30. August 2010

Nachtexpress, Schreckmümpfeli und Co.

Den gestrigen Sonntag hab ich für eine Reise in die Vergangenheit genutzt. Das lag das daran, dass der Tag eher traurig begonnen hat: mit Ueli Beck ist DIE Schweizer Radiostimme für immer verstummt! Seit meiner Kindheit stand sein Name und seine Stimme für mich für den Begriff Radio. Als kleiner Knopf durfte ich im Bett am Freitagabend oft den "Nachtexpress" zum Einschlafen hören, so hat mich der Herr Beck also des öfteren in den Schlaf geplaudert. Seine sonore und sehr sympathische Stimme hat das jeweils gut hingekriegt - und das meine ich jetzt als Kompliment. Denn zum eher blutlosen Gequatsche von Sven Epiney oder Reto Scherrer könnt ich nie im Leben einschlafen, müsste vermutlich ein Ritalin einschmeissen... Aber zurück zu Beck, später dann erlangte Ueli Beck Kultstatus als Sprecher der Maloney-Hörspiele auf DRS1 - wo er mich früher in den Schlaf geplaudert hat, sorgte er so für ein angenehmes Aufstehen am Sonntagmorgen. Nicht zuletzt war er schliesslich auch "mitschuldig", dass es mich Mitte der 90er Jahre zum Radio verschlagen hat, mit dem Ziel die Menschen auch mal beim Aufstehen oder Einschlafen zu unterstützten. In diesem Sinne, an dieser Stelle: Danke und mein Beileid an die Trauerfamilie, viel Kraft in dieser schweren Zeit. 


Hmmm, unterm Strich war es dann die Nachricht vom Tod von Ueli Beck - ich habe ihn übrigens einmal an einem Radiokurs kennen lernen dürfen und sein Sohn Dani hat mir von ihm ein persönliches Autogramm zukommen lassen - welche den Anlass für meinen gestrigen, "ohralen" Ausflug in die Vergangenheit gegeben hat. Zumindest musikalisch. Dazu kam, dass ich so oder so noch etwas Musik für einen 40sten Geburtstag zusammenstellen durfte, also nahm ich die gaaaaaanz alten Sachen aus dem Keller. Naja, früher war es der Keller - heute ist es eine Terra-Harddisc. So kamen mir dann Hits aus den 70er und 80er Jahren in den Sinn, gehört auf DRS 1. Zum Beispiel im "Nachtexpress" oder "Bestseller auf dem Plattenteller" oder "Die Radio-Musik-Box" mit dem ehemaligen Bob-Olympiasieger Edy Hubacher als Co-Moderator. Und wenn wir schon bei den grossen Namen sind: Elisabeth Schnell, Max Rüeger, Heiner Gautschy, Hans Gmür, WAM oder Gody Baumberger. Ihre Stimmen klingen bis heute in meinen Ohren nach. Damals waren die Radiostudios noch keine Fliessband-Produktionsstätten für ehemalige Miss Schweiz Kandidatinnen oder austauschbare Plaudertaschen. Nun, egal... jedenfalls kamen mir gestern nationale Musikperlen zu Ohren, welche in mir ein Gefühl von "der guten alten Zeit" aufkommen liessen. Obwohl ich selber genau weiss, dass eben diese "gute alte Zeit" auch ihre Ecken und Kanten hatte - aber irgendwie war sie unschuldiger als die heutige.

Ein paar Beispiele gefällig? Da wäre zum Beispiel der Liedermacher Dieter Wiesmann, welcher mit seinem Lied "Bloss e chini Stadt" eine Ode an die Schweizer Provinz geschaffen hat. Geschrieben übrigens für Schaffhausen, aber seien wir ehrlich - der Text passt auch perfekt zu Aarau. Oder Zarli Carigiet, der Bündner in der Grossstadt Downtown Switzerland: "Mis Dach isch de Himmel vo Züri", eine Hymne auf die Clochare der Limmatstadt. Ruedi Walter, in der kleinen Niederdorf Oper? Noch bekannt, oder... "De Heiri hät es Chalb verchauft". Oder Walter Roderer mit seinem "Purzel", dem saudiarabischen Schlittenhund. Mani Matter, Werner Widmer, Franz Hohler.... Ja klar, das mag für manche langweilige, uralte und vorallem bünzlige Volksmusik sein. Okay, ich hab auch meine Zeit gebraucht um solche Lieder wirklich zu akzeptieren, vorallem zur Jugendzeit war es äusserst uncool so etwas gut zu finden. Aber eben, inzwischen kümmert man sich nicht mehr wirklich darum was die Leute reden und in Zeiten von Musicstars, Popstars, Kochstars und Co. besinnt man sich in speziellen Momenten auch gerne auf bewährte Musikanten. Und seien wir ehrlich, der Begriff "Volksmusik" erklärt sich diesbezüglich ja eigentlich von selber. Musik vom und fürs Volk, die man vielleicht eben in Momenten der Trauer, des Gedenkens, aber auch auch des Glücks ("Alperose", "Bring en hei") gerne mal wieder aus dem Archiv holt. Für mich sind es genau solch musikalische Perlen, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, die mir im Radioprogramm 2010 fehlen und dafür gesorgt haben, dass ich mir meinen täglichen Klangteppich seit einiger Zeit lieber selber zusammenstelle. Ganz ohne Werbung, Wettbewerbe und Plauderquatsch. Okay, nicht dass ich jetzt den Zarli Carigiet regelmässig im Tagesprogramm bräuchte, aber wenn ich aussuchen könnte zwischen dem neunten Mal Hot Rotation "Alejandro"  von Lady Gaga und einmal... hmmmmm, sagen wir "Visitors never come alone" von Blue China (Schweizer Band aus den frühen 80er Jahren), dann würde ich mich definitiv für Auswahl B entscheiden.

Im heutigen Blogtitel ist auch das Schreckmümpfeli erwähnt. Kennt das noch jemand? Am 5. November 1975 zu sehr später Nachtstunde kam es erstmals über den Landessender Beromünster in die helvetischen Stuben und Schlafzimmer. Bald lockte es Woche für Woche, Jahr für Jahr, eine stetig wachsende Fan-Gemeinde vor die Radioapparate. Als das Schreckmümpfeli 1989 aus dem Äther verschwand, war es längst zur Kultsendung geworden. Am 4. November 2002 feierte das Schreckmümpfeli sein Radio-Comeback. Und ja, es hat mich früher als Kind jeweils mächtig geschaudert als die Erkennungsmelodie das Minihörspiel eingeleitet hat. Rund 7 Minuten gruseln waren dann garantiert - und so mancher Albtraum im Anschluss ebenso. In dieserm Sinne, einen schrecklich schönen Wochenstart allerseits!

Dank an Andi Jacomet.

2 Kommentare:

Andi hat gesagt…

Du sprichst mir aus der Seele - sehr schön auf den Punkt gebracht! Ein paar nette O-Töne von damals gibts hier. Und dein Beitrag ist eine gute Motivation, endlich wieder mal das giftgrüne AGFA-Tape aus dem Keller zu holen, auf dem das seltsame Gemisch aus "Mis Dach isch dr Himmel vo Züri", Otto Waalkes, Mani Matter und Beatles drauf ist, das mich als Kind so fasziniert hat.

Anonym hat gesagt…

toller text und tolle musikbeispiele, danke