Fan "meiner" Stadt bin ich trotzdem schon öfter weggezogen, um dann nach einiger Zeit wieder retour zu kommen. Auf Grund der Fragen, welche mir im Interview gestellt wurden, sah ich mich quasi gezwungen, mir einmal Gedanken zu machen, warum das so ist. Das Resultat ist verblüffend. Unter anderem kommen in Aarau bekannte Gesichter wie Christoph Schmid, Oliver Miescher oder Wolfgang Bortlik zu Wort. 

Viel Spass beim Anhören der zahlreichen Podcasts. Übrigens finden jeden Donnerstag in Aarau auch spezielle Aktionen statt, so konnte man die Geschichten letzte Woche in der Igelweid hören, morgen dann am Bahnhof und Ende Oktober gibts die Geschichten im Theater Tuchlaube im Rahmen des "Heimweh"-Programms. 


11. Oktober 2011

The Good, The Bad & The Ugly

Stell dir vor, du fährst mit dem Zug von Aarau nach Zürich. Steigst am Zielort aus und befindest dich auf einmal auf einem anderen Planeten. Auf einem, auf welchem die Männer noch Jeanshemden, Bärte und Schnäuze oder Mützen mit Traktorwerbung drauf tragen. Dazu sind 90 Prozent dieser Männer schwerstens tätowiert. Was tust du? Ich hab zuerst einmal geschaut, ob ich wirklich im richtigen Zug war und das tatsächlich Zürich ist  - oder eventuell doch irgendeine Kleinstadt in Texas oder Iowa. Nein, es war Zürich. Sonntagabend, Treffpunkt Jugendhaus Dynamo. Direkt neben dem Marriott Hotel übrigens, da laufen die Menschen in der Regel eher so rum, wie man es sich für Zu-reich vorstellt. Nun gut, mein Raumschiff war gelandet und ich hab mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt. Nach kurzer Zeit sass dann auch die halbe Band - ja es geht bei diesem Bericht um ein Konzert - bei uns am Nebentisch. "The Revival Tour" war das Motto des Abends, Musiker wie Chuck Ragan, Dan Andriano, Brian Fallon oder Franz Nicolay standen mit einem halben Dutzend weiteren Freunden auf der Bühne und feierten eine Art Klassentreffen. Es wurde viel getrunken, gejohlt, gesungen, geklatscht, gefeiert. Man gab Geschichten aus der Teenagerzeit zum Besten, genau so waren Witze zu hören. Kurz, Spass war angesagt und als Zuschauer hatte man während den 3 Stunden jederzeit das Gefühl, dass man bei diesem Klassentreffen dazugehört. Selber mal einen Eindruck machen? Bitte sehr.


Ich weiss zwar bis heute nicht, in welche Schublade ich dieses Konzert stecken soll. Aber inzwischen bin ich der Meinung, dass auch nicht jeder Musikstyle seine Schublade braucht. Es war kein Country, dafür gabs zu viele Punkattitüden. Blue Grass vielleicht? Nein, dafür waren die Gitarren zu hart. Rock? Nein, dazu hat ein Schlagzeug gefehlt. Egal, es war toll. Fazit: auch wenn ich zu Beginn des Abends nicht genau wusste, worauf ich mich da eingelassen hatte, war ich nach den ersten 5 Minuten bereits so begeistert, dass ich diesen Abend - auch dank TShirts und CDs - in bester Erinnerung behalten werde. Gute Musiker haben gute Musik dargeboten, was will man mehr. Danke an meine zauberhafte Tippgeberin, ohne die ich dieses Konzert wohl voll verhängt hätte.


Weniger Lob als für die Revival Tour kann ich dem Luka Bloom geben. Leider. Er war am Freitag im KiFF zu Gast. Ich hab den Iren bestimmt schon 3 Mal gesehen, mindestens. Aber das Konzert in Aarau war das Schlechteste von allen. Der Mann wirkte schon beim Auftritt auf die Bühne irgendwie unmotiviert, im Saal standen Stühle rum, Stehen wurde nicht gerne gesehen, der Barbetrieb wurde auf Wunsch von Bloom reduziert und als es einem dann auch noch verboten wurde zu Reden, wurde es mir dann irgendwie zu viel mit dem divenhaften Getue. Ich hab Luka Bloom zum ersten Mal Anfang der 90er Jahre gesehen, da hat er in einem Zelt beim beim Openair Leysin gespielt, nach ihm ein gewisser Lenny Kravitz. Beide Musiker haben sich vor und nach ihrem Aufritt unters Publikum gemischt und an der Zeltbar noch ein Bierchen genommen. Und glaubt mir, damals haben nicht einmal die Hälfte der johlenden Openair-Gäste sein Konzert mitgekriegt. Das muss wohl beim guten, alten Luka irgendein Trauma hinterlassen haben. Klar, musikalisch ist er immer noch Spitze. Sein Gitarrenspiel lädt zum Träumen ein und auch die Stimme passt. Diesbezüglich ist er wie Wein, mit dem Alter immer besser. Leider wurde der Abend wirklich durch sein - in meinen Augen - zu zickenhaftes Benehmen getrübt. Entsprechend hab ich ihn auch schon gesprächiger und witziger erlebt. Auf die wenigen Rufe aus dem Publikum ist er entweder gar nicht oder dann mit dämlichen Sprüchen eingegangen. Vielleicht hätte er anstatt seinem Ingwertee vielleicht besser einen guten Wein getrunken, der hilft nicht nur dem Hals, sondern auch der Seele. Was einem alternden Folksänger, der in einem halbleeren Saal in einer Stadt auftritt die er nicht kennt, vermutlich gut getan hätte... 

Als Entschädigung gabs dann aber quasi auf dem Heimweg noch etwas Glamrock. Im Foyer des KiFF traten nach dem - scheinbar enttäuschenden - Fussballspiel zwischen Wales und der Schweiz "The Blood Hand" auf. Ein bisschen The Darkness, gemischt mit einem Hauch Placebo oder Manic Street Preachers. Ja, von allen halt ein bisschen. Klar, die Band und die Musik waren austauschbar, trotzdem hat es nach dem leicht depressiven Abend mit Luka direkt gut getan, unverbrauchte und leicht verrückte Menschen zu sehen. "Thank you for being part of my show," begrüsste der durchgeknallte Sänger fast jeden Gast persönlich per Handschlag. Das nenn ich mal eine Bindung zum Publikum ;-)

Zum Abschluss noch zwei, drei Tipps in Sachen Musik: Donnerstag "Goose" im KiFF Aarau, Freitag Soprano in der Roten Fabrik Zürich und am Samstag Fiji und Stereo Total in der Je t'aime Bar Industriestrasse Aarau. 

10. Oktober 2011

Neue Brunnen für Aarau

Noch sind sie fest eingepackt, die rechteckigen Sockel in der Rathaus- und Metzgergasse. Doch während einem nächtlichen Regenguss, hat sich die Plastikverpackung (vermutlich unter Mithilfe von Nachtbuben) gelöst und einen Blick auf die neuen Brunnen freigelegt. Wie grosse, nasse Goldbaren lagen sie vor uns und haben richtiggehend darum gebeten, fotografiert zu werden. Darum, exklusiv: der erste Blick auf die neuen Brunnen, welche ab Ende Oktober die Aarauer Altstadt dekorieren werden. Hoffen wir mal, dass wir sie noch lange in dieser glänzenden Schönheit erleben dürfen - bevor sie versprayt, verkotzt, bemalt oder als WC missbraucht werden... 

Foto: Sabine Schwarze