6. März 2012

Das "Phänomen" Kampusch

Phänomen? Ja, ich find schon. Es ist enorm, wie sehr sich die Öffentlichkeit für die junge Österreicherin interessiert. Auf meinem Blog zum Beispiel gehören die Beiträge über Natascha Kampusch seit Jahren zu den meist gelesenen. Es vergeht kein Tag, da nicht hunderte von Menschen über Google nach Kampusch suchen und sie dann bei mir finden. Und sei es nur per Foto. Gestern Abend war mal wieder Kampusch angesagt, dem ORF gab sie ein exklusives Interview und einmal mehr war der Gastgeber Christoph Feurstein. Dieser Journi profitiert von der Kampusch-Geschichte wie wohl kein anderer Medienschaffender. Gut, ganz ehrlich, welcher Journalist würde auf diese Story freiwillig verzichten? 

Ich selber habe das Interview von Natascha Kampusch gestern Abend nicht gesehen. Musste ja schliesslich Fussball guckn. Was Qual genug war. Zumindest gute 80 Minuten lang... Ich hab mich heute per Zeitung über Kampuschs TV-Auftritt informiert und ein, zwei Ausschnitte angeschaut. Was soll ich sagen? Irgendwie ist an der ganzen Geschichte doch etwas faul. Ihr Entführer bringt sich selber um, sein Kopf liegt aber scheinbar so neben den Geleisen, als hätte ihn jemand schön hergerichtet. Der Chefermittler, angeblich einer der besten Polizisten der Alpenrepublik, stirbt ebenfalls auf mysteriöse Art und Weise. Frau Kampusch soll schwanger gewesen sein, soll mehr wissen als sie sagt. Und genau das gibt sie im TV-Interview dann auch noch zu Protokoll: "Ich muss nicht alles erzählen!".  Im Internetz gibt es entsprechend natürlich zahlreiche Verschwörungstheorien. So soll Kampusch freiwillig bei Priklopil, ihrem Entführer, geblieben sein. Ebenso gibt es die Theorie, dass ihre Mutter sie bei dem Typen abgegeben hat. Natürlich ist auch zu lesen, dass die ganze Geschichte von einem riesigen Pädophilenring inszeniert wurde, welcher vom Staat und der Polizei gedeckt wird. Eigentlich fehlt nur noch, dass Elvis und Hitler in die ganze Sache involviert sind und die Ausserirdischen von der Area 51 alles steuern. A propos, David Hasselhoff ist in London als Hilter aufgetreten, Kommentar von Stefan Raab gestern Abend: "Das hat Hitler aber nicht verdient!"

Nun gut, was soll man sagen? Ich bin mir zumindest sicher, dass in der ganzen Affäre jemand nicht die Wahrheit sagt und meist beginnt der Fisch am Kopf mit stinken. Kampusch selber zu beschuldigen fände ich allerdings zu einfach, ich denke, bei dem was die junge Frau alles mitgemacht hat, ist es überhaupt ein Wunder, dass sie noch lebt. Nach eigenen Aussagen wird sie ja auf der Strasse beschimpft und dumm angemacht, von Menschen, die ihre Geschichte nicht glauben. Egal, was wahr und falsch ist - das hat sie nicht verdient. Vielmehr sollten sich eventuell die Medien mal ihre Berichterstattung überdenken. 20 Minuten zum Beispiel "lebt" quasi von den Berichten über Natascha Kampusch, sogar Ösi-Zeitungen zitieren das Schweizer Revolverblatt - scheinbar hat man in Zürich einen guten Informanten. Unter dem Strich kann einem die Frau eigentlich nur leid tun, es profitiert ihr ganzes Umfeld von ihrem Schicksal. Aber so wirklich helfen bei der Verarbeitung des Ganzen, das will dann niemand. Aber wie immer im Leben, die Wahrheit kommt irgendwann ans Licht. 

