16. Juli 2016

And the Oscar goes to... Erdogan!

Je mehr ich über die Gewaltnacht in der Türkei lese, umso mehr zweifle ich am Ausdruck Putschversuch und sehe alles vielmehr als eine grosse Show von Erdogan. Eine Show, die leider über 250 Menschenleben gefordert hat. 


Die Putschisten haben sich über den ganzen Abend äusserst dilettantisch verhalten. Ein "Rat für den Frieden im Land" habe die Macht übernommen, hiess es zu Beginn. Mit einer Handvoll Panzern und ein paar Flugzeugen. Diese bombardierten zwar den Präsidentenpalast, jedoch ohne grössere Schäden anzurichten und im Wissen, dass Erdogan gar nicht da ist. Dieser fliegt während der ganzen Kiste seelenruhig mir seinem Privatjet übers Land (siehe Flightradar24-Screenshot), die Rebellen waren zwar angeblich im Besitz der gesamten Luftwaffe, trotzdem kam niemand auf die Idee die Präsidentenmaschine abzuschiessen oder zumindest zur Landung zu zwingen. Nein, im Gegenteil: Zum Schluss konnte Erdogan sogar seelenruhig auf dem Flughafen Atatürk in Istanbul landen, sich seinen jubelnden Anhängern zeigen und ein Bad in der Menge nehmen. An dem Ort, wo kurz zuvor noch F16 knapp über dem Boden für Angst und Schrecken unter der Bevölkerung gesorgt hatten und die, angeblich meuternde, Armee mit Schüssen ihre Präsenz markiert hatte. Kaum war Erdogan da, alles ruhig und der Spuk beendet - so als hätte jemand einen Knopf gedrückt.
 

Angefangen hatte der "Putsch" mit der medienwirksamen Besetzung zweier Brücken in Istanbul durch das Militär. Wozu? Man weiss es nicht. Danach hat man den staatlichen TV Sender TRT in Beschlag genommen, die restlichen Sender liefen aber meist ungehindert weiter. Und genau auf einem dieser Sender (CNN Türk) tauchte dann auf einmal Erdogan auf und gab ein Interview über Facetime, gleichzeitig informierten hohe Regierungsmitglieder das Volk über die sozialen Medien über das weitere Vorgehen und forderten sie zum Protest gegen die Putschisten auf - mit Erfolg. Über Facebook, Twiter und auf der Strasse zeigten Tausende ihre Solidarität mit dem Erdogan-Regime! A propos Medien: Das Internet wurde letzte Nacht weder vom Team Erdogan, noch von den Revoluzzern abgestellt, Radiostationen (sonst ein sehr beliebtes Ziel bei einem Putsch!) durften weiter senden, es gab gerade mal ein Statement der Aufständischen und das rein zufällig über den Staatssender. Witzigerweise erst nachdem Erdogan bekanntgegeben hatte, dass ein Putsch gegen ihn im Gang sei und er diesen niederschlagen würde... Dieses Statement der Putschisten wurde dann in TV nur von einer Moderatorin verlesen, war sehr schwammig und ohne eine Kernaussage. Weitere Aufälligkeit, Facebook war quasi immer online und auf der Seite von Erdogan, bei Twitter sah es etwas anders aus, da gab es vereinzelte kritische Stimmen. Aber auf beiden Kanälen null Aktivitäten der Putschisten. Kurz, in Sachen Medien konnte Erdogan - während einem Putsch GEGEN ihn - voll und ganz punkten. Kommt dazu, bei allen Auftritten Erdogans wirkte dieser wirkt extrem ruhig  und nicht so wie einer, der gerade seine ganze Macht verloren hat. 

Zurück blieben am Schluss verstörte, junge Soldaten, welche nicht wussten, wie ihnen geschah. Denn von der Armeespitze war komischerweise ja niemand am Putsch beteiligt, es waren nur "Bauernopfer" im Einsatz, welche als Statisten den Befehlen folgten. Kein Wunder schwenkten die Soldaten auf einmal auch Türkei- und Erdoganflaggen und gaben teilweise ihre Waffen freiwillig ab. Ihnen hatte man wohl einen anderen Auftrag gegeben, als den, welchen wir nun glauben sollen. Reden darüber können sie nicht, fast 2000 junge Soldaten wurden verhaftet und werden so schnell nicht mehr an die Öffentlichkeit gelangen. 

