30. September 2008

Monsieur Fischer, le Terroriste

Das war ja ein Erwachen am Sonntag im Hotel. Erst klingelte das Telefon, dann klopfte es an der Türe und plötzlich standen uniformierte Männer im Gang und ein Sprengstoff-Suchhund durchstreifte unser Zimmer. Was war passiert?

Ohne unser Wissen hatten wir in der gleichen Etage des Hotels einen prominenten Nachbarn, der indische Premierminister Singh. Gleich neben unserem Zimmer war nämlich seine Suite, davon hatten wir natürlich keine Ahnung. Der Mann war in Marseille, weil er beim EU-Indien-Gipfel teilnimmt und heute seinen Kollegen Sarkozy trifft. Aber eben, das haben wir ja nicht gewusst. Nun wollte es der Zufall, dass es am Samstag in Indien einen Bombenanschlag auf ein Hotel gegeben hat. Das hat die Sicherheitsbeauftragten unseres Hotels auf den Plan gerufen. Und auch die indische Delegation war scheinbar plötzlich sehr nervös. So wollte Premier Singh auf einmal, dass er die ganze sechste Etage des Hotels für sich alleine hat, aus Angst vor Anschlägen. Irgendwie ging die Kommunikation zwischen Indern und Franzosen aber etwas schief, jedenfalls hat man uns - als direkte Nachbarn vom Premier - scheinbar vergessen zu informieren.

So kam es wie es kommen musste, der ganze sechste Stock wurde am frühen Sonntagmorgen "evakuiert", wir kamen aber erst so gegen 5 Uhr vom Ausgang heim und haben das dann vermutlich etwas verpasst. Am Sonntagmorgen so gegen 9 Uhr hat dann die Reception bemerkt, dass da ja noch jemand in der Etage wohnt. Nämlich wir. Freundlich wie man war, versuchte man uns per Telefon zu erreichen. Wodka Lemon sei dank haben wir das Klingeln aber sauber verdrängt. Dann ein erstes Klopfen an der Türe, was bei mir gerade mal ein "Oui?" ausgelöst hat, mehr aber nicht. Tja und dann das heftige Donnern an die Türe, wir machen auf und draussen steht ein Mann in Uniform. Neben ihm einer in einem Schutzanzug, angeschrieben mit "Detonation Special Team", dazu ein Hund. Hinter den beiden noch etwa 2 Mann. Wir in unserem Hotelzimmer in Shorts und Shirt. Ein schönes Bild vermutlich.

Uns wurde dann mitgeteilt, dass wir unser Zimmer verlassen müssten. Der Hotelmanager setzte sich dann aber bei der Security für uns ein und wir bekamen doch immerhin noch 20 Minuten um zu packen. Immer beobachtet von den Sicherheitsmännern und dem ollen Hund. Unser Gepäck wurde dann von ebem diesem Vierbeiner kontrolliert, erst danach durften wir es aus dem Zimmer nehmen. Da stand dann ein Metalldetektor, so wie man sie von Flughäfen kennt. Alle 2 Meter ein Soldat, bewaffnet. Und so wurden wir dann freundlich aber sehr bestimmt aus dem Hotel begleitet. Erst im Erdgeschoss trafen wir auf andere Gäste, die ebenfalls etwas verstört wirkten.

Ok, ich gebs zu. Da ich ein Morgenmuffel bin, hat mich die ganze Situation eher etwas kalt gelassen oder besser gesagt sogar etwas amüsiert. Dumm natürlich, dass mein TShirt zum Schlafen so eine Art RAF-Logo mit Knarre und Stern drauf hatte, so ein Leibchen aus meiner Jugend halt. Als ich das Zimmer verliess, konnte ich es mir nicht verkneifen, dazu noch eine Art Palästinensertuch umzubinden. Daran ein Button mit dem Schriftzug "Marseille Independent". Ich wurde von den schrankgrossen Männern genauestens unter die Lupe genommen, was mich wiederum zum Lachen gebracht hat, was die dann im Gegenzug noch nervöser gemacht hat. Leid getan hat mir nur das Hotelpersonal, die waren voll im Stress und haben sich etwa 1000 Mal entschuldigt. Man hat uns sogar noch eine Suite angeboten, leider konnten wir - dieses Mal - von diesem Angebot nicht profitieren. Aber hey Marseille, wir kommen wieder. Bald. Sehr bald.

29. September 2008

Impressions de Marseille VI

Heute leider schon der letzte Teil dieser Mini-Serie aus Marseille, was dann wohl oder übel dafür spricht, dass die Ferien auch schon wieder zu Ende sind.

Morgen gibts übrigens die Auflösung des Rätsels, warum Monsieur Fischer seit gestern Sonntag auf der Liste der meistgesuchten Terroristen Indiens gelandet ist und was ein Sprengstoff-Suchhund in unserem Hotelzimmer verloren hat!











