12. Oktober 2011

Aarau: Aller et retour

Die neueste Geschichtensammlung des Stadtmuseum Schlössli Aarau lotet die Anziehungs- und Fliehkräfte von Aarau aus. Was bewegt die Menschen, aus ihrer ach so geliebten Stadt wegzuziehen? Weshalb kommen viele Weggezogene wieder zurück? Was wird an Aarau vermisst, gehasst oder geliebt?

Zu Wort kommen in dieser, nennen wir es mal, Online-Ausstellung zahlreiche Heimweh-Aarauer, Rückehrerinnen und solche, die der Stadt endgültig den Rücken zugekehrt haben. Entstanden ist ein Stimmungsbild zwischen Heimatgefühlen und Fernweh, das man hier hören oder als Podcast herunterladen kann.

Warum ich darüber berichte? Nun, einerseits finde ich die Idee der Macher total gut und zudem bin ich selber einer der Befragten. Als grosser Fan "meiner" Stadt bin ich trotzdem schon öfter weggezogen, um dann nach einiger Zeit wieder retour zu kommen. Auf Grund der Fragen, welche mir im Interview gestellt wurden, sah ich mich quasi gezwungen, mir einmal Gedanken zu machen, warum das so ist. Das Resultat ist verblüffend. Unter anderem kommen in Aarau bekannte Gesichter wie Christoph Schmid, Oliver Miescher oder Wolfgang Bortlik zu Wort. 

Viel Spass beim Anhören der zahlreichen Podcasts. Übrigens finden jeden Donnerstag in Aarau auch spezielle Aktionen statt, so konnte man die Geschichten letzte Woche in der Igelweid hören, morgen dann am Bahnhof und Ende Oktober gibts die Geschichten im Theater Tuchlaube im Rahmen des "Heimweh"-Programms. 


11. Oktober 2011

The Good, The Bad & The Ugly

Stell dir vor, du fährst mit dem Zug von Aarau nach Zürich. Steigst am Zielort aus und befindest dich auf einmal auf einem anderen Planeten. Auf einem, auf welchem die Männer noch Jeanshemden, Bärte und Schnäuze oder Mützen mit Traktorwerbung drauf tragen. Dazu sind 90 Prozent dieser Männer schwerstens tätowiert. Was tust du? Ich hab zuerst einmal geschaut, ob ich wirklich im richtigen Zug war und das tatsächlich Zürich ist  - oder eventuell doch irgendeine Kleinstadt in Texas oder Iowa. Nein, es war Zürich. Sonntagabend, Treffpunkt Jugendhaus Dynamo. Direkt neben dem Marriott Hotel übrigens, da laufen die Menschen in der Regel eher so rum, wie man es sich für Zu-reich vorstellt. Nun gut, mein Raumschiff war gelandet und ich hab mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt. Nach kurzer Zeit sass dann auch die halbe Band - ja es geht bei diesem Bericht um ein Konzert - bei uns am Nebentisch. "The Revival Tour" war das Motto des Abends, Musiker wie Chuck Ragan, Dan Andriano, Brian Fallon oder Franz Nicolay standen mit einem halben Dutzend weiteren Freunden auf der Bühne und feierten eine Art Klassentreffen. Es wurde viel getrunken, gejohlt, gesungen, geklatscht, gefeiert. Man gab Geschichten aus der Teenagerzeit zum Besten, genau so waren Witze zu hören. Kurz, Spass war angesagt und als Zuschauer hatte man während den 3 Stunden jederzeit das Gefühl, dass man bei diesem Klassentreffen dazugehört. Selber mal einen Eindruck machen? Bitte sehr.


Ich weiss zwar bis heute nicht, in welche Schublade ich dieses Konzert stecken soll. Aber inzwischen bin ich der Meinung, dass auch nicht jeder Musikstyle seine Schublade braucht. Es war kein Country, dafür gabs zu viele Punkattitüden. Blue Grass vielleicht? Nein, dafür waren die Gitarren zu hart. Rock? Nein, dazu hat ein Schlagzeug gefehlt. Egal, es war toll. Fazit: auch wenn ich zu Beginn des Abends nicht genau wusste, worauf ich mich da eingelassen hatte, war ich nach den ersten 5 Minuten bereits so begeistert, dass ich diesen Abend - auch dank TShirts und CDs - in bester Erinnerung behalten werde. Gute Musiker haben gute Musik dargeboten, was will man mehr. Danke an meine zauberhafte Tippgeberin, ohne die ich dieses Konzert wohl voll verhängt hätte.