Und der Westen? Die EU und die USS begrüssen die Rückkehr zur Normalität, verweisen darauf, dass die Regierung verfassungsmässig gewählt sei und stellen sich so noch hinter Erdogan. Mal ehrlich, was gibt es besseres für einen Staatspräsidenten (der ja laut der Verfassung eigentlich nur repräsentativen Aufgaben hat!), als einen solch dilettantischen Sturzversuch der Armee, welcher der ach so tapfere und mutige Präsident quasi im Alleingang entschlossen niedergeschlagen hat und nun darum genügend Argumente hat, die ganze Macht auf sich allein zu vereinen, damit er sein Volk künftig noch besser beschützen kann und so etwas nicht wieder passieren kann... Ein Witz und die Dummen fallen darauf rein. Man braucht keinen Aluhut zu tragen oder Verschwörungstheoretiker zu sein, um zu merken, dass das ganze Schauspiel eine Farce war. Bleibt bloss zu hoffen, dass ein westlicher Politiker mutig genug ist zu sagen was Sache ist. Denn immerhin hat diese gespenstische Inszenierung viele Opfer zu beklagen. Die traurige Bilanz der Nacht: 265 Tote. Bei 161 der Toten handelt es sich angeblich um regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten. Dazu 104 getötete Putschisten und knapp 3000 festgenommene Soldaten im ganzen Land. Aber auch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen, wie derzeit alle Infos aus der Türkei.

14. Juni 2016

Die Welt spinnt

Mag sein, dass private Gründe mitspielen, dass ich derzeit sensibler auf gewisse Nachrichten reagiere als sonst. Aber es kann auch sein, dass die Welt ganz einfach langsam aber sicher durchdreht. Man weiss gar nicht, wo man anfangen soll... aber ganz auf die News verzichten geht irgendwie auch nicht. Es muss rein, aber irgendwie dann halt auch mal wieder raus. Darum der Blog. Dampf ablassen.


Das grässliche Massaker in den USA, der Mord gestern in Frankreich und die Androhung des Täters, dass diese EM "zu einem Friedhof" werde. Es fehlen einem die Worte. Was macht die Politik? Sie nutzt solche Anlässe noch zur Propaganda, Trump und LePen lassen grüssen. Man hetzt nicht nur gegen den Islam, nein, man poltert auch gleich noch über die Homosexuellen und macht zünftig Wahlkampf mit den Opfern. Ich bin traurig.

Und diese EM. So richtig hat mich das Fieber noch nicht gepackt, gebe ich zu. Zu heftig die Unruhen überall, vor allem in Marseille. Und auch hier: die UEFA völlig machtlos!

Hat jemand das "GoPro"-Video vom russischen Hooligan gesehen? Nimmt der Arsch doch tatsächlich auf, wie er auf Engländer und Franzosen losgeht. Zum Kotzen! Und ganz ehrlich, wenn ich diese Bilder sehe kommen mir fast die Tränen. Ironie des Schicksals ist noch, dass die Strasse "Rue de la Paix" heisst... im vietnamesischen Restaurant Le Ginseng habe ich vor 2 Jahren noch zu Abend gegessen. Es ist zerstört. Im Polikarpov noch einen Absacker genommen. Es musste schliessen. Im Table à Deniz gab es leckere, marktfrische Küche. Scheiben und Interieur kaputt. Im Café Vieux Port noch leckere Oliven gegessen und Pastis getrunken. Ein verletzter Kellner, alle Scheiben kaputt, sämtliche Gartenstühle weg. Und schliesslich das Café OM, fein zu Mittag gegessen, frischer Fang aus dem Mittelmeer. Laut Twitter ist nicht mehr viel davon übrig. Ich bin traurig.

Und warum? Nur weil irgendwelche feigen Idioten (und ich rede nicht von Ultras sondern von Hooligans) noch ihre Schwänze vergleichen wollen. Bei der nächsten WM in Russland trauen sie sich dann nicht, die übernächste EM hat keinen zentralen Spielort mehr und bei der übernächsten WM in Katar haben diese rechten Schläger auch schlechte Karten. Rechten? Oh ja. Wer in Marseille (!) einmarschiert und gleich als erstes Muslime beleidigt ("Where is the IS?") oder in Frankreich mit einer Reichskriegsflagge auftaucht,ist entweder grenzdebil oder schlicht und einfach ein braunes Arschloch. Punkt. 
 
