Wenn sie das tun, dann kommt es meistens nicht gut. Nichts gegen investigativen Journalismus, ganz im Gegenteil. Aber die Story, die ich gestern im Magazin des Sonntagsblick gelesen habe schiesst meiner Meinung nach weit über das Ziel hinaus. Reporter Sandro Brotz wollte der Schweiz zeigen, welche Gesichter sich hinter dem Allerweltsbegriff "Hooligans" verstecken. Als Vorbild nahm er sich die Fahnung der Luzerner Kantonspolizei, welche vor einigen Wochen mit Fotos nach Randalierern gesucht und damit auch Erfolg hatte.
Der grosse Unterschied ist nur, dass die von den Luzernern gesuchten Übeltäter damals auf frischer Tat ertappt, von Sicherheitskräften fotografiert und die Bilder von der Polizei in diesem Zusammenhang authorisiert wurden. Die Fotos welche der Sonntagsblick gestern verwendet hat stammen von Fotoagenturen (Siehe Bild links, von mir verfremdet). Also von professionellen Zeitungsfotografen, welche auf der Suche nach einem guten und spektakulären Bild waren. Entsprechend sind auf zahlreichen Fotos randalierende Schläger zu sehen, die gut ins Bild gerückt fotografiert wurden. Auf einem Foto ist jedoch ein Mann zu sehen, der zwei Stinkefinger à la Effenberg in die Höhe streckt. Auf einem anderen Bild einer, der von Securitasmännern flankiert wird. Meine Frage nun, ist denn einer der den Stinkefinger zeigt gleich ein Hooligan? Ist der Mann der begleitet von Sicherheitsleuten das Stadion verlässt ebenfalls ein notischer Schläger? Haben die beiden Männer überhaupt einmal jemanden verprügelt oder etwas demoliert?
Da beide aus der Fanszene Aarau kommen kann ich sagen: Nein, haben sie nicht! Bei beiden Fotos kenne ich die Vorgeschichte, war an jedem Tag als die Bilder geschossen wurden auch selber im Stadion anwesend und habe damals sogar für den FC Aarau gearbeitet. Von beiden Männern ging keinerlei aktive Gewalt aus, ganz im Gegenteil. Einer von beiden wollte gar nur schlichten und musste als Konsequenz selber Schläge einstecken. Keiner der beiden Männer wurde daraufhin verzeigt und keiner der abgebildeten Fans wurde mit einem Stadionverbot oder sonst wie bestraft.
Ich will hier niemanden in Schutz nehmen und an dieser Stelle betonen, dass ich gezielte Aktionen gegen gewalttätige Hooligans unterstütze. Aber wenn von Sandro Brotz schon Menschen öffentlich mit Foto an den Pranger gestellt werden, dann sollte zuvor doch wenigstens korrekt recherchiert werden. Nur mal mit Suchbegriffen wie "Hooligans Schweiz" oder so im Google etwas herumstöbern und dann bei der Fotoagentur die entsprechenden Fotos anfordern ist fahrlässig. Ein Gespräch meinerseits mit den beiden abgebildeten Fans hat aufgezeigt, dass sie aufgrund des Sobli-Berichts bereits gestern erste negative Reaktionen gekriegt haben. Dass der heutige erste Arbeitstag nach dem Weekend und dem Foto in der Zeitung unter Umständen auch nicht gerade angenehm gewesen sein dürfte versteht sich von selber.
Egal, denn wer als Journalist - der scheinbar nicht mal den Unterschied zwischen Hooligans und Ultras kennt - meint er müsse die Arbeit der Polizei verrichten, der liegt meiner Meinung nach falsch. Es ist nachvollziehbar, dass nach Übeltätern per Foto gesucht wird. Aber das ist der Job der Behörden und bestimmt nicht die Aufgabe einer Boulevardzeitung. Vorallem dann nicht, wenn der Journalist willkürlich zu Fotos greift, von welchen er gar nicht weiss, was passiert ist bevor und nachdem der Fotograf den Auslöser gedrückt hatte. Und es nicht mal Fotos sind, welche von den Sicherheitskräften oder der Polizei authorisiert wurden.
Aber eben, im Vorfeld der Fussball EM in der Schweiz tut so mancher (Brotz, Brack, Landolt etc.) einiges, dass ihn gegenüber der Öffentlichkeit zum Gutmenschen macht. Damit er dann in einem Jahr sagen kann, auch ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass unsere Welt besser geworden ist. Und sei es nur mit dem wahllosen Blossstellen von unbescholtenen Bürgern mit einwandfreiem Leumund. Aber vermutlich versteht der angesprochene Schreiberling mein aktuelles Kopfschütteln auch gar nicht. Vielleicht wäre es ja anders, wenn ein Foto von ihm auftauchen würde, welches ihn zum Beispiel an einer Geburtstagsparty freudig am Feiern zeigt mit der Bildlegende: "Blickjournalist notorisch besoffen!"