Vor wenigen Minuten ging in Hollywood die 79ste Oscar-Verleihung zu Ende. Ja, ich geb es auch zu, ich mag dieses Tamtam von ganzem Herzen und Jahr für Jahr schaue ich, dass ich am Morgen danach nicht gleich in aller Früh einen ersten Termin habe. Damit es wenigstens noch für zwei, drei Stunden Schlaf reicht.
Diese Nacht hat sich das wach bleiben denn auch richtig gelohnt. Die Oscars waren zum ersten Mal so richtig international. Für einmal hat sich nicht nur die amerikanischer Filmindustrie selber gefeiert, nein, in den wichtigsten Kategorien mischten sich auch Nominierte aus anderen Ländern ein. Am besten vertreten dabei England!
So holte sich dann auch die Britin Helen Mirren das goldige Männchen in der Kategorie "beste weibliche Hauptdarstellerin". Für ihre Rolle im Film "The Queen", der übrigens in Aarau nicht einmal in den grossen Kinos gelaufen ist. Schwach! Im Alternativ-Kino "Freier Film" war er ein paar Tage zu sehen... Auch Deutschland durfte sich über den dritten Oscar seiner Filmgeschichte freuen, "Das Leben der anderen" gewann die Kategorie "Bester fremdsprachiger Film". Grosser Abräumer des Abends war "The Departed" vom Regie-Legende Martin Scorsese mit Leonardo Di Caprio, Jack Nicholson und anderen Weltstars. Ein Actionfilm, der aber im Original vor einigen Jahren schon mal in Asien gedreht worden. Aber wie sangen schon die Prinzen "es ist alles nur geklaut".
Die Überraschung des Abends gelang "Little Miss Sunshine". Ein kleiner aber feiner Film über eine Familie, deren pummelige Tochter an einem Talentwettbewerb teilnehmen will. Da der Familie das Geld für die Reise zu diesem Contest fehlt, kauft man sich kurzerhand einen VW-Bus und fährt los zu einem Trip quer durch Amerika. In der Schweiz konnte dieser Film bislang noch nicht für grosse Schlagzeilen sorgen, ich bin gespannt, ob ich der Oscar zu etwas Aufsehen verhelfen kann. Denn es gibt nämlich noch andere Komödien als 7 Zwerge und Co. Gut gemachte und intelligente Komödien.
Beeindruckend war der Auftritt des ehemaligen Vize-Präsidenten Al Gore. Er und sein Team durften in der Kategorie "Bester Dokumentarfilm" den Oscar empfangen. Ausgezeichnet wurde der Streifen "Eine unbequeme Wahrheit» (An Inconvenient Truth)". Der Film zeigt die Folgen des Klimawandels auf und macht - nicht zuletzt - die USA dafür mitverantwortlich. Mutig, dass der Film trotzdem einen Preis bekam. Unter Standing Ovations rief Gore die 1 Milliarde Menschen vor den TV Geräten noch einmal zum Umdenken auf. Während George Clooney leise bemerkrte, dass es schade sei, dass Gore nicht doch noch Präsident werden wolle. Quasi als erster Grüner!
Das Taschentuch war dann beim Auftritt von Ennio Morricone gefragt. Der Komponist bekam im Alter von fast 80 Jahren seinen aller ersten Oscar von Weggefährte Clint Eastwood überreicht. Und das, obwohl er schon x-mal nominiert war. Kein Wunder, wer die Musik zu Filmen wie "Spiel mir das Lied vom Tod", "Die Unbestechlichen", "Es war einmal in Amerika", "The Mission", "Kill Bill" und ca. 300 anderen Streifen gemacht hat, der hat eine goldene Statue mehr als verdient. Entsprechend gerührt war der kleine Italiener dann auch. Er vergass sogar seine englisch Kenntnisse, sodass Eastwood die rührende Dankesrede übersetzen musste. Und, man möge mir glauben, es geht einem sehr nahe, wenn so ein alter Mann endlich für seine Arbeit belohnt wird und dann seiner Frau Maria dankt und dabei zu weinen beginnt.
Durch den Abend geführt hat übrigens Ellen DeGeneres geführt. Auch das verdient ein "Wow" im konservativen Amerika, die Schauspielerin bekennt sich seit Jahren zu ihrer Homosexualität. DeGeneres war übrigens total unterhaltsam. So kniete sie sich neben Clint Eastwood und fragte ob sie für ihre Homepage ein Foto mit ihm haben dürfe. Sie packte ihre Kamera hervor und suchte einen geeigneten Fotografen. Niemand geringers als Steven Spielberg hat sich gemeldet und geknipst. Der Kommentar der Moderatorin, sei sei nicht sicher ob Herr Spielberg wisse, wie man eine Kamera bediene und prompt wies sie das erste Foto als ungenügend zurück.
Musikalisch wurde die "grösste TV Show der Welt" unter anderem von Celine Dion und Beyonce umrahmt. Live versteht sich. Was wieder mal aufgezeigt hat, dass all die "Musicstars"- und "DSDS"-Sternchen noch viel lernen müssen, was gute Live-Autritte angeht. Alles in allem eine solide, sehr unterhaltsame, gut gemachte Show mit einer tollen Dramaturgie. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr!
PS: Das tollste Outfit (rein subjektiv, aber auch nicht unwichtig bei so nem Abend) hatten Cameron Diaz und Kate Winslet.
PS2: Wer sich übrigens am heutigen Oscar-Tag etwas Gutes tun möchte, der soll sich doch "Novecento - Die Legende vom Ozeanpianisten" von Giuseppe Tornatore mit der Musik von Ennio Morricone ausleihen. Einer meiner absoluten Lieblingsfilme, wobei auch hier gilt: Taschentücher nicht vergessen.