Da helfen einem dann gewisse kurze Momente, die dir zeigen, dass die Welt noch irgendwie in Ordnung ist. Zum Beispiel, dass sich gleich ein paar Gruppen von Asylbewerbern für den Aarauer Altstadtlauf angemeldet haben und sie sich bereits mächtig auf ihren grossen Tag freuen. Oder, heute habe ich Abdulwasi getroffen, er ist ein Flüchtling und kommt aus Äthiopien, ohne Eltern in der Schweiz gestrandet und hier entsprechend ziemlich einsam. Derzeit begeht er gerade den Ramadan und trotzdem will er nicht den ganzen Tag nur auf der faulen Haut liegen. Innert kürzester Zeit hat er darum (sehr gut) Deutsch gelernt, ist regelmässiger Gast im Rolling Rock und ist da als talentierter Skateboarder aufgefallen. Dank dem Netzwerk Asyl bin ich seit heute so etwas wie ein Götti für ihn, wir haben Nummern getauscht und werden in nächster Zeit auch ein paar Sachen zusammen unternehmen. Als er erfahren hat, dass ich nächste Woche zügle, hat er mir spontan seine Hilfe angeboten - er hätte ja Zeit. Und auch bei den Themen Fussball und Musik wurd er gleich hellhörig. Sein Lächeln in dem Moment: unbezahlbar! Zum Schluss unseres "begleiteten Kennenlernens" habe ich ihm noch ein Skateboard mitgegeben, mit welchem er auch ausserhalb vom Rolling Rock üben und sich verbessern kann. 
 
Was ich damit sagen will, die Welt ist krank. Der Islam böse, alles Fremde böse, alles was extrem ist wird gedultet, die Unzufriedenheit und die Unsicherheit der Menschen ist grösser denn je, Hass ist die neue Liebe, Intoleranz das neue Verständnis. Das macht mir Angst, aber es sind die kleinen Dinge im Leben, die mir den Mut geben, dass alles irgendwie gut kommt. Und Trump nicht gewählt wird oder wir wieder begreifen, dass es nicht allen Menschen auf dieser Kugel gut geht, und wir mit unserem verdammten Wohlstand dazu beitragen können, dass es wenigstens ein paar Menschen besser geht. Und sei es nur, in dem wir uns vor oder nach einem Fussballspiel (nach Schweiz Albanien gab es in Aarau auch ein paar halbstarke Deppen!) nicht auf die Rübe geben oder akzeptieren, dass gewisse Mitbürger jetzt gerade den Ramadan begehen oder auf dumme Blicke verzichten, wenn sich zwei Männer küssen oder den Mund aufmachen, wenn jemand Unrecht geschieht. Ja, es wäre so einfach. 
 
In diesem Sinne, schönen Dienstagabend und allez les Bleus. 

4. März 2016

Vom Trottinett zum trendigen Freestyle-Scooter

Wer im Rolling Rock in Aarau zu Gast ist, entdeckt ganz bestimmt jeden Tag mutige Kids und Jugendliche, welche auf ihren Freestyle Scooter waghalsige Tricks vorführen. Wow! Wussten Sie, dass dieses Sportgerät eng mit der Schweiz verbunden ist? Und dass es nicht mehr viel mit dem Klassischen Trotti von früher zu tun hat? 


Beginnen wir von vorne. Der Stuntscooter, oder eben auch Freestyle Scooter genannt, ist eine kompakte und hoch belastbare Form des altbekannten Tretrollers. Er wird als Sportgerät in Skateparks, wie dem Rolling Rock in Aarau, verwendet. Rund um diese Kunstsportart, ähnlich dem BMX, Inlineskaten oder Skateboarden, die vor allem von Jugendlichen ausgeübt werden, gibt organisierte Wettkampfformen und daraus resultierende Regularien. Diese  sind seit 2010 entstanden – mit Benjamin Friant hat das Rolling Rock einen der bekanntesten Fahrer der Welt  in seinem Team. 