Weniger Lob als für die Revival Tour kann ich dem Luka Bloom geben. Leider. Er war am Freitag im KiFF zu Gast. Ich hab den Iren bestimmt schon 3 Mal gesehen, mindestens. Aber das Konzert in Aarau war das Schlechteste von allen. Der Mann wirkte schon beim Auftritt auf die Bühne irgendwie unmotiviert, im Saal standen Stühle rum, Stehen wurde nicht gerne gesehen, der Barbetrieb wurde auf Wunsch von Bloom reduziert und als es einem dann auch noch verboten wurde zu Reden, wurde es mir dann irgendwie zu viel mit dem divenhaften Getue. Ich hab Luka Bloom zum ersten Mal Anfang der 90er Jahre gesehen, da hat er in einem Zelt beim beim Openair Leysin gespielt, nach ihm ein gewisser Lenny Kravitz. Beide Musiker haben sich vor und nach ihrem Aufritt unters Publikum gemischt und an der Zeltbar noch ein Bierchen genommen. Und glaubt mir, damals haben nicht einmal die Hälfte der johlenden Openair-Gäste sein Konzert mitgekriegt. Das muss wohl beim guten, alten Luka irgendein Trauma hinterlassen haben. Klar, musikalisch ist er immer noch Spitze. Sein Gitarrenspiel lädt zum Träumen ein und auch die Stimme passt. Diesbezüglich ist er wie Wein, mit dem Alter immer besser. Leider wurde der Abend wirklich durch sein - in meinen Augen - zu zickenhaftes Benehmen getrübt. Entsprechend hab ich ihn auch schon gesprächiger und witziger erlebt. Auf die wenigen Rufe aus dem Publikum ist er entweder gar nicht oder dann mit dämlichen Sprüchen eingegangen. Vielleicht hätte er anstatt seinem Ingwertee vielleicht besser einen guten Wein getrunken, der hilft nicht nur dem Hals, sondern auch der Seele. Was einem alternden Folksänger, der in einem halbleeren Saal in einer Stadt auftritt die er nicht kennt, vermutlich gut getan hätte... 

Als Entschädigung gabs dann aber quasi auf dem Heimweg noch etwas Glamrock. Im Foyer des KiFF traten nach dem - scheinbar enttäuschenden - Fussballspiel zwischen Wales und der Schweiz "The Blood Hand" auf. Ein bisschen The Darkness, gemischt mit einem Hauch Placebo oder Manic Street Preachers. Ja, von allen halt ein bisschen. Klar, die Band und die Musik waren austauschbar, trotzdem hat es nach dem leicht depressiven Abend mit Luka direkt gut getan, unverbrauchte und leicht verrückte Menschen zu sehen. "Thank you for being part of my show," begrüsste der durchgeknallte Sänger fast jeden Gast persönlich per Handschlag. Das nenn ich mal eine Bindung zum Publikum ;-)

Zum Abschluss noch zwei, drei Tipps in Sachen Musik: Donnerstag "Goose" im KiFF Aarau, Freitag Soprano in der Roten Fabrik Zürich und am Samstag Fiji und Stereo Total in der Je t'aime Bar Industriestrasse Aarau. 

10. Oktober 2011

Neue Brunnen für Aarau

Noch sind sie fest eingepackt, die rechteckigen Sockel in der Rathaus- und Metzgergasse. Doch während einem nächtlichen Regenguss, hat sich die Plastikverpackung (vermutlich unter Mithilfe von Nachtbuben) gelöst und einen Blick auf die neuen Brunnen freigelegt. Wie grosse, nasse Goldbaren lagen sie vor uns und haben richtiggehend darum gebeten, fotografiert zu werden. Darum, exklusiv: der erste Blick auf die neuen Brunnen, welche ab Ende Oktober die Aarauer Altstadt dekorieren werden. Hoffen wir mal, dass wir sie noch lange in dieser glänzenden Schönheit erleben dürfen - bevor sie versprayt, verkotzt, bemalt oder als WC missbraucht werden... 

