21. November 2006

Quo vadis Juvena?

In den vergangenen Tagen und Wochen haben sich bei mir beim Durchlesen der Zeitung gleich mehrmals die Nackenhaare aufgestellt. "Wegen Vergewaltigung: 11-jähriger vor Gericht" - "Sexbande missbraucht 13jähriges Mädchen" - "Ehemaliger Schüler läuft Amok".... und das sind nur gerade 3 spontan gegoogelte Schlagzeilen der letzten 2 Tage.

Eines scheint klar, die Sitten auf unseren Schulhöfen haben sich verändert. Der Umgangs-Ton wird härter, wer in der Schule nicht mitkommt, erzwingt sich auf dem Pausenplatz Ansehen. Notfalls mit Gewalt. OK, wir waren früher auch keine Engel. Ich gebe ungern zu, dass ich in meiner frühen Pubertät auch an der einen oder anderen Auseinandersetzung dabei war. Bloss, wer hat schon nicht solche Pausenplatz-Prügeleien miterlebt. Rückblickend gesehen sind diese Zwischenfälle dann auch immer irgendwie glimpflich abgelaufen. Mal ne Schramme, mal ein blaues Auge vielleicht.. mehr war da aber nicht.

Heute haben diese Schlägereien jedoch eine andere Qualität erreicht. Und sie finden vorallem nicht mehr nur auf den Schulplätzen statt, nein, ganze Stadtteile werden zu Kriegsgebiet und Kampfzone erklärt. In gewissen Stadtteilen haben Jugendgangs das Sagen. Wer nicht spurt, kriegt auf die Fresse. Punkt. Was im Elternhaus anfängt, wird erst in die Schule und dann in die Freizeit getragen. Viele Kinder und Jugendliche geniessen zu Haus von ihren Eltern null Ansehen. Dieses Ansehen suchen sie dann in der Schule, da klappts - aus verschiedenen Gründen - vielleicht auch nicht. Also macht man "den grossen Max" halt da wo es viele Leute hat: in der Stadt.

Und wem dieses Ansehen noch immer nicht reicht, der holt sich die Medien zu Hilfe. Wo früher mal ein Fahrrad geklaut oder ne Scheibe eingeschlagen wurde, da wird heute ein Kiosk ausgeraubt oder eine Mitschülerin missbraucht. Angesprochen auf ihre Taten, scheinen viele der Jugendlichen gar nicht zu realisieren, was sie getan haben. Die Grenze dessen, was als "normal" angeschaut wird, hat sich nach oben verändert. Internet, Filme, Videospiele, Musik, ja die ganze Gesellschaft nimmt in der heutigen Zeit viel mehr hin, als noch vor einigen Jahren. Wo man sich in den 80er Jahre noch über ne versprayte Wand aufgeregt hat, kümmert das heute niemandem mehr. Um Aufsehen zu erregen, braucht es viel mehr.

Nicht zuletzt tragen die Medien da eine Mitschuld. Noch vor ein paar Jahren hätten doch Vandaleakte noch keine Erwähung gefunden in Radio, TV und Zeitung. Heute gibts in den TV-Boulevard-Magazinen und bei den Privaten 3-Minuten-Berichte über über einen 15jährigen der mit dem Auto seines Vaters nen Unfall gebaut hat. Das ganze wird zum Alltag. Will man also auffallen und wirklich prominent in den Medien erscheinen, braucht es mehr. Viel mehr. Und ein Teil der Jugend (ich betone ein Teil) ist bereit dies zu geben. Sei es durch Gewalt in Fussballstadien. Durch exzessiven Genuss von Drogen und Alkohol (mit 12 oder 13 Jahren!). Durch Missbrauch von jungen Frauen. Oder - ganz aktuell- durch einen sauber inszenierten Amoklauf.

So lange das Problem nicht an der Wurzel angepackt wird, nämlich zu Hause in den eigenen vier Wänden. Und so lange die Medienlandschaft sich wie die Geier auf solche Aktionen stürzt, wird sich kaum was ändern. Im Gegenteil, die Spirale wird sich nur noch schneller drehen. Eine Vergewaltigung oder ein Amoklauf werden - man nehme die Qualität der Terroranschläge als Vergleich - kaum mehr für wirklich grosse Schlagzeilen sorgen. Es müssen dann schon Schulen in die Luft gesprengt oder Mitschülerinnen missbraucht und ermordet werden.... Ich weiss, eine traurige Vision. Aber ein Blick in meine Jugend und ein anschliessender Vergleich mit der heutigen Zeit, lassen für mich persönlich derzeit keine anderen Schlüsse zu.

Und erst am Weekend hat mir ein Kollege, der eben gerade Vater geworden ist, gesagt, er mache sich Sorgen um die Zukunft seiner kleinen Tochter. Womit wir dann wohl beim Thema Geburtenrückgang wären. Aber lassen wir das für heute.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

es fängt in der familie an, das stimmt. aber dann geht es doch medienunbelastet weiter: ein krippenplatz, ein kindergartenplatz, ein arbeitsplatz - es gibt für eltern stolpersteine ohne ende. bist du nicht gerade arbeitslos oder alleinerziehend, zahlst du für die betreuung deines kindes einen horrenden preis, denn dafür gibt es kaum bis gar keine unterstützung vom staat. dafür braucht man dann auch nicht mehr arbeiten zu gehen, weil man von dem rest gar nicht leben, geschweige denn seine miete bezahlen kann. dieser frust überträgt sich dann ebenfalls auf die kinder.

die spirale dreht sich um viele missstände, von denen einige einfach totgeschwiegen werden. heute habe ich in der zeitung gelesen, dass es eine "erbitterte debatte" im bundestag gibt, was nun genau beschlossen werden soll: mehr kindergeld oder freie kindergartenplätze.

in was für einem land leben wir eigentlich? wieso ist das wohl der kinder überhaupt eine debatte wert?

mich wundert mittlerweile nichts mehr. meine tochter ist 11 jahre alt und macht keine probleme. sie ist nicht gewalttätig, macht auch keine anstalten zu rauchen oder zu trinken und hat als hobby nicht computerspielen, sondern z.b. den tierschutz. natürlich hat sie ihre macken, wie jedes vorpubertierende kind auch - aber alles im rahmen. gottseidank!
wenn ich dann schlagzeilen lese wie z.b. "mit 12 jahren mutter geworden" wird mir ebenfalls schlecht. aber ich gebe nicht nur den eltern, den medien und der schule die schuld: es ist auch die kinderfeindliche politik in deutschland die dazu führt, dass eltern sich nicht anständig um ihre kinder kümmern können.

in anderen ländern gibt es ganztagskindergärten und -schulen. es gibt schuluniformen, die einen ganz grossen reibungspunkt relativieren, es gibt mittagessen, hausaufgabenbetreuung etc. wieso gibt es das in deutschland nicht?

und es geht auch nicht darum, die eltern von der verantwortung zu entbinden, wenn man sein kind in so einer einrichtung "abgibt". es geht darum, dass eltern die möglichkeit zur freien entscheidung gegeben werden muss. und nicht aus der not eine tugend zu machen, weil es eben nichts anderes gibt, als die kinder mittags alleine zuhause lassen zu müssen, weil es keine hortplätze gibt.

ach, ich könnte mich jetzt so aufregen. ich lasse das lieber.

Anonym hat gesagt…

Da hast du mal ein ernstes Thema gut in Worte verpackt. Gratulation zum Beitrag. Mit solchen Themen sollte man sich vielmehr auseinandersetzen und nicht erst, wenn solch tragische Ereignisse passieren - dann ist es zu spät!