Heute vor genau 110 Jahren wurde in der Schweiz das legendäre "Goldvreneli" in Umlauf gebracht. Für alle Nicht-Eidgenossen: das Goldvreneli ist die wohl berühmteste Schweizer Goldmünze. So berühmt, dass ich behaupte, dass in jedem Haushalt in diesem unserem Land mindestens eine solche Münze beherbergt ist. Mindestens! Der Name Vreneli ist im übrigens schweizerdeutsch und die Verkleinerungsform des Namens Verena. Und das obwohl die Frau auf der Münze gar nicht den Namen Verena trägt. Aber dazu später.
Das Goldvreneli geniesst in der Schweiz einen ganz besonderen Stellenwert. Es wird - immer weniger leider - als Preis bei sportlichen Wettkämpfen, als Götti-Batzen (Patengeschenk) zur Geburt, vom Chef als Anerkennung oder zur Konfirmation verschenkt. So kommt es, dass Millionen von diesen Münzen in Schweizer Haushalten verteilt sind, meist ohne dass ihre Besitzer wirklich wissen, wo dass die Vrenelis genau versteckt sind. Vom Estrich, über den Keller bis hin zur Matratze, der geheimen Schublade im alten Schreibtisch oder dem sicheren Banksafe ist alles möglich. Vorallem bei älteren Schweizerinnen und Schweizern geht man davon aus, dass noch irgendwo "totes Kapital" in Millionenhöhe versteckt ist.
Wie immer wenn die Schweiz etwas Neues plant, dauert es eine Weile, bis diese Neuerung dann auch in Kraft tritt. Das war auch im Jahre 1897 nicht anders. Vor der Einführung des Goldvrenelis vor 100 Jahren hätten die Diskussionen nicht grösser sein können. Der Bundesrat liess über das Eidgenössische Finanzdepartement verlauten, "das neue Münzbild soll durch ein schweizerisches, nationales Motiv und durch die historisch-symbolische Darstellung der Schweiz die Helvetia zum allgemein verständlichen Ausdrucke bringen." Die Landesregierung setzte eine Jury ein, die 21 Entwürfe von Künstlern zu bewerten hatte. Jurymitglied war unter anderem auch der berühmte Maler Albert Anker. Nach langen, schier endlosen Diskussionen entschied sich die Jury für den Vorschlag des Neuenburger Künstlers Fritz Landry. Er schlug vor, die junge Schweizer Landesmutter "Helvetia", zusammen mit einer Bergkette, auf der Goldmünze zu verewigen.
Gesagt, getan.. denkste. So einfach war das aber schon damals nicht. Zahlreiche Räte, Politiker und Experten übten bereits vor der Produktion harsche Kritik. Die Berge im Hintergrund seien zu hoch, die abgebildete Frau - über deren wahre Identität man sich bis heute nicht endgültig
einig ist - sei zu jung für eine Landesmutter und ein Bundesrat befand "die Stirnlocke gebe dem Frauenzimmer ein frivoles Aussehen". Und überhaupt, "besser wäre unser Land durch Wilhelm Tell oder durch die Mannen vom Rütli dargestellt worden," befand der Magistrat. Die Stirnlocke wurde bei der Prägung schliesslich weggelassen. Das "Frauenzimmer" blieb und es erfreute sich bei der Schweizer Bevölkerung gleich grosser Beliebtheit.
Wie die Goldmünze zu ihrem Namen Vreneli kam, ist nicht bekannt. Fakt ist, erst kurz vor dem zweiten Weltkrieg war plötzlich von diesem Vreneli die Rede. Es wird vermutet, dass die nahenden Kriegswirren bei der Bevölkerung eine Art Heimatverbundenheit ausgelöst hatten und dabei aus "der" Helvetia "das" Vreneli wurde. Im Rahmen der Weltwirtschaftskrise und nicht zuletzt durch den 2. Weltkrieg verloren die Währungen in Europa an Wert, Gold dagegen stieg im Preis. So kam es, dass das 20 Franken Goldvreneli plötzlich 28 Franken wert hatte und - verständlicherweise - ziemlich schnell aus dem öffentlichen Zahlungsverkehr verschwand. Jeder der eines hatte, hortete es zu Hause im Schrank.
Nach dem Krieg wurden die Schweizer Vrenelis aus Gold aus russischen und deutschen Beständen (laut der BBC aus
"Nazigold") hergestellt. 1949 wurde die Produktion des 20er Goldvrenelis eingestellt, bis dahin wurden knapp 58 Millionen Münzen hergestellt und unters Volk gebracht. In den Gold-Blütezeiten erreichten die Vrenelis einen Wert von bis zu 300 Franken. Seit dem Zusammenbruch des Goldpreises vor ca. 20 Jahren haben die Münzen allerdings beinahe nur noch einen emotionalen Wert. Inzwischen werden von Münzsammlern noch zwischen 70 und 100 Franken pro Stück geboten, je nach Jahrgang und Zustand der Goldmünze. Am Bankschalter kosten sie, abhängig vom Goldpreis, ebenfalls um die 100 Franken.
Aber eben, das spielt irgendwie alles keine Rolle. Wie jeder Schweizer habe auch ich meine Vreneli an einem sicheren Ort aufbewahrt und zu jedem der kleinen, goldigen Münzen mit dem hübschen Mädchengesicht auf der Front eine schöne Geschichte aus meinem Leben im Kopf. Die ich aber an dieser Stelle gerne für mich behalte... Happy Birthday, Goldvreneli!