Foto: Sabine Schwarze

5. Oktober 2011

Wahlen 2011: Ivica Petrušic, SP im Interview


Am 23. Oktober wählt die Schweiz ihr neues Parlament. Überall in unserem Land lächeln uns derzeit die Kandidatinnen und Kandidaten entgegen, mich persönlich sprechen nur die wenigsten die Wahlplakate an. Darum setze ich lieber auf bewährte oder bekannte Köpfe. Einer davon ist Ivica Petrušić, Grossrat, Sozialarbeiter und Musiker aus Aarau. Kandidat um einen der Sitze im Nationalrat. Um ihm auf den Zahn zu fühlen, hab ich ihm - er kandidiert für die SP- und die Secondos Plus-Liste - ein paar Fragen gestellt. 


1. Ivica du trittst diesen Herbst - wie viele andere Kandidatinnen und Kandidaten auch - zum Nationalratswahlkampf an. Warum sollte man bei der grossen Auswahl gerade Dich wählen? 

Ivica Petrušić: Auf dem Plakat der Liste 2c der Second@s Plus Aargau steht geschrieben: Second@s Plus unterstützen Ivica Petrusic im Whalkampf weil sie mehr „gute Musik“ in Bern wollen ;) Ich stehe seit Jahren mit meiner Politik für Menschen ohne Stimme ein: Jugend und Zugewanderte. Ich stehe ein für eine weltoffene und soziale Schweiz in welcher alle die hier ihre Steuern bezahlen auch politische Rechte haben sollen. Diese Menschen brauchen eine Vertretung in der lokalen, kantonalen und bundesweiter Politik. Zusätzlich liegt mir  als Gemeinde- Stadt und Regionalentwickler der nachhaltiger Umgang mit der Natur und dem uns Verbliebenen Lebensraum am Herzen.    


2. "Integration heisst Partizipation" ist dein Slogan. Wie möchtest du diesen verstanden wissen? 

Alle Reden von Integration und niemand weiss eigentlich genau worum es geht. Integration heisst gleichberechtigte  Teilhabe und Teilnahme aller in unserem Land lebenden Menschen an allen Angeboten unserers Landes. Dabei müssen wir uns bewusst sein, dass nicht alle gleiche Voraussetzungen und zum Beispiel Familienstrukturen haben, die ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu unseren Institutionen (Zum Beispiel zum Bildungssystem) ermöglichen würden. Dort braucht es konkrete Angebote, bzw. Veränderungen innerhalb der bestehenden Strukturen. Integration ist ein Prozess der sich durch alle Gesellschafts- und Politikbereiche durchzieht. Nicht nur im Bereich der Migrations- und Integrationspoltik. 

3. Gerade für Menschen aus dem Kosovo bietet der Sommer 2011 ein Wellenbad der Gefühle. Einerseits werden sie an den Pranger gestellt und als Mörder dargestellt, dank Shaqiri zu Volkshelden stilisiert. Was empfindest du wenn du solche Diskussionen mitkriegst?

Kürzlich ist eine neue Version eines SVP- Plakates in den sozialen Medien zu dieser Thematik erschienen. Nach dem Sieg der Schweiz gegen Bulgarien, als Shaquiri drei Goole schoss, stand auf einem Plakat geschrieben: „Kosovaren retten die Schweizer Nati.“ Ich haben dieses Plakat mit folgenden Worten kommentiert: „Ich bitte dringent um eine Anpassung des Plakates. Da wir nicht eine ganze Bevölkerungsgruppe (also die Kosovaren) für den Erfolg der Nati verantwortlich machen dürfen, müsse es richtig heissen“ Kosovare (Einzahl!) rettet die Schweizer Nati.