5. März 2012

Oh, schon wieder Montag?

Ja, schnell war es vorbei das Weekend. Mal wieder. Leider. Aber da müssen wir durch. Zu erzählen gäbe es ja eigentlich ganz viel, aber irgendwie weiss ich gar nicht wo anfangen und erst recht nicht, was überhaupt interessiert. Darum für einmal eine Abhandlung des ersten März-Wochenendes in Form von Stichworten. 

  • Leech-Konzert im KiFF: War gut, sehr gut. Das KiFF war restlos ausverkauft, man hat viele Gäste gekannt, musikalisch war es spannend und die Konzertdauer war mit über 2 Stunden very nice. Einzig die eigentliche Taufe der Platte hab ich etwas vermisst. Eingeleitet wurde der Abend von einem Apéro bei uns in der neuen Wohnung. 
  • Am Samstag gab es Sonne, Gartenmöbel-Shopping und am Samstag eine feuchtfröhliche Housewarming-Party in Zofingen - mit genialen Caipis! Die Zugfahrt von und nach Zofingen war ein Erlebnis und ich werde mir merken, dass Zofingen mit dem Auto wesentlich einfacher zu erreichen ist als mit der SBB. 
  • Am Sonntag wurde der neue Balkon (inkl. toller Pflanzendeko) mit Gästen eingeweiht und der Tag mit leckeren Steaks abgeschlossen. Dazu gab es Sofa und zwei lustiges DVDs (Schtroumpfs und Hangover II). 
  • Fussball: Bayern verschenkt die Meisterschaft, der BVB hat Fahrt aufgenommen. In der Schweiz dürfte es der FCB auch geschafft haben, der FCA muss heute Abend das Derby gegen Wohlen gewinnen um den Anschluss an die Spitze nicht zu verpassen. Marseille begnügt sich weiterhin mit Minimalisten-Fussball. Und Roberto Di Matteo ist neuer Chelsea-Trainer - "unser Robbie". 
  • TV: Ging irgendwie ein bisschen an mir vorbei, okay gestern Abend die DVD-Session mit Wein und Essen. Aber sonst, alles/nichts verpasst. 
  • Politik: Putin ist neuer Präsident in Russland. Ich frage mich, warum das heute auf JEDER Zeitung das Frontthema ist. So wirklich überrascht diese "Wahl" ja niemanden, oder? Erst recht nicht, wenn man gelesen hat, wie die Menschen zum richtigen Kreuz gezwungen wurden. 
  • Medien: Die Aargauer Zeitung hat heute angerufen und gemailt. Man hat da gedacht, ich wäre der Inhaber/Wirt vom neuen Restaurant "Marmite" am Graben. Die wollen in der Ausgabe von morgen Dienstag etwas darüber schreiben, bin gespannt. Und einmal mehr hab ich den Beweis, dass die AZ-Fritzen hier fleissig mitlesen. Grüsse an dieser Stelle ;) 
Bestimmt (oder bewusst) habe ich ganz viele weitere Sachen vergessen. Aber es hat heute auch ein bisschen an der Zeit gefehlt um den Blog zu füttern. Da aber seit Freitag hier tote Hose war, hab ich mich quasi verpflichtet gefühlt, für neuen Lesestoff zu sorgen. Und sei er noch so banal und vor allem nur für mich und mein Umfeld ansatzweise interessant. Aber hey, die Woche ist noch jung und die Agenda voll. Also drannebliebe, drannebliebe, drannebliebe...

Ah ja, da bin ich letzte Woche im Netz drüber gestolpert und fand es irgendwie noch witzig.


2. März 2012

Nun gibts aber was auf die Ohren!

Es mag an der örtlichen Nähe liegen, aber irgendwie vermag das KiFF mich wieder vermehrt in seinen Bann zu ziehen. So kommt es, dass es uns heute Abend zum Nachbar verschlägt: LEECH taufen ihre neue Platte. 


