Stierkämpfe sind französisches Kulturgut. Ja, richtig gelesen. Nicht etwa spanisches, nein, französisches Kulturgut. Und weil das so ist, dürfen sie in Frankreich weiterhin durchgeführt werden. Diesen Entscheid hat das französische Kulturministerium letzte Woche gefällt. Ich bin ja wahrlich ein Mensch, der Frankreich mag, ja sogar von ganzem Herzen liebt. Aber wenn ich solche News höre, da bleibt auch mir nur ein heftiges Kopfschütteln.
Selber habe ich in Frankreich bis heute nur die sogenannten Courses Camarguaises, also die unblutige Form des Stierkampfes, live miterlebt. Da geht es in den südfranzösischen Dörfern darum, den mutigsten jungen Mann zu finden, der es zum Beispiel wagt, dem Stier ein farbiges Bändchen oder einen Bommel vom Kopf zu reissen. Meist finden diese Fêtes votives in unzähligen Orten des Rhônedeltas gegen Herbst, wenn die Tiere von der Weide zurück auf den Hof geholt werden, statt. Aber eben, auch da kann man darüber diskutieren, wieviel Spass diese Spielchen den Tieren machen. Der Schutz für die Männer ist eine farbige Holzwand, hinter der sie sich verbergen können. Bloss, springen auch die provozierten Stiere normalerweise dagegen. So kommt es nicht selten zu Kopfverletzungen oder dem Verlust des Augenlichts.
Aber eben, in Frankreich gibts eben auch die anderen Anlässe, die Courses des Taureaux. Denn nicht nur in Spanien, sondern eben auch in Frankreich gehört diese perverse Form der Tierquälerei seit Jahrhunderten zur kulturellen Tradition. In rund 60 Städten in Frankreich werden jährlich blutige Stierkämpfe veranstaltet. In südfranzösischen Regionen geniesst der Stierkampf darum schon seit Jahren einen gesetzlichen Schutz. Dieser wird durch das Urteil des Kulturministeriums gestärkt, es ist nun fast nicht mehr möglich, rechtlich gegen diesen Tiermord vorzugehen. Aber seien wir mal ehrlich, Stierkampf eins französisches Kulturgut? Da geht es schlicht darum, die sensationsgeilen Touristen ins Land zu locken, nachdem Spanien die blutigen Kämpfe nach und nach verbietet.
Denn die gegenwärtigen Formen der französischen Tradition entwickelten sich erst ab dem 19. Jahrhundert. Wann und wo der erste Stierkampf in diesen Gegenden stattfand, ist nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass diese "Tradition" aus Spanien eineführt wurde. Wie schon erwähnt, war das Einzigartige an der französische Variante der Stierkämpfe, dass die Stiere nicht immer zum Kampf gezwungen werden. Trotzdem werden leider in den letzten Jahren immer mehr Kämpfe nach brutalen spanischen Regeln veranstaltet und dabei Stiere getötet. Oder fast noch gemeiner, sie erleiden durch die Folgen des Kampfes erhebliche Verletzungen, die früher oder später zum Tod führen.
Warum gerade Frankreich? Verdammt. Atomtests, Vertreibung von Roma, militärische Angriffe auf souveräne Staaten, krasse CRS Einsätze in den Banlieus... die Liste ist lang und wir nun noch durch diesen sinnlosen Beschluss des Kulturministers ergänzt. Sinnlos vorallem ja darum, weil im Mutterland des Stierkampf, in Spanien, das blutige Spektakel immer stärker umstritten ist. In der nordspanischen Region Katalonien soll er ab 2012 gesetzlich verboten werden. Tierschützer der Organisation „Prou“ hatten erreicht, dass das Parlament im letzten Jahr einen entsprechenden Beschluss fasste. Die spanischen Befürworter wittern nun aber dank dem Entscheid der gallischen Nachbarn aber Morgenluft und streben ebenfalls danach, diese barbarische Sitte mit Hilfe der UNESCO-Konvention vor ihrem Ende zu bewahren.
Und rein vom Gesetz her könnten sie damit sogar noch durchkommen. Denn im Vertrag von Lissabon werden beim Tierschutz explizit Ausnahmen vorgesehen, die auf "kulturelle Traditionen" Rücksicht nehmen. Dazu gehören "Praktiken, Darbietungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und Fähigkeiten" die als Teil ihres kulturellen Erbes angesehen werden. Tierquälerei wird in diesem Vertrag nicht explizit erwähnt... Faktisch sind also alle Formen der archaischen Tradition des Stierkampf in Zukunft möglich. Während eine grosse Mehrheit der Franzosen diese Quälerei der erwiesenermassen empfindungsfähigen und sensiblen Tiere ablehnt, machen sich konservative Kreise ein Hobby daraus, sie zu fördern. Gründe? Wie erwähnt bestimmt der Tourismus, aber in meinen Augen sind das bereits erste Auswüchse des rechten Präsidentschaftswahlkampfs 2012. Da rechnen genau diese konservativen Gruppierungen mit immensen Wahlerfolgen. Ihre Spitzenkandidatin Marine Le Pen hatte ja bereits Anfang dieses Jahres angekündigt, unpoluläre Themen anzusprechen, an denen sich bislang niemand die Finger verbrennen wollte... Bonne Nuit la Grande Nation!