Die Geschichte der Scooter ist älter als man denkt, denn schon vor mehr als hundert Jahren wurden die eigentlichen, wenn auch etwas primitiven, Vorgänger der heutigen Geräte gebaut. Sie bestanden aus aneinander gezimmerten Brettern mit Rollen.  Das System der Fortbewegung war aber schon damals das gleiche wie heute. Viele Jahre später wurden die Vorgänger der heutigen Freestyle Scooter für die Kids entwickelt. Einfach zu fahren und meist sehr bunt lackiert, aber jedoch mit zweifelhafter Stabilität. Ab etwa 1994 fand in Finnland die Entwicklung des sogenannten Tretrollers statt. Charakteristisch für dieses Gefährt ist, dass das vordere Rad etwas grösser ist als das hintere, was eine schnellere Fahrt ermöglicht hat. Das moderne Trottinett trat schnell seinen Siegeszug an, der bis heute anhält. 

Die weitum bekannten, klappbaren Roller, so wie wir sie heute noch kennen, kamen Ende der 90er Jahre auf den Markt und waren damals ein absolutes Trendprodukt. Jeden Morgen flitzten zahlreiche Banker mit diesen fahrbaren Untersätzen in Richtung Bahnhof und schliesslich zur Arbeit.  Ursprünglich in der Schweiz (!) entwickelt, setzten sie sich auch bald im restlichen Europe, den USA und in Japan durch. Selbstverständlich, dass die Designs dieser Scooter immer ansprechender und kreativer wurden. So hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Weiterentwicklungen an den Freestyle Rollern gegeben. Besonders beliebt sind dabei die sogenannten Stuntboards oder Stunt Scoooter, die für Sportler gedacht sind, die ihr Talent für Kunstsprünge und Tricks oder den Freestyle Park optimiert haben. Dadurch ist eine neue Action-Sportart entstanden, das sogenannte „Scootering“. Ganz ähnlich dem Skateboarden und dem BMX Freestyle-Sport, findet diese Trendsportart immer mehr Anhänger, die sich für diese Sportart begeistern und sie regelmässig ausüben. Topcracks wie Benjamin Friant können inzwischen sogar von ihrem Sport leben.

Eine Hauptzielgruppe für Freestyle Scooter ist schwierig zu definiere. Denn sowohl Kinder, Jugendliche und trendbewusste sowie praktisch veranlagte Erwachsene nutzen sie oft und gerne. Wobei Kinder dies Scooter eher zum Spielen und zur Fortbewegung nutzen und mit ihnen Wege zur Schule absolvieren. Bei den Jugendlichen spielt dann eher der Trendaspekt eine tragende Rolle. Denn wer einen stylischen Freestyle Scooter fährt, ist selbst trendy. Und natürlich werden die stabilen Stunt Scooter auch von vielen Sportbegeisterten gefahren; mit dem Ziel, die Fahrkünste soweit zu optimieren, dass man sich mit anderen messen oder sogar an Meisterschaften teilnehmen kann. 

Wichtig ist bei einem Freestyle oder Stunt Scooter die gute Bauweise und die Qualität der benutzten Materialien .Wer sich günstige Importware auf Fernost kauft, kann eine solche Investition unter Umständen bereuen, wenn das Sportgerät bei einem Sprung in seine Einzelteile zerbricht. Darum empfehle ich Markenprodukte zu fairen Preisen, mit gutem Service. In Rolling Rock Onlineshop und natürlich auch im Hardware Shop in Aarau können Sie alle angesagten Marken (Chilli, District, Madd Gear, Blunt, Sacrifice, Micro, Lucky, AO Scooter, Phoenix, Grit und viele mehr) bestellen. Dazu sämtliches Zubehör, von Wheels über Kugellager oder Decks, bis hin zu Ersatzteilen an.

 

27. Februar 2016

Ein Lebenszeichen und mehr

Hallo miteinander. Ist mal wieder eine ganze Weile her, seit ich mich über diesen Kanal gemeldet habe. Aber heute ist einer dieser Tage, an denen ich Zeit habe oder besser gesagt Zeit nehme. Ich sitze aktuell im tiefsten Thüringen in einer Hotellobby. Ein kühles Bierchen vor mir, auf dem riesigen Flat-Screen läuft die Bundesliga und ein Schinkenkäse-Sandwich steht auch parat zum anbeissen. Aber keine Angst, ich schreibe jetzt weder über das lustige Hotel, noch über deutsches Bier oder englische Sandwiches. 