Leech wird 1995 durch Marcel Meyer (Gitarre und Piano), Urs Meyer (Gitarre und Piano) und Serge Olar (Schlagzeug) gegründet. Von Anfang an widmet sich die Band der experimentellen Instrumentalmusik: Rhythmische Gebilde werden aufgebaut und mit schwebenden Melodien verbunden. Das Ganze verschmilzt zu einer epischen Soundlandschaft, in der Zeit keine Rolle mehr spielt. Entsprechend dauern Songs mehrere Minuten und Konzerte Stunden. Im Frühjahr 2011 ging die Band erneut ins Studio, um das neue Album „If we get there one day, would you please open the gates?“ aufzunehmen, welches heute Abend im KiFF offiziell getauft wird. Ich bin gespannt. 


Aber es gibt in nächster Zeit noch mehr auf die Ohren. Die deutschen Beatsteaks kommen (sofern es dieses Mal klappt) zu Besuch zu unseren Nachbarn. Am 23. März dann Pegasus, die derzeit einzige Schweizer Band, mit internationalem Niveau. Klar, Popmusik, aber irgendwie gut gemacht. Am gleichen Abend spielt Reto Tögg Hochstrasser sein geniales Tom Waits-Set im KiFF - man darf gespannt sein wie sich das Publikum darauf reagiert. Sein Konzert auf den späteren Abend zu legen um die Pegasus Groupies noch abzuholen, das wäre mein Plan. 

Im April gibts dann Dan Mangan. Er spielt in Vancouver vor mittlerweile zweieinhalbtausend Menschen. In Europa hat er beim Haldern Festival seinen Fans im ungleich kleineren Spiegelzelt eine Sternstunde der Rockmusik (laut) beschert. Wenige Wochen später beim britischen End of The Road Festival dann eine wahrhaftig ergreifende Krönung aus Folk und Kammermusik (leise) vorgesetzt. Mit "Oh Fortune" liegt sein drittes Album vor, welches er in Aarau vorstellen wird. In der gleichen Woche noch Züri West, da braucht man nicht mehr dazu zu sagen, das wird ein Fest. Kuno und seine Mannen waren und sind die Könige der Schweizer Musik und ihre Auftritte - egal ob im KiFF oder sonst wo - sind immer Höhepunkte! Max Prosa, Apparat oder Movits! sind weitere Namen im März/April in der Futterfabrik.


Aber natürlich geht man in nächster Zeit auch - musikalisch - fremd! Gisbert zu Knyphausen besucht die Schweiz, übernächste Woche und wir sind mit von der Partie. Und auch die Tuchlaube hat sich wieder um gute Musik bemüht: Fiona Sally Miller und Woodpecker Wooliams beehren die Café/Bar in der Metzgergasse. Tja, das wars für den Moment. Hab ich was vergessen? Vermutlich ja. Aber ihr müsst ja auch nicht alles wissen... Schönes Weekend allerseits, mit viel Musik. Und damit meine ich nicht die Swiss Music Awards. 

1. März 2012

Klein Marseille in Aarau

Escargots à l'alsacienne, Entrecôte de boeuf grillée, Salade Niçoise, Chèvre chaud, Tarte citron... wem bei dieser Aufzählung das Wasser im Mund zusammenläuft, der sollte diesen Text unbedingt bis zum Ende weiterlesen. Erst recht, wenn er oder sie in der Umgebung von Aarau wohnt. Frankreich ist nämlich wieder in der Kantonshauptstadt angekommen. Wieder? Ja, im Jahre 1798, zur Zeit der Helvetischen Republik, war Aarau Hauptstadt der alten Eidgenossenschaft - dank kräftiger Unterstützung der Franzosen. Quasi eine Art Tochterrepublik der Grande Nation. Und nun, 200 Jahre später sind sie wieder da, die Franzosen. Wobei, Moment. Der Chefkoch im Marmite (ehemals Kafi Waldmeier) ist kein Franzose, er ist Marseillais - was ein grosser Unterschied ist. 


