Roger hier. Federer da. Was soll unser Nationalheld den Journalisten noch erzählen? Immer wieder die selben Fragen: Ob er denn das Turnier gewinnen könne, wer seine Konkurrenten wie er mit seiner Leistung zufrieden sei, und so weiter und so fort. Und dennoch ist es in diesem Jahr etwas anders. Und dennoch ist es heuer etwas anders. Immerhin hat der 29-jährige Schweizer seit seinem Triumph in Melbourne vor einem Jahr kein einziges Mal das Endspiel bei einem Major erreicht. Und da musste Federer etwas verändern. Mit dem neuen Coach Paul Annacone, der mit Pete Sampras und Tim Henman andere Offensivspieler betreut hatte, arbeitete der wohl beste Spieler aller Zeiten zusätzlich an seinem Angriffsspiel. "Man muss ständig an sich arbeiten, um Turniere gewinnen zu können. Heute kann jeder jeden schlagen", sagte Federer im Vorfeld der Australian Open. Doch damals wusste er noch nicht, wer sein nächster Gegner sein wird.
Denn, zum ersten Mal an einem Grand-Slam-Turnier stehen sich zwei Schweizer in den Viertelfinals gegenüber. Und der Gegner von King Roger heisst natürlich Stan "The Man" Wawrinka, der den Amerikaner Andy Roddick eiskalt abservierte. "Es ist ein Traum, gegen einen Freund zu spielen", erklärte Federer nach der Partie. Kunststück: In sieben Partien hat der vierfache Weltsportler des Jahres nur einmal gegen seinen Landsmann, mit dem er 2008 in Peking Olympiagold holte, verloren. Bloss, 2011 könnte alles anders sein!
Denn Stanislas Wawrinka hinterliess in der ersten Turnierwoche den etwas stärkeren Eindruck als Federer. Derweil Federer im Achtelfinal gegen Tommy Robredo den dritten Satz abgab, blieb Wawrinka auch gegen Roddick jungfräulich ohne Satzverlust. Stan zeigte gegen Roddick, der ATP Nummer 8, wie zuvor schon gegen Gael Monfils eine berauschende Leistung und dominierte das Spiel in allen Belangen. Der Romand dominierte Roddick sogar beim Aufschlag, der grössten Stärke des Amerikaners.
Mit welchen Hoffnungen steigt Wawrinka ins Duell gegen Federer? An der Medienkonferenz in Melbourne sagte er, "ich fühle mich sicher nicht als Favorit. Die Leute, die behaupten, dass ich im Moment womöglich besser spiele als Federer, die vergessen, dass Federer an Grand-Slam-Turnieren immer präsent ist. Er bestreitet seinen 27. Viertelfinal hintereinander. Und normalerweise spielt er in den letzten Runden an den Majors sein bestes Tennis. Ich mache mir keine Illusionen. Das wird ein äusserst schwieriges Spiel für mich." Er zollt seinem Kumpel also durchaus Respekt, ohne aber zu wissen, dass wenn einer die Schwächen von Roger kennt, er das ist! Und genau das dürfte auch Federer bewusst sein, ausgerechnet sein Landsmann könnte ihm auf dem Weg zum Aussie-Titel im Weg stehen.
Roger Federer freute sich gestern riesig über Stans Effort und meinte im Hinblick au die brisante Partie: "Ich habe seit langem das Gefühl, Stan macht zwei Schritte vorwärts, dann einen zurück und wieder zwei vorwärts und einen zurück. Im Moment gelingt ihm ein nächster Schritt vorwärts. Mittlerweile bekundet er viel weniger Probleme gegen Aussenseiter. Er gewinnt diese Spiele schon fast locker. Und heute weiss er, dass er auch gegen die besten gewinnen kann. Er spielt sich im Moment in jene Liga vor, in der die Leute spielen, die fähig sind, Grand-Slam-Turniere zu gewinnen." Federer ist also gewarnt, gegen Wawrinka, der vor Selbstvertrauen strotzt, darf er sich so dumme Fehler wie in der Schlussphase des zweiten Satzes gegen Robredo nicht leisten.
Speziell ist das Spiel in der Nacht auf morgen Dienstag natürlich auch für alle Schweizer Tennisfans. Wem die Daumen drücken? Auf der einen Seite unser Superstar, auf dem Weg ins Finale gegen Nadal und eventuell auch auf dem Weg zurück zur Nummer 1... Auf der anderen Seite der ruhige Underdog, welcher - trotz privaten Unruhen - derzeit sein bestes Tennis spielt und auch mal gerne ein grosses Turnier gewinnen möchte. Hmmm, ganz ehrlich: zu einem ungeschickteren Zeitpunkt hätte dieses Bruderduell nicht kommen können. Da stehen in Sachen Dramatik sogar die Autoren des RTL-Dschungelcamps hinten an. Darum meine Frage, für wen schlägt in diesem Schweizer Viertelfinale euer Tennisherz: Roger "The King" Federer oder Stan "The Man" Wawrinka? Die entsprechende Umfrage gibts oben rechts im Blog.