Vielmehr geht mir die Abstimmung von morgen Sonntag nicht aus dem Kopf. Diese Durchsetzungsinitiative sorgt in der Schweiz schon seit einigen Wochen für Diskussionen und sie wird dies auch in Zukunft tun. Ganz egal wie das Ergebnis morgen Abend ausschaut. Die SVP hat es, leider einmal mehr, hingekriegt, das Schweizer Volk zu spalten. Das erinnert mich, und darum der Bezug zu meiner Reise nach Deutschland, an unsere nördlichen Nachbarn. Hier hört man aus vielen Gesprächen auch die Unzufriedenheit raus. Phänomene wie Pegida oder die AfD sind dann die Auswüchse dieser Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Kleine Renten, teure Versicherungen, Arbeitslosigkeit, staatliche Gelder welche nach Europa fliessen, Stadtflucht und so weiter - die Angst vor der Zukunft ist bei vielen Deutschen gross! Vermutlich sogar nicht einmal unbegründet. Ähnliche Ängste plagen in der Schweiz vor allem die älteren Menschen. Wie geht es weiter in unserem Land? Wie viele Einwanderer haben noch Platz? Was passiert mit der Schweizer Wirtschaft, was mit dem Finanzplatz Schweiz? Und auch bei uns wird alles immer nur noch teurer, es vergeht zum Beispiel kein Jahr wo die Krankenkassenprämien nicht steigen. Und in diesem Moment kommt in der Schweiz diese Initiative der SVP und wir erinnern uns an die Masseineinwanderungsgeschichte vor ein paar Jahren. Ähnliche Zeit, ähnliche Voraussetzungen. Auch ein ähnliches Resultat? Ich befürchte ja. 
Denn auch in der Schweiz sind, wie in Deutschland auch, die Schuldigen für die Unsicherheit und die Unzufriedenheit gefunden. Es sind die Ausländer, meist in Form von Flüchtlingen. Sie sind der Sündenbock für alles. Kein Job? Ein Flüchtling ist schuld. Frauen belästigt? Waren Flüchtlinge. Raubüberfall und Schlägerei? Sicher einer aus Eritrea. Und überhaupt, die haben immer so teuere Kleider und die modernsten Telefone. Und um die Versicherung müssen sie sich auch nicht kümmern, wird ihnen alles in den Allerwertesten geschoben. Von unseren Steuern. Solche und andere Geschichten hört man im Bus oder Zug oder in der Mittagspause fast täglich. Kein Wunder kocht die negative Stimmung hoch und ebenfalls kein Wunder, denken viele Stimmbürger dann, dass so eine Initiative genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. So fliegen diese straffälligen Ausländer endlich raus und unser Land wird endlich wieder friedlich. Einfach gedacht, aber durchaus naheliegend. 
Dass gerade Asylbewerber bei einer allfälligen, neuen Gesetzgebung so ziemlich gar keine Rolle spielen, das ist entweder nicht bekannt oder wird einfach verdrängt. Dass in der Schweiz (und übrigens auch in Deutschland) eine grössere Anzahl Verbrechen von Schweizern und nicht von Ausländern verübt werden, scheint auch egal. Und, für mich der wichtigste Punkt, dass gut integrierte Zuwanderer oder Secondos am ehesten unter den neuen Gesetze leiden müssten, das scheint irgendwie auch nicht bewusst zu sein. Ohne hier ins Detail zu gehen, das wurde schon genug gemacht: zwei Bagatellen könnten künftig zu einer Ausschaffung führen. Probleme mit den Steuern, mal zu schnell gefahren, bei einem Fussballmatch an einen Polizisten geraten, bei Skifahren mit jemandem kollidiert, sich in der Nacht im Zug gegen einen Angriff gewehrt, unerlaubt Feuerwerk gezündet und so weiter. Dinge, die immer mal wieder passieren und von denen ich an dieser Stelle diverse Namen von Schweizern aufzählen könnte, denen genau solche Sachen schon passiert sind. Passiert es aber einem Secondo, der hier zur Welt gekommen ist, dessen Eltern hier seit 40 oder 50 Jahren bestens integriert sind, der vielleicht nicht einmal mehr die Sprache seiner Eltern beherrscht, dann fliegt er (im Wiederholungsfall) raus! Ich hatte zum Beispiel als Twen zwei Mal das Autobillet weg und um die 20 herum war ich bei Fussballspielen nicht immer der, welcher seine Nerven im Griff hatte. Vermutlich wäre ich also geflogen. Wegen Sachen, die jedem Jugendlichen mal passieren. Und wenn ich in meinem Umfeld schaue, wie viele Leute mit ausländischen Wurzeln ich kenne, dann krieg ich echt Gänsehaut, beim Gedanken, dass genau diese bestens integrierten Menschen künftig in Angst leben müssen, dass sie irgendwie Scheisse bauen oder - noch viel schlimmer - von jemandem angeschwärzt werden. 