Aber beginnen wir die - ziemlich witzige - Geschichte von vorne. Es ist keine Woche her, seit wir rein zufällig entdeckt haben, dass das ehemalige Café Waldmeier am Graben wieder offen hat. Die kleine Terrasse gehört in Aarau zu den schönsten überhaupt und auch das Interieur hat noch etwas vom alten Charme, den früher auch das Kafi Hitz (heute ist da die Pizzeria Olive drin) oder das Café Brändli verströmt haben. Nun denn, hinauf in die erste Etage und hinein ins Lokal. Doch Moment, die gesamte Inneneinrichtung erinnerte so überhaupt nicht mehr an die früheren Zeiten - nein, man fühlte sich auf einmal wie Mitten in Frankreich. In einem kleinen französischen Restaurant, irgendwo an einer Stadtgrenze. Rotweiss karierte Tischdecken, Lavendel, alte Email-Schilder, Kochbücher von Bocuse, auf einem Tisch standen mit Glashauben bedeckte Kuchen und Torten, auf einem anderen frische Kräuter in Töpfen, an der Wand hängt eine mit Kreide beschriftete Tafel. Begrüsst wurden wir von einer freundlichen Dame, mit französischem Akzent nahm sie eine Bestellung auf. Während die anderen Gäste Kaffee vor sich stehen hatten, entschieden wir uns für einen Rotwein. Der übrigens sehr lecker war... 

Mein Herz schlug natürlich höher, als ich auf der Tafel las, dass es im neu eröffneten Lokal ausschliesslich französische Spezialitäten zum Essen gibt. Aber es geht noch mehr. Aus einem anderen Raum hörte ich einen Mann reden, in einem Dialekt, den man nur in Marseille redet (und versteht). Auf einmal betrat ein hagerer Herr den Raum, paffte auf der Terrasse eine Zigarette und sprach mit seinem Handy... ein Marseillais! Ich hab ihn vermutlich in dem Moment so angeschaut, wie man den ersten Ausserirdischen auf Erden anschauen würde. Aber zugegeben, meine Freude war gross. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass er zu der Zeit, als ich in Marseille gewohnt habe, ebenfalls in der Stadt war - angestellt als Koch im Opera-Quartier. Ich kannte sogar das Restaurant, in welchem er damals gearbeitet hatte. Ja wir haben sogar festgestellt, dass wir beim gleichen Araber an der Ecke eingekauft hatten. Und auch in Sachen Kneipen und Discos hatten wir viel zu bereden. Als das Thema dann auf den Fussball kam, genauer auf Olympique de Marseille, war es natürlich passiert... 

Zum Wein gab es süsses und salziges Gebäck. Es brannte eine Kerze auf dem Tisch und beim Zahlen nahm die Wirtin es mit den getrunkenen Gläsern Rotwein auch nicht so genau. Französische Gastfreundschaft halt. Aber ein Restaurant und sein Personal kann - so meine Meinung - erst dann restlos überzeugen, wenn auch die Qualität vom Essen stimmt. Ohne dass Christian Rach nachhelfen muss. Darum gestern Abend der Feldversuch. Quasi als Vorspiel zum Match Deutschland gegen Frankreich. An dieser Stelle sei erwähnt, dass les Bleus den grossen EM-Favoriten Deutschland mit 2 zu 1 Toren vom Platz gefegt haben! Wir entschieden uns - nach einem Pastis auf der Terrasse - für Schnecken nach Elsässer Art, Bine hatte ein Entrecôte an Roquefort-Sauce, ich Ente an Mandarinen-Confit. Zu beiden Hauptspeisen gab es Kartoffelgratin, angerichtet in zwei kleinen Auflaufförmchen - eines rot für die Dame und eines blau für den Herrn. Dazu eine Flasche Rotwein. 

