5. September 2007

Der verbal ausgerutschte Fan

Am Wochenende bin ich nach dem Spiel zwischen FC Aarau und dem FC Zürich in die Kneipe neben dem Stadion eingekehrt und hab mir noch gemütlich ein Glas Rotwein gegönnt. Im Laufe des Abends setzte sich dann ein Mann zu uns an den Tisch. Wie sein T-Shirt unschwer erahnen liess, war er Sympathisant des FC Aarau, verbrachte aber den bisherigen Abend mit seinen Freunden aus Downtown Zürich.

Das Gespräch kam umgehend auf Fussball und es tauchte die Frage auf, warum sich gewisse Fussballfans teilweise "so primitiv" artikulieren. Es entwickelte sich eine intensive, spannende und abwechslungsreiche Debatte. Auf friedlicher Basis versteht sich, was in der heutigen Zeit unter Fussballfans nicht mehr so selbstverständlich ist. Leider.

Nun gut. Der Mann sagte mir, dass er sich geschämt hätte ein FC Aarau-Fan zu sein. Begründet hat er diese Aussage damit, dass während und nach dem Spiel von Gastgeberseite her immer wieder "Besiktas Besiktas"-Rufe durchs Stadion hallten. Hintergrund: Der FC Zürich ist letzte Woche sang- und klanglos aus der Championsleague-Qualifikation ausgeschieden, der Gegner hiess Besiktas Istanbul. Er hätte diese Sprüche also total deplatziert und äusserst primitiv gefunden. Und er habe sich gegenüber seinen zahlreichen Freunden aus Zürich dann auch für das Aarauer Publikum entschuldigt. Ok, zugegeben, die pro-türkischen Gesänge waren vermutlich als kleine Neckerei an die Adresse des FCZ gedacht, mir sind sie allerdings nicht spezielle negativ aufgefallen und eingefahren.

Das mag einerseits daran liegen, dass ich finde dass der FC Zürich letzte Woche auf Grund seiner Leistung in Istanbul verdient ausgeschieden ist. Andererseits liegt es aber vermutlich vielmehr daran, dass die Fangesänge aus dem Zürcher Block meiner Meinung nach aus einer viel tieferen Schublade geholt wurden. Beispiele gefällig? "Hurensöhne FCA!" oder "Eure Mutter fickt an der Langstrasse für Geld" (frei zusammen gefasst) oder "Ihr seid Scheisse wie der FCB". Ich habe den Mann auf diese Sprüche seiner Kollegen angesprochen, er meinte er hätte den Z-Fans gar nicht zugehört und lenkte dann das Gespräch gleich wieder auf die Besiktas-Rufe.

Wir haben uns schlussendlich fast 2 Stunden über dieses und andere Themen unterhalten. Der Mann war gut 10 Jahre älter als ich, unsere Ansichten entsprechend immer mal wieder verschieden. Auf einen gemeinsamen Nenner kamen wir nicht. Ich fand die Besiktas-Rufe nicht speziell beleidigend, er sprach von "verbaler Körperverletzung". Ich stufte die Sprüche der Zürcher-Fans als "unter aller Sau" ein, er sagte er hätte sie nicht genau verstanden. Nun gut, spannende Gespräche können durchaus damit enden, dass die beiden Parteien auch am Schluss nicht die gleiche Meinung haben. Und das ist auch gut so!

Wir haben dann den Rotwein bezahlt und wollten gerade gehen, als der Mann noch sagte, es sei ihm eben wichtig, dass das allgemeine Fussballpublikum eine gute Meinung über Fussballfans hätte. Darum müsste man sich als Fan halt manchmal überlegen, was man da so auf den Platz rufe. Verbale Ausrutscher würden da schwer ins Gewicht fallen.

Beim Verlassen des Lokals lief im Fernsehen Fussball, eine Aufzeichnung des Spiels GC gegen Xamax. Man sah dass der Neuenburger Torwart von einem Gegenstand getroffen wurde, der aus dem GC-Sektor geflogen kam. Kommentar meines friedliebenden und voraus denkenden Gesprächspartners von vorhin:

"Haha, recht so. Ja der Zubi wurde getroffen, so geil. Schade dass er nicht gleich KO gegangen ist. Diese Drecksau. Und dann mindestens 4 Monate verletzt, das wünsche ich diesem Arschloch Zubi!"

Ich hab danach nichts mehr gesagt und hab mich auf den Heimweg gemacht. Die Diskussion wäre wohl endlos geworden....

Fotos: efzezet.ch

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja,ja so ist das heutzutage in den Stadien. Bin selbst Dauerkartenbesitzer bei Bayer 04 Leverkusen. Deine Geschichte deckt sich mit so einigem, was man aus einigen Ecken der sogenannten Fans hört. Völlig normal ist z.B. der Ausruf:" Arschloch, Wichser, Hurensohn...etc." bei jedem Erdabstoß gegen den gegnerischen Torwart! Da machts so richtig Spaß seine Kinder mit ins Stadion zu nehmen!!!

Monsieur Fischer hat gesagt…

@ muyomania: ich selber bin an sich kein sensibelchen im stadion selber. jedoch amüsiere ich mich darüber, wenn sich leute über das verhalten der fans nerven und man sie dann dann ertappt, wie sie selber ausrufen wie ein wald voller affen.... das fussballstadion soll eine art ventil sein, bis zu einem gewissen masse. man(n) muss einfach seine grenzen kennen!

Anonym hat gesagt…

D'accord!

Goggi hat gesagt…

Mein Kleiner Bub ist sechs und der darf genau 90 Minuten lang "Geil", "Tammi", "Siech" und sogar "Scheisse" rufen. Ich sage ihm dann "Renato", sage ich, "am Match darf man das, nachher nicht mehr."
Das Fussballspiel ist nicht frei von Emotionen und ich erlebe sowohl fischer als auch mich, in unseren hohen Alter auch mal dem Linienrichter Alain nachjagen. Begleitet von Ausdrücken, die Renato nur in den 90 Minuten sagen darf.
Aber dort gehören sie irgendwie hin. Ich kann selbst beim allerklarsten Offside nicht ruhig dastehen und nüchtern mit dem Kopf nicken, jaja das war jetzt Offside. Emotionen gehören zum Spielbetrieb.

Übrigens fand ich "Champions League Versager schalla-la-la-la" auch noch witzig...