27. September 2008

Der Song zum Wochenende

Heute von El Matador "Generation Taxi", der Titelsong zum vierten Teil der Kinofilm-Serie "Taxi". Lief bei uns in der Deutschschweiz leider nicht mehr in den Lichtspielhäusern, dabei ist der letzte Teil eigentlich genau so lustig und voller Action wie die Drei davor. Naja, zum Glück gibts in Frankreich die DVD zu kaufen, inklusive dem tollen Soundtrack.

26. September 2008

بالهناء والشفاء

"Guten Appetit" steht da oben im Titel, in arabischen Schriftzeichen. Kein Zufall gestern war in bei uns in Marseille so eine Art freiwilliger Multikultitag angesagt. Erst ein Besuch in einem der arabischen Quartiere der Stadt, dann lecker Gewürze einkaufen auf dem grossen Markt und am Abend gabs dann noch ein feines - vieeeeel zu grosses - Couscous beim Tunesier. Abgeschlossen mit einem grossartigen Gunpowder-Tee (Minze) und natürlich den unglaublich süssen Balklava zum Dessert.

Übrigens hab ich gestern rausgefunden, dass ich Anfang der Woche im Armenhaus der Stadt unbewusst so eine Art ganz persönliches "Foto des Jahres" geschossen habe. Ich hab ein Foto einer ziemlich demolierten und baufälligen Strasse gemacht und wurde da ja von einem Banlieu-Chick ziemlich heftig angemacht von wegen ich spiele mit meinem Leben, wenn ich mich hier in IHRE Strasse wage. Nun, ihre Strasse ist natürlich nicht so ganz ihr und vorallem nicht nur auf meinem Foto verewigt, sondern auch auf dem CD-Cover des Rappers El Matador, der genau da aufgewachsen ist. Und der Zufall will es, dass ich mein Bild aus dem genau gleichen Blickwinkel aufgenommen hab, wie seine CD-Hülle. Keine Frage, dass ich mir diese CD ("Parti de Rien") gestern natürlich gleich gekauft habe.

Das Wetter hat sich rechtzeitig zum Marsatac-Festival (u.a. mit Manu Dibango , HocusPocus und De La Soul) wieder beruhigt, so war es gestern für die Jahreszeit recht warm und schön sonnig. Und bis zum Sonntag soll sich daran auch nichts mehr ändern. Wir spielen darum ganz inoffiziell mit dem Gedanken, die Ferien spontan um ein, zwei Tage (Monate?) zu verlängern. Unter uns gesagt würde ich eigentlich am liebsten gleich ganz hier bleiben. In den bald 10 Tagen haben wir total viele liebe Menschen getroffen, gute Gespräche geführt, Spass gehabt und uns halt irgendwie schon fast ins Daily Life eingefügt. So gabs heute spontan ein eigentlich unverkäufliches Glas und dazu 6 Flaschen Bier als Geschenk, produziert von der letzten alternativen Brauerei der Stadt. Und am Abend sind wir bei nem Wirt gelandet, der seit über 30 Jahren seine "Mini-Discotheque" führt. Brutal klein, aber äussest fein. Alles Orte und Begegnungen halt, die "Otto Normaltouri" wohl eher selten erleben wird.

So, fertig geschwärmt und ab in die Sonne und ans Meer. Und um den Anfang zum Schluss zu machen: heute Abend gibts ne original Bouillabaisse zum Znacht.

Si tu veux faire ta vie à Marseille
Viens faire un tour l’ami c’est mortel
Y a la mer, le soleil, l’OM et les collègues
Le beau temps règlera tes problèmes











25. September 2008

Ca c'est trés branché, Cousin

Grossstadtleben macht müde. Irgendwie schlafen diese Cities nie so wirklich und wenn man hier ist, passt man sich diesem Lebensstil dann halt an. So gesehen kamen die beiden letzten Tage hier gar nicht mal so ungelegen, es war nämlich für einmal zwischendurch etwas bedeckt und man konnte ohne schlechtes Gewissen etwas länger liegen bleiben im Hotel. Ok, die Putzfrau hatte nicht so wirklich Freude an uns, aber ehrlich gesagt putz ich ja zu Hause auch nicht jeden Tag meine Wohnung und vom Bett machen reden wir jetzt gar nicht erst. Also so gesehen konnte sie beruhigt etwas früher Feierabend machen und unser Zimmer auslassen.

Die etwas kühleren Temperaturen - und wir reden hier immer noch von 22 Grad -, sowie die Wolken verführen natürlich zum Shopping. In einer Millionenstadt wie Marseille könnte man eh sein Konto komplett über den Haufen werfen. Mango, Disney, Virgin, Fnac, Lafayette, Maison de Pastis, G-Star, Aubade, Chevignon, Le Coque Sportiv.... so ziemlich jede Marke hat hier unten ihren eigenen Laden. Aber nicht alles ist hier in La France in Mode oder wie der Franzose sagt, branché. Darum fass ich heut mal kurz zusammen, was hier unten bei den Männern und Frauen der Grossstadt derzeit angesagt ist.