Darum war es für mich ganz klar, dass ich ein NEIN abgeschickt habe. Aber, ich kenne auch genug Leute, die Ja gestimmt haben und mir das auch begründen konnten. Okay, ich konnte alle dieser "Gründe" immer relativieren, weil sie auf falschen Informationen aufgebaut waren. Ich schrieb ja zu Beginn, die SVP macht leider einmal mehr einen guten Job was die Propaganda angeht, auch wenn sie es mit der Wahrheit wiederum nicht so genau nehmen. Aber das ist ja nicht neu und ein Armutszeugnis für alle anderen Parteien, dass man nicht weiss, wie man darauf reagieren soll. So ist es auch in diesem Wahlkampf wieder die breite Masse, welche über die sozialen Medien oder über Aktionen darauf aufmerksam macht, welche Konsequenzen ein Ja hätten. Aber nochmal: ich bin nicht so sicher, dass die DIS abgelehnt wird. Denn bei all den Umfragen im Vorfeld haben sicher nicht alle Befragten die Wahrheit gesagt, niemand steht gerne dazu, dass er ein Ja eingeworfen hat. Und bei der Masseneinwanderungsinitiative waren die Umfragen am Schluss ähnlich. Aber, wir werden sehen. Die Schweiz ist eine Demokratie und darauf können wir alle stolz sein. Bloss, die SVP soll dann bei einer möglichen Annahme auch hin stehen und uns aufzeigen, wie man eine solch bescheuerte Gesetzesänderung HUMAN umsetzen kann. 
So, jetzt geht es mir besser. Okay, die Angst bleibt. Aber immerhin konnte ich etwas Dampf ablassen, auch wenn es wohl nichts mehr ändern wird am Resultat. Und ja, ich ärgere mich auch über straffällige Ausländer, über gewalttätige Asylbewerber und Kriminaltouristen. Entsprechend bin ich auch der Meinung, dass man diesbezüglich Lösungen finden muss, damit ein friedliches Zusammenleben in unserem Land auch weiterhin möglich ist. Denn wir haben eine lange Tradition im Miteinander mit Immigranten und das sollten wir aufrecht erhalten. Und natürlich finde auch ich es unmöglich, dass ein Raser, der Menschen totfährt und unsere Rechtssprechung verhöhnt, weiterhin in unserem Land bleiben darf. Aber eben, diese aktuelle Initiative ist sicher nicht der richtige Weg. Kommt dazu, dass die Asylfrage damit ebenfalls nicht beantwortet wird. Dazu braucht es andere Mittel: Hilfe vor Ort, keine Waffenverkäufe in Krisenregionen, Integration der Flüchtlinge und so weiter. Selber habe ich regelmässig mit Jugendlichen aus Eritrea, Syrien, dem Irak oder Afghanistan zu tun. Und ich kann sagen, wenn man diese Kids fordert und fördert, dann kommt bei den allermeisten von ihnen eine Motivation auf, zu zeigen was sie können. Da lernen dann viele gerne freiwillig Deutsch oder interessieren sich für die Schweiz und ihre Eigenheiten. Aber eben, das passiert nicht, wenn sie in ihren Unterkünften versauern und den ganzen Tag nur um ihresgleichen herum sind. Nein, wir müssen den ersten Schritt auf sie zu machen und nein, wir müssen auch nicht jeden von ihnen supertoll finden. Denn auch lesbische, schwarze Behinderte können ätzend sein, weil unterm Strich sind wir alles nur Menschen und egal ob Hautfarbe, Herkunft, Gesinnung etc. - überall gibt es solche, die wir lieber mögen und solche, die wir weniger mögen. Falsch ist es darum erst recht, alle in einen Topf zu schmeissen und sie unter Generalverdacht zu bestrafen!

So und nun noch ein Bierchen und das Livespiel vo Dynamo Dresden im TV. In der Sonne versteht sich.