2. August 2010

Viktor und die Afrikanerinnen

Juhuuu, die Schweiz hat bei der Leichtathletik EM in Barcelona doch tatsächlich eine Goldmedaille abgeholt. Damit hätte man im Vorfeld dieser Europameisterschaften nicht wirklich rechnen dürfen, entsprechend hat das Schweizer Fernsehen dann auch nur die letzten 2 Tage oder besser gesagt Abende live (Nein, Peter Minder: der Petr Frydrich ist kein Deutscher, sondern ein Tscheche!) übertragen. Ansonsten gabs kurze Berichte im "Sport aktuell", ganz im Gegensatz zu ARD und ZDF, da wurde glaub so ziemlich jeden Tag über jeden Bewerb berichtet. Okay, wers schauen kann. Nun, an dieser Stelle aber erst einmal ein grosses BRAVO an den Schweizer Marathon-Man Viktor Röthlin, der sich gestern auf überzeugende Art und Weise Gold geholt hat. Das war ja der Wahsinn. Da fällt er ein Jahr lang aus wegen zwei Lungenembolien (und das klingt definitiv dramatischer als zB eine Grippe) und einer Fuss-OP, überlegt sich dann ob und wie es weitergehen soll... und Peng, wird er Europameister! Da ziehe ich den Hut, so mancher Sportler hätte unter diesen Umständen schon lange aufgegeben. Sollte ich nun einen Bogen schlagen zum FC Aarau, welcher scheinbar ohne Gegenwehr in Yverdon verloren hat? Nein, das lass ich mal. 


Viel lieber bleib ich noch kurz in Barcelona. Die Schweizer Männerstaffel hat auch überzeugt, mit einem neuen nationalen Rekord und Platz 4 im Finale. Und das, wie Röthlin, am 1. August! Ebenso überzeugend war der Auftritt der Hürdenläuferin Lisa Urech, welche sich ebenfalls für den Final qualifizieren konnte. Überhaupt traue ich ihr - dank professionellem Training in Stuttgart - eine grosse Zukunft zu. Einmal mehr hab ich in den EM-Tagen jedenfalls erneut bemerkt, dass Leichtathletik halt irgendwie schon die kompletteste aller Sportarten ist. In meiner Jugend war ich ja auch ein begeisterter Athlet beim BTV Aarau, rückblickend gesehen waren das - neben dem Handball später - auch meine erfolgreichsten und vorallem schönsten Jahre in Sachen Aktivsport. Tja und nun mit 40 Jahre auf dem Buckel schau ich mir immer wieder gerne die grossen Meetings aus Zürich, Paris, Rom oder Monaco an. Und dank modernen Medien ist es ja inzwischen auch durchaus möglich solche Events zeitversetzt oder auf dem Balkon oder im Schnelldurchlauf zu geniessen. Ich gebs zu, die Qualis in Kugelstossen oder Diskus lass ich dann schon auch aus, ich bin eher ein Final-Junkie! 

So ein spannendes Finale gabs dann auch gestern Abend und zwar im Hochsprung. Ariane Friedrich gegen Blanka Vlasic: Deutschland gegen Kroatien. Hammer, das war spannend wie vor einem Jahr bei der WM in Berlin. Nur dass sich gestern überraschenderweise die junge Schwedin Emma Green (Hach!) auf Platz 2 platzieren konnte. Gold ging nach Kroatien, Bronze nach Deutschland. Dafür holte sich Deutschland - ebenfalls überraschend - Gold im Weitsprung, der junge Herr wurde bei der Siegerehrung so richtig ruhig und der Stolz war aus seinen Augen zu lesen. Wunderbar! Überhaupt gabs in Barcelona in diesem Jahr viele neue Gesichter zu sehen. Vom Franzosen Lemaitre hab ich an dieser Stelle ja bereits ausführlich berichtet, unterm Strich haben les Bleus dann im Medaillenspiegel den grossartigen zweiten Rang belegt. Zu verdanken haben sie dass einer tollen Nachwuchsarbeit! Gleiches gilt für die deutsche Delegation, auch da kann man nur gratulieren. 

Toll find ich übrigens - um so langsam zum Schluss zu kommen - auch, dass die mit Wachstumshormonen vollgepumpten Ostblock-Sportlerinnen so gut wie verschwunden sind. Die Leichtathletin 2010 erinnert häufig an ein Topmodel, das aber auch Leistung bringt. Natürlich waren zahlreiche Sportlerinnen während dieser EM Thema in der Boulevardpresse. Es gab erotische Fotos, Schnappschüsse vom Knackpo und zweideutige Interviews. Okay, mir ist diese junge Garde gutaussehender Sportlerinnen (und auch Sportler) tatsächlich auch aufgefallen. Erst recht natürlich, seit die Frauen nicht mehr Stoff am Leib tragen als zum Beispiel eine Beachvolleyball-Spielerin. Ob das nun dem Sport tut gut oder nicht, das mag ich nicht beurteilen. In Erinnerung bleiben werden mir jedenfalls Athletinnen wie Emma Green (SWE), Christina Vukicevic (NOR), Verena Sailer, Carolin Nytra und Jennifer Oeser (GER). Und das - um den Chauvi-Faktor zu minimieren - nicht nur optisch, sondern weil sie durch Leistung aufgefallen sind. Nämlich. 

Weniger begeistern konnte ich mich dagegen für die "Jugendarbeit" der türkischen Delegation. Immer wieder waren nämlich SportlerInnen mit schwarzer Hautfarbe und afrikanisch klingenden Namen zu sehen. Ein bisschen Internetrecherche und ein kritischer Bericht im ZDF haben dann aufgezeigt, dass man scheinbar vom türkischen LA-Verband aus regelmässig nach Aethiopien oder Kenia fährt und da talentierte Kinder "adoptiert". Die werden dann mit zehn oder elf Jahren quasi importiert, kriegen einen türkischen Pass und sollen später für ihr neues Heimatland auf Medaillenjagd gehen. Ich persönlich finde dieses Vorgehen nicht wirklich sauber. Klar, es gibt Beispiele von Sportlern welche zum Beispiel nach dem Studium in einem neuen Land hängengeblieben sind oder andere Geschichten wo die Liebe nicht ganz unschuldig war am Umzug. Aber dass man mit System Kinder ins Land holt um dann später von ihnen zu profitieren, das find ich verwerflich. Übrigens hat diese Masche beim 10'000 Meter Lauf der Frauen zu einer schrägen Situation geführt: die Deutsche Sabine Mockenhaupt wurde dabei Sechste, würde man die eiligst eingebürgerten Afrikanerinnen vor in der EM-Rangliste streichen, dann hätte Mockenhaupt eine Medaille geholt... Seis drum, im Fussball ist dieser moderne Menschenhandel ja bereits zur Normalität geworden und ich will darum an dieser Stelle diesen - nennen wir es mal so - "kulturellen Austausch" auch nicht weiter kritisieren. Lieber noch einmal ein kräftiges "Bravo Viktor!"

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