29. November 2010

Nun, was soll ich sagen? Ist jetzt halt so.

"Die Abstimmung zeigt, dass sich eine, wenn auch knappe, Mehrheit der Schweizer zunehmend von den Werten abwendet, die einst selbstverständlich für Europa galten: gleiche Rechte für alle, Toleranz und Respekt. Nun gilt: Rechte nur für die eigenen Bürger, Misstrauen und Nulltoleranz gegen andere. Offensichtlich bröckelt die Grundlage des Zusammenlebens in Europa. Die einst lebendigen Werte sind zu Gesetzen, Konventionen und Institutionen versteinert, hinter denen sich oft ideenlose Politiker verschanzen. Immer mehr Bürger wenden sich von dieser erstarrten Demokratie ab – mit verhängnisvollen Konsequenzen. In der Schweiz geht es nur schneller als anderswo." Neues Deutschland 29.11.2010

Nun, was gibts noch zu sagen? Nicht mehr viel, ist nun halt so, denn so läuft direkte Demokratie. Im Vorfeld der gestrigen Abstimmung habe ich meine Meinung ja öffentlich kundgetan. Entsprechend bin ich seit gestern Nachmittag ein "Verlierer". Das Ergebnis war knapp, aber ich habe es zu akzeptieren. Klar war ich im ersten Moment auch wütend, klar bin ich auch gespannt und nicht gerade optimistisch wie das alles jetzt umgesetzt werden soll. Ebenso klar bleibe ich bei meiner Meinung, dass die Initiative zu weit geht und den Stimmbürgern die Katze im Sack verkauft wurde. Aber eben, die SVP konnte die Wählerschaft überzeugen und geht als Siegerin des Abstimmungssonntag hervor. C'est la vie. Dass es deswegen in Lausanne, Bern und Zürich zu Ausschreitungen kommen musste, das versteh ich nicht wirklich. Ich habe meinen Frust in Gesprächen abgebaut. Und zwar quasi ausnahmslos mit Menschen, die anders gestimmt haben als ich. Und siehe da, es geht auch friedlich, auch wenn mir irgendwelche rechtsorientieren Twitter-Nerds inzwischen ihre "Freundschaft" gekündigt haben, aufgrund meiner politischen Einstellung. Leute, von wegen Demokratie - mal darüber nachdenken. Womit ich dann vermutlich auch schon bald am Ende des heutigen Beitrags wäre, mehr Kommunikation im Vorfeld der Abstimmung wäre vielleicht hilfreich gewesen. Aber nicht einmal die SP war sie ja einig, wie man den nun stimmen sollte. Geschweige denn von der "bürgerlichen Mitte", auch von da kamen keine klaren Informationen. So gesehen kein Wunder konnte die SVP einmal mehr punkten. 

Wie wir im Ausland da stehen, spielt mir inzwischen keine Rolle mehr. Sollen die denken was sie wollen, seit der Minarettgeschichte hat sich da wohl eh nicht mehr viel verändert. Wichtig ist mir vielmehr nun die Kommunikation innerhalb der Schweiz. Mit wie vielen Ausländern haben wir Tag für Tag zu tun. Der freundliche Türke am Kebabstad, der lustige Italiener beim Coiffeur, der fleissige Tamile im Einkaufszentrum, der Kurde mit den fairen Taxipreisen, der Stürmer aus Afrika, die Putzfrau aus Bosnien, die Krankenschwester aus Polen... die Liste liesse sich schier unendlich verlängern. Ich denke, für genau diese Leute sind die kommenden Tage nicht einfach. Sie werden verunsichert sein, wem kann ich trauen? Was darf ich mir erlauben? Wer hat "gegen mich" gestimmt und lacht mich nun freundlich an? Was hab ich falsch gemacht bisher? Und so weiter... Immerhin sind nicht alle Straftäter Ausländer und nicht alle Ausländer sind Straftäter. Es gibt genau so viele Schweizer die mich an den Darmausgang erinnern und straffällig werden. Aber eben, darum gehts jetzt gar nicht mehr. Es sollen die Menschen bestraft werden, die sich rechtswidrig verhalten haben. Und wenn man die Menschen nun halt von Gesetztes wegen nach Herkunft berteilen muss, dann soll das in einem möglichst fairen und anständigen Rahmen geschehen. Nicht so wie der rothaarige Herr Schlüer gestern Abend in der DRS1-Sendung "Echo der Zeit" erzählte, dass sich künftig auch Kioskdiebe warm anziehen müssten. Der Konter kam lustigerweise vom Walliser Parteikollegen Oskar Freysinger, der meinte, man könnte ja nicht jeden der einen Kaugummi klaut oder eine Scheibe einschlägt gleich ausweisen...