Nun, das Essen war lecker. Jetzt ist es in der Schweiz aber nun mal so, dass wenn man von französischer Küche redet, die Menschen meist an Nouvelle Cuisine oder Paul Bocuse denken. Das hat aber mit der traditionellen französischen Küche etwa so viel zu tun, wie die Schweizer Fussballnati mit der EM in Polen und der Ukraine. Wer schon mal in Frankreich in den Ferien war und nicht gerade in einer Touristenfalle gelandet ist, wird die Küche von Danille und Ange kennen und auch mögen. Es schmeckt halt wie bei Muttern oder in dem Fall wie bei Maman. Die Schnecken waren genial, mit viel Knoblauch und Petersilie. Das Fleisch ebenfalls, mit den Saucen hat es der Chef gut gemeint. Und auch über den Preis vom Wein lässt sich nichts schlechtes sagen. Ganz im Gegenteil sogar. Die Wirtin - welche in den 80er Jahren schon einmal in Aarau war und hier sogar geheiratet hatte - hat im Gespräch erklärt, dass sie noch nicht so weit wäre, wie gewünscht. Einerseits liegt das an den etwas komplizierten Gesetzen im Aargau, welche es unseren Gastronomen nicht immer einfach machen. Auch die Karte (sowohl Getränke als auch Essen) soll noch verfeinert werden. Am Mittag gibt es für CHF 19 ein Essen, das Vor-, Haupt- und Nachspeise beinhaltet. Am Nachmittag gibt es hausgemachte Torten und Kaffee und am Abend dann südfranzösische Spezialitäten, wobei die teuerste Speise CHF 37 kostet. Und dafür gibts dann bestes Kalbfleisch! 

Nun, hat das Lokal eine Chance in Aarau? Es dürfte schwierig werden. Die Beiden geben sich alle Mühe der Welt, sind sehr gute und freundliche Gastgeber. Auch die sonnige Terrasse wird an warmen Tagen Gäste anlocken, am Abend haben sie ebenfalls offen und man kann draussen und drinnen sitzen. Die Preise sind fair, das Ambiente vermittelt Urlaubslaune und trotzdem habe ich meine Zweifel. Die gründen allerdings eher in der Aarauer Mentalität. Wer auf französische Küche steht, der wird wohl gerne Geld ausgeben und geht ins Chez Jeanette. Vertraut der einfachen, aber gut gekochten Landküche nicht. Und wer es nicht kennt, den dürften Schnecken, Schafskäse, Fischsuppe, Aioli, Pistou oder Pissaladière eher abschrecken. Ich kann nur jedem raten, einmal im ehemaligen Waldmeier vorbeizuschauen und sich einfach verwöhnen/überraschen zu lassen. Und sei es nur für ein gutes Glas Rotwein auf der Terrasse. Die Sache mit dem Essen ergibt sich dann von selber. Denn was der Bauer nicht kennt, kann er kennenlernen. 

Vive la France! Marseille à la vie, à la mort!

Nachtrag, AZ vom 7. März 2012: 


29. Februar 2012

Gestatten: 29. Februar, Schalttag!

Heute arbeiten wir gratis, gewusst? Ein unbezahlter, zusätzlicher Tag - dieser 29. Februar. Schaltjahre sind wichtig. Ohne sie würde irgendwann alles durcheinanderkommen. Und vermutlich so enden wie der Maja-Kalender. Im Ende der Welt. Da wir aber einen Schalttag haben, wird uns das nicht passieren. Nicht uns. Alle vier Jahre braucht es den zusätzlichen Tag, um den Kalender im Lot zu halten. Der Schalttag hat allerdings mehr zu bieten, als auf den ersten Blick offenkundig wird. Unzählige Menschen feiern an diesem Tag ihren Geburtstag. Lustigerweise keiner meiner Facebook-Freunde, obwohl die doch sonst jeden Tag Geburi haben. In Frankreich erscheint eine eigene Zeitung, die mit viel Humor auf die Ereignisse der vergangenen vier Jahre zurückblickt. Ausserdem freuen sich die europäischen Finanzminister über den zusätzlichen Tag. 