Bei den Jungs sind es - immer noch - die schwarzen Umhängetäschchen. Das war vor Jahren schon mal so, dann war es mal weg und jetzt hat es jeder. Aber wirklich jeder. Wer dabei sein will trägt also eine kleine Handtasche mit sich rum. Zum Glück hab ich auch einen Sac - meiner ist zwischen stolze 14 Jahre alt - mit dabei und kann mich so total unerkannt dem Trend anschliessen (Vorsicht Ironie). Nein, im Ernst. Das ganze hat weniger mit Mode, als vielmehr mit einem praktischen Aspekt zu tun. Hier wird doch häufiger mal ne Brieftasche oder ein Handy geklaut, also trägt man all diese Sachen in dieser Tasche mit sich rum. Die Hersteller dieser Dinger haben das inzwischen natürlich auch gemerkt und darum trägt le Marseillais Täschchen von Diesel, Calvin Klein, Lacoste und Hugo Boss.

Dazu passend - wir sind noch bei den Männern - sind die Trainerhosen. Auch hier sind alle teuren Marken bestens vertreten und es kommt auch mal vor, dass eine Trainerhose zu einem Veston getragen wird. Dazu oben rum ein Schal, gebunden à la Jogi Löw und so darf man sich hier auch im teuren Restaurant zeigen. Ok, in Massilia geht man auch im Fussballshirt in die Kirche und der Pfarrer segnet es einem sogar noch. Marseille tickt halt etwas anders. Kein Wunder hab ich auch dieses Mal wieder sämtliche OM-Shops der Stadt aufgesucht, geplündert und meine Tasche mit Devotionalien gefüllt.

So und nun zu den Damen der Schöpfung. Ich gebs zu, man schaut hier gerne hin diesen Herbst. Stiefel, dunkle Strumpfhosen und Röcke - meist in schwarz - bestimmen das Strassenbild. Wir waren heute in nem Schuhladen, da musste man also direkt lange suchen um ein paar "ganz normale" Schuhe zu finden. Stiefel mit und ohne Absätze, in allen Farben und in allen Materialen. Und das wird nicht nur ver-, sondern auch gekauft. Madame Marseillaise geht mit diesen Dingern (wie läuft man mit sowas?) arbeiten, zum Essen, zum Kaffee, besucht die Schwiegermutter und sitzt damit auf der Tribüne des Stade Vélodrôme. Und nun stellt man sich daneben einfach mal den Mann vor, in den bequemen Sneakers, dem Umhängetäschchen und den Trainerhosen. Hübsch, oder?

Und sonst? Völlig in der Mode sind Möpse, also die mit den vier Beine. Auch Furzhunde genannt. Oft werden sie getragen und entsprechend an so ziemlich jede Veranstaltung mitgeschleppt. Total out ist hier das iPhone. Viel zu teuer und das Netz ist nicht wirklich gut in Sachen 3G. Dafür bietet Orange einen speziellen Fussballkanal übers Telefon an. Da kann man - beinahe kostenlos - das Spiel seiner Lieblingsmannschaft live mitverfolgen. Aber in der Regel macht man das eh in einer Kneipe, denn das Public Viewing hat hier unten überlebt und in beinahe jeder Beiz stehen mehrere Flatscreens auf denen dann auch immer irgendwie ein Spiel läuft. Am Weekend die Meisterschaft, seit Dienstag jeden Abend Pokal.

Von wegen Kneipe, liebe Schweizer Wirte. Nehmt euch doch einfach mal ein Beispiel an der südfranzösischen Gastfreundschaft. Hier unten sitzt du - zum ersten Mal im Leben - in einem Resto und isst oder trinkst etwas. Plötzlich erscheint der Wirt und bringt dir nen Schnaps vorbei. Dazu die Frage, was du hier machst und ob es dir in Marseille gefällt. Dann noch ein paar Tipps, wohin man unbedingt noch gehen muss und vielleicht noch einen zweiten Drink for free. Unaufgefordert, ehrlich und von ganzem Herzen. Gleiches gilt auch für Verkäuferinnen, Clochard oder Polizisten und, und, und... Man erfreut sich über den Besuch und zeigt das auch. Ein paar Huitres mehr auf der Platte, beim Spanier eine zusätzliche Vorspeise oder eine Einladung zu einem spontanen Aperitif gehören inzwischen fast zur Tagesordnung. Und ach ja, das Auto ist immer noch ganz. Trotz CH-Nummernschild.

Marseille, je t'aime!!