Zwei Fragen bleiben mir noch: warum haben die Romands wiederum anders gestimmt als die Deutschschweiz, gerade Lausanne und Genf sind ja ziemlich multikulti? Und warum lehnen städtische Regionen die Initiative ab, während ländlichen Gegenden ja gesagt haben - in der Stadt wohnen doch mehr "böse böse Ausländer" als auf dem Land? Evententuell finde ich die Antworten darauf ja in den kommenden Monaten, wenn es darum geht, das Gesetz in die Praxis umzusetzen. Und nun wünsche ich allerseits einen schönen Tag, immerhin ist trotz allem heute Montag... 


PS: Genau so wenig wie alle Ausländer Kriminelle sind, sind alle Ja-Sager Nazis oder alle Nein-Wähler linke 1. Mai-Chaoten... nur mal so erwähnt im Bezug auf die Berichterstattung in den Medien in Sachen Schubladendenken.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen ausgewogenen Post - habe ihn gerne gelesen.

Zwei Bemerkungen:
1.) Die Uneinigkeit der SP oder aber der Mitte-Parteien spielte für die Annahme der Initiative keine Rolle - es gab keine Uneinigkeit in Bezug auf die Frage, ob die Initiative angenommen werden sollte. Nein, sollte sie nicht.
2.) Nicht alle Ja-Sager sind Nazis, heißt es im P.S. I beg to differ. Damit meine ich nicht, dass wer Ja stimmt, Sympathien mit Hitler hätte oder den Holocaust verherrlichen würde - aber es gilt festzuhalten: Wer ja stimmt, ist damit einverstanden, dass Menschen aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert werden. Das ist die Definition von Rassismus und ist die Wurzel des Nationalsozialismus. Ich finde, langsam muss man aufhören so zu tun, als könnte man bezüglich solcher Fragen verschiedene Meinungen haben.

amade.ch hat gesagt…

ich schliesse mich philippe weitgehend an, was die annahme der initiative betrifft. langsam frage ich mich schon, ob die initiativen nicht auch irgendwie auf solche dinge geprüft werden sollten. die systematische benachteiligung von minderheiten kann doch nicht das ziel unserer demokratie sein. momentan steuern wir aber genau in diese richtung. (diskussion dazu auch auf meinem blog...)

martin hat gesagt…

mit einem "ja" zum gegenvorschlag hätte man das kleinere übel gehabt, das war taktisch schlecht gelöst von der SP.
zu überbewerten darf man dieses resultat nicht. bei der umsetzung wird es noch einiges zu diskutieren und ändern geben. und wenn man unsere aüsländerpolitik mit der von dänemark vergleicht, haben hier mindestens alle die chance in die schweiz zu kommen, wenn es sich um familienzusammenführung handelt.
in dänemark gilt: "Familienzusammenführung wird nicht mehr möglich sein, wenn man weder Ausbildung noch Job oder Sprachkenntnisse hat." in die schweiz darf kommen, wer will, er darf nur nichts gesetzeswidriges machen. wo liegt das problem?

Annubis hat gesagt…

auch wenn mir irgendwelche rechtsorientieren Twitter-Nerds inzwischen ihre "Freundschaft" gekündigt haben *ggg* ja woher kenn ich das bloss - nur wars bei mir andersrum - bei mir haben solche linksverdrehte gutmenschen die twitterfreundschaft gekündigt (hab über 20 twitterfollower verloren)

aber so geht das halt seit einer weile - wer nicht mit andersartige meinung auskommt - auf solche leute verzichte ich gerne.

ich habe lieber leute mit denen ich streiten kann ohne persönlich oder verletzend zu sein.

übrigens ich kenne viele ausländer die für ein JA waren. weisst du warum - sie haben es satt wenn sie einen schlechten ruf bekommen weil andere ausländer sich daneben benehmen. und sie sehen es so wie ich - es gibt überall auf der welt dieses gesetz. selbst im heiligen jungfräulichen deutschland - oder in staaten wie kanada, usa, australien neuseeland- wer scheiss baut fliegt. warum soll das hier in der schweiz daneben sein?

heute hab ich viel gehört was ich zu tiefst verstörend fand. aber anscheinend ist das morden, vergewaltigen für gewisse linke ein menschenrecht