Heute feiert zum Beispiel Rainer Zufall seinen 16. Geburtstag. Geboren wurde er am 29. Februar 1948. Tausende Schaltjahrkinder gibt es in der Schweiz und obwohl ich kein Einziges kenne, statistisch gesehen ist die Geburtenrate am Schalttag im Mittel. Rainer Zufall sieht sein seltenes Geburtsdatum übrigens gelassen und freut sich darauf, mit 72 Jahren endlich volljährig zu werden.

"La Bougie du Sapeur", also „Die Kerze des Feuerwehrmannes“, heisst eine französische Zeitung, die nur am Schalttag erscheint. 1980 entstanden aus der Stammtischlaune einer Herrenrunde, ist das Blatt zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Die Auflage liegt jenseits von 200.000 Exemplaren. Alle Journalisten schreiben ehrenamtlich. Die einzige Entlohnung ist – in Anlehnung an die Entstehungsgeschichte – ein üppiges Mahl in einem noblen Pariser Restaurant. Ein Abo für das 21. Jahrhundert kostet 60 Euro.


Aber der Schalttag ist nicht nur lustig: Mit 83 Toten ereignete sich am Schalttag 1964 eines der grössten Unglücke der Zweiten Republik. Bei dichtem Nebel raste eine Turboprop-Maschine der britischen Fluglinie „Cunard British Eagle Airways“ gegen die 2675 Meter hohe Gamslahnerspitze in Tirol. 75 Passagiere und acht Besatzungmitglieder waren auf der Stelle tot. Unter grosser Gefahr für das eigene Leben suchten Rettungsmannschaften im schwer zugänglichen Gebiet nach Überlebenden. Ohne wirklich grossen Erfolg. Auch für alle Berufstätigen ist ein Schaltjahr nur bedingt ein Grund zur Freude. Denn sie schenken ihrem Arbeitgeber einen ganzen Tag. Der Finanzminister hingegen reibt sich die Hände. Schaltjahre bedeuten mehr Einnahmen. Schliesslich wird auch am 29. Februar getankt, gegessen und geheizt.

2004 würdigte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den Schalttag darum in einer Studie. Er wurde massgeblich für das unerwartet hohe Wirtschaftswachstum verantwortlich gemacht. Dieser „Kalendereffekt“ ist seit langem bekannt, wird aber von der Politik gerne verschwiegen, um die Arbeitnehmer nicht unnötig auf ihre unbezahlte Mehrleistung aufmerksam zu machen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte 2004, dass der Kalender das Wachstum stärker fördere als alle halbherzigen Wirtschaftsreformen. Wer keine Lust auf Mehrarbeit ohne mehr Lohn hat, am 11. März hat man die Chance sich dagegen zu wehren. Also ab an die Urne und JA zu 6 Wochen Ferien im Jahr! 

Aber woher kommt dieser ominöse Schalttag eigentlich? Ohne Schalttag würde sich das Datum jedes Jahr einen Vierteltag gegenüber der Jahreszeit verschieben. Nach ein paar Jahrtausenden wäre der Dezember dann ein wonniger Sommermonat - was ich persönlich ja noch witzig fände. Schon den Ägyptern war dieses Problem 238 vor Christus aufgefallen. Sie führten alle vier Jahre einen Schalttag ein. Julius Caesar übernahm diese Idee später in den Julianischen Kalender. Trotz dieser Modernisierung war das Kalenderjahr rund elf Minuten länger als das Sonnenjahr. Die Minuten summierten sich. Im 16. Jahrhundert liess Papst Gregor XIII. deshalb einfach zehn Tage im Oktober ausfallen und modernisierte die Schaltjahrregel erneut.