Nein, natürlich nicht die Italiener als Volk, ganz bestimmt nicht. Vielmehr bezieht sich dieser Beitragstitel auf die unbelehrbaren Tifosi, welche am vergangenen Wochenende beim Auswärtsspiel ihrer Nati (ohne Z, mit T) in Sofia mal wieder ihre gute Kinderstube zu Hause (im Reich) vergessen haben. Für alle die den handfesten Skandal nicht mitgekriegt haben, hier ein Foto und ein Video welche mehr als tausend Worte sagen:
Mein erster Gedanke war, als ich am Sonntag im französischen Fernsehen den Spielbericht zu Bulgarien vs. Italien gesehen habe "nicht schon wieder". Wie tief will die italienische Fankultur noch sinken? Früher standen italienische Tifosi für feurige Stimmung, bunte Choreografien, Spektakel, Euphorie und viel Spass. Ok, die Gewalt war zwar schon bei unserem Ausflug Mitte der 90er Jahre mit dem FC Aarau ans Meistercupspiel gegen die AC Milan ein Thema. Wir Fans aus der eidgenössischen Provinz wurden von den Carabinieri auf Schritt und Tritt begleitet, zu unserem eigenen Schutz wie sich später herausstellen sollte. Aber eben, die Schlagzeilen der letzten Monaten lassen sich mit dieser Zeit gar nicht mehr vergleichen. Man liest immer wieder von toten Ultras und Polizisten, unzähligen verletzten - unbeteiligten - Fans, es gibt Geisterspiele und ganze Runden werden abgesagt oder verschoben.
Und mit diesen Bildern aus Sofia hat der Skandal um die italienischen Fussballfans in meinen Augen einen neuen, unerfreulichen Höhepunkt erreicht. Der Schritt, dass der italienische Verband nun keine Tickets für Auswärtsspiele mehr an Fans verkaufen will, trifft vermutlich die Falschen. Ist aber immerhin ein erstes Zeichen. Vielleicht sollte man auch einfach mal die ganze italienische Mannschaft vom Wettbewerb ausschliessen um den Straftätern und der tolerierenden Gesellschaft endlich die Augen zu öffnen. Aber seien wir ehrlich, wie sollen diese Fascho-Spinner denn überhaupt kapieren, dass ihr Theater nicht in ein Fussballstadion gehört, wenn es ihnen gewisse Spieler in der Liga ja nicht anders vormachen?
Milan-Goalie Christian Abbiati bewunderte erst kürzlich in einem Interview die "Fähigkeit des Faschismus, den Bürgern Ordnung und Sicherheit zu garantieren". Strafe vom Verein? Fehlanzeige. Warum auch, schliesslich äusserte sich Ministerpräsident Silvio Berlusconi unlängst zum "Fall Di Canio" - der ehemalige Stürmer von Lazio Rom hat vor seinen Fans im Stadion öfter mal mit dem Hitlergruss salutiert - Di Canio sei "ein netter Kerl". Und wenn dann dieser Fussballer in seiner Biografie noch schreibt, dass "zu viele Immigranten nach Italien kommen und sich bei uns benehmen, als wären sie zu Hause. Wenn wir nicht aufpassen, ist Italien in zehn Jahren ein muslimisches Land", ist es (leider) auch keine Überraschung mehr, wenn die Lazio Kurve die gegnerischen Fans mit dem Spruch begrüsst "Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen sind eure Häuser!" begrüsst. Und auch Marco Materazzi hat 2006 mit seinen rassistischen Beleidigungen an die Adresse von Zidanes Familie vermutlich nicht gerade zur Beruhigung der allgemeinen Situation beigetragen.
Natürlich beschränkt sich das Problem der Neofaschisten in Fussballstadien nicht nur auf Italien. In Frankreich gilt Paris Saint-Germain als Hochburg der rechtextremen Fanszene (die Boulogne Boys), und auch aus Spanien (u.a. die "Ultras Sur" aus Madrid), Oesterreich, Polen (Krakau, Posen, Warschau) oder Russland sind regelmässig entsprechende Nachrichten zu lesen oder Bilder zu sehen. Und auch in der Schweiz ist das Problem kein unbekanntes mehr. Im Gegensatz zu Italien gibts bei uns - oder in den meisten anderen erwähnten Ländern - öffentlich keine Duce-Bilder oder - Statuen zu erwerben und ich hab auch noch nie einen Spieler mit dem Hitlergruss durch ein Schweizer Stadion rennen sehen. Und würde es einer wagen, müsste er wohl mit mehr als lediglich 10'000 Euro Busse rechnen. So geschehen im Fall Di Canio.
Nachtrag: Auch bei der CL-Begegnung zwischen Atletico Madrid und Olympique de Marseille ist es zu rassistisch motivierten Zwischenfällen gekommen. Von Seiten der Spanier gab es "Sieg Heil" und "Puta de Negra"-Rufe. Die Sache ist eskaliert und wie inzwischen bekannt wurde ist der Capo der OM-Ultras (bekennende Antifaschisten!) immer noch in Gewahrsam der spanischen Guardia Civil.