Grossstadtleben macht müde. Irgendwie schlafen diese Cities nie so wirklich und wenn man hier ist, passt man sich diesem
Lebensstil dann halt an. So gesehen kamen die beiden letzten Tage hier gar nicht mal so ungelegen, es war nämlich für einmal zwischendurch etwas bedeckt und man konnte ohne schlechtes Gewissen etwas länger liegen bleiben im Hotel. Ok, die Putzfrau hatte nicht so wirklich Freude an uns, aber ehrlich gesagt putz ich ja zu Hause auch nicht jeden Tag meine Wohnung und vom Bett machen reden wir jetzt gar nicht erst. Also so gesehen konnte sie beruhigt etwas früher Feierabend machen und unser Zimmer auslassen.
Die etwas kühleren Temperaturen - und wir reden hier immer noch von 22 Grad -, sowie die Wolken verführen natürlich zum Shopping. In einer Millionenstadt wie Marseille könnte man eh sein Konto komplett
über den Haufen werfen. Mango, Disney, Virgin, Fnac, Lafayette, Maison de Pastis, G-Star, Aubade, Chevignon, Le Coque Sportiv.... so ziemlich jede Marke hat hier unten ihren eigenen Laden. Aber nicht alles ist hier in La France in Mode oder wie der Franzose sagt, branché. Darum fass ich heut mal kurz zusammen, was hier unten bei den Männern und Frauen der Grossstadt derzeit angesagt ist.
Bei den Jungs sind es - immer noch - die schwarzen Umhängetäschchen. Das war vor Jahren schon mal so, dann war es mal weg und jetzt hat es jeder. Aber wirklich jeder. Wer dabei sein will trägt also eine kleine Handtasche mit sich rum. Zum Glück hab ich auch einen Sac - meiner ist zwischen stolze 14 Jahre alt - mit dabei und kann mich so total unerkannt dem Trend anschliessen (Vorsicht Ironie). Nein, im Ernst. Das ganze hat weniger mit Mode, als vielmehr mit einem praktischen Aspekt zu tun. Hier wird doch häufiger mal ne Brieftasche oder ein Handy geklaut, also trägt man all diese Sachen in dieser Tasche mit sich rum. Die Hersteller dieser Dinger
haben das inzwischen natürlich auch gemerkt und darum trägt le Marseillais Täschchen von Diesel, Calvin Klein, Lacoste und Hugo Boss.
Dazu passend - wir sind noch bei den Männern - sind die Trainerhosen. Auch hier sind alle teuren Marken bestens vertreten und es kommt auch mal vor, dass eine Trainerhose zu einem Veston getragen wird. Dazu oben rum ein Schal, gebunden à la Jogi Löw und so darf man sich hier auch im teuren Restaurant zeigen. Ok, in Massilia geht man auch im Fussballshirt in die Kirche und der Pfarrer segnet es einem sogar noch. Marseille tickt halt etwas anders. Kein Wunder hab ich auch dieses Mal wieder sämtliche OM-Shops der Stadt aufgesucht, geplündert und meine Tasche mit Devotionalien gefüllt.
So und nun zu den Damen der Schöpfung. Ich gebs zu, man schaut hier gerne hin diesen Herbst. Stiefel, dunkle Strumpfhosen und Röcke - meist in schwarz - bestimmen das Stras
senbild. Wir waren heute in nem Schuhladen, da musste man also direkt lange suchen um ein paar "ganz normale" Schuhe zu finden. Stiefel mit und ohne Absätze, in allen Farben und in allen Materialen. Und das wird nicht nur ver-, sondern auch gekauft. Madame Marseillaise geht mit diesen Dingern (wie läuft man mit sowas?) arbeiten, zum Essen, zum Kaffee, besucht die Schwiegermutter und sitzt damit auf der Tribüne des Stade Vélodrôme. Und nun stellt man sich daneben einfach mal den Mann vor, in den bequemen Sneakers, dem Umhängetäschchen und den Trainerhosen. Hübsch, oder?
Und sonst? Völlig in der Mode sind Möpse, also die mit den vier Beine. Auch Furzhunde genannt. Oft werden sie getragen und entsprechend an so ziemlich jede Veranstaltung mitgeschleppt. Total out ist hier das iPhone. Viel zu teuer und das Netz ist nicht wirklich gut in Sachen 3G. Dafür bietet Orange einen speziellen Fussballkanal übers Telefon an. Da kann man - beinahe kostenlos - das Spiel seiner Lieblingsmannschaft live mitverfolgen. Aber in der Regel macht man das eh in einer Kneipe, denn das Public Viewing hat hier unten überlebt und in beinahe jeder Beiz stehen mehrere Flatscreen
s auf denen dann auch immer irgendwie ein Spiel läuft. Am Weekend die Meisterschaft, seit Dienstag jeden Abend Pokal.
Von wegen Kneipe, liebe Schweizer Wirte. Nehmt euch doch einfach mal ein Beispiel an der südfranzösischen Gastfreundschaft. Hier unten sitzt du - zum ersten Mal im Leben - in einem Resto und isst oder trinkst etwas. Plötzlich erscheint der Wirt und bringt dir nen Schnaps vorbei. Dazu die Frage, was du hier machst und ob es dir in Marseille gefällt. Dann noch ein paar Tipps, wohin man unbedingt noch gehen muss und vielleicht noch einen zweiten Drink for free. Unaufgefordert, ehrlich und von ganzem Herzen. Gleiches gilt auch für Verkäuferinnen, Clochard oder Polizisten und, und, und... Man erfreut sich über den Besuch und zeigt das auch. Ein paar Huitres mehr auf der Platte, beim Spanier eine zusätzliche Vorspeise oder eine Einladung zu einem spontanen Aperitif gehören inzwischen fast zur Tagesordnung. Und ach ja, das Auto ist immer noch ganz. Trotz CH-Nummernschild.
Marseille, je t'aime!!