4. Was tust du, was tut die SP, was tun die Secondos dass es 23. Oktober nicht erneut zu Gewinnen für die SVP kommt? 

Neben guter Sachpolitik, die SP seit Jahren im Sinne von „mehr für alle statt für wenige“ betreibt, braucht es weiterhin einen kreativen Wahlkampf. Dies ist jedoch nicht nur einfach, da kaum jemand über ein so grosses Budget Verfügt wie die SVP. Vielleicht gelingt es auch mal die Widersprüchlichkeit der Sündenbockpolitik der Rechten aufzudecken. Viele der rechts gerichteten Politiker beschäftigen in ihren Firmen bis zu 50% Ausländer (zum Beispiel der Ständeratskandidat der SVP), welche sie gleichzeitig als Bedrohung unseres Landes dazustellen versuchen. 

5. Wie sieht dein Wahlkampf noch aus bis zum entscheidenden Sonntag im Oktober? 

Neben den klassischen Teil; Podiumsdiskussionen, Stände, Flyer usw... setze ich vor allem auf Elemente aus meinem anderen Hobby – der Musik. Nach der Neuinterpretation der Schweizer- Hymne habe ich auch ein Liebeslied auf den Aargau. Darin spiele ich mit Klischees unseres Kantons und gehe auf kunstvolle Art mit politischen Themen unserers Altags um (http://www.youtube.com/watch?v=eriGU0AV1ic). 
Wir brauchen Symbole und Bilder mit welchen wir uns identifizieren können, wir müssen es hinkriegen, dass sie die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer mit den Symbolen unseres Landes identifizieren kann. Heute wird unterschieden in Ausländer, Eingebürgerte, Schweizer und Eidgenossen. Für mich ist diese Kategorisierung inakzeptabel. 

6. In Deutschland (und anderen europäischen Ländern) durften die Linke und die Grünen auf den sog. Fukushima-Effekt vertrauen und auch die Wirtschaftslage beschert den Bürgerlichen regelmässig Verluste. Rechnest du in der Schweiz auch mit solchen Reaktionen der Wähler? 

Fukushima ist leider heute bereits weit weg aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden, oder wir können uns noch wage daran erinnern. Zumindest im Aargauer- Grossrat kämpft nach wie vor eine Mehrheit für die AKWs. Die Menschen bewegen mehr die unmittelbaren und schweizerischen Probleme ob nun diese real oder erfunden (wie zum Beispiel die Zuwanderungsdebatte) bzw. künstlich herbeigeschworen werden

7. Du hast unlängst mit einer neuen Version der Nationalhymne für Aufsehen gesorgt. Welche Reaktionen hast du gekriegt? 

Erstaulicherweise waren die meisten positiven Charakters. Meine Version hat sogar bei der Umfrage der Aargauer Zeitung am Schluss die Nase vorne ;). Es zeigt mir, dass die Bevölkerung doch auch für Neues offen ist – im Grundsatz. 

8. Abschliessend die Frage, du möchtest Nationalrat werden. Warum willst du dir das antun? ;-)

Eine meiner Reden zu den Symbolen der Schweiz v. 23. Aug. hat aufgrund schlechter journalistischer Arbeit (einen Monat nach der Veröffentlichung der Rede) weltweite Reaktionen ausgelöst. Ich bekomme seither Einschüchterungs- und Drohbriefe in welchen auch meine ganze Familie bedroht wird. Nach solchen Tagen und Wochen fragt man sich tatsächlich warum man sich das Ganze antun soll. Für die Medien scheinen die Politischen Köpfe als Spielfiguren zu fungieren in einem Spiel, welches Sie alleine steuern und bestimmen. 

Manchmal denke ich wirklich, dass ich als Musiker auf der Bühne viel politischer sein könnte und mit der Kunst und Musik auch viel mehr gesellschaftlich verändern könnte. Der Frieden in Europa steht – 66 Jahre nach dem 2. WK. - und mit der  heutigen Unzufriedenheit der europäischen Bevölkerung mir der Entwicklung des europäischen Gedankenguts – wieder auf dem Prüfstand. Wir alle haben eine Verantwortung für unsere Gesellschaft zu tragen und zu übernehmen, im Rahmen unserer Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ich bin und werde immer ein politischer Mensch bleiben, dabei werde ich auch weiterhin auf verschiedene politische Mittel zurückgreifen, ob Nationalrat oder nicht. 

Danke für das Gespräch und viel Glück für die Wahlen am 23. Oktober!