Im Berliner Reichstag findet in diesen Minuten die sogenannte "Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus" statt. Seit 1996 wird in Deutschland immer am 27. Januar dieser Opfer gedacht, weil an diesem Tag im Jahre 1945 die Rote Armee die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau befreit haben. Alle sind da: Merkel, Köhler, Schäuble, Roth, Westerwelle und wie sie alle heissen. Bundestagspräsident Lammert richtet sich als erster Redner an die die Hinterbliebenen der Opfer und an Überlebende und betont dabei, dass sich die Gewalt der Nazi gegen viele Menschen gerichtet hat. Juden, Sinti, Roma, Prostituierte, Slawen, Homosexuelle, Andersdenkende, Behinderte, Schwarze und viele mehr...
Unter den Gästen wie gesagt viele Vertreter, die im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aktiv sind. Als Rednerinnen und Redner folgen Schülerinnen und Schüler des Sophie Scholl Gymnasiums. Bloss, jemand fehlt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland boykottiert diese Gedenkveranstaltung. Sein Generalsekretär liess ausrichten, dass niemand kommen werde und beklagte sich in seiner Begründung nach dem Warum, dass Vertreter seiner Organisation bei den Gedenkfeiern der vergangenen Jahre nie persönlich im Bundestag begrüsst worden seien. Daher werde diesmal niemand an der Veranstaltung teilnehmen.
Hallo? Aber sonst alles im grünen Bereich...? Da gibt man sich in Deutschland (und in anderen Ländern) regelmässig Mühe, das Geschehene in Erinnerung zu behalten und aufzurütteln, neue Generationen daran zu erinnern, was vor Jahren im Dritten Reich passiert ist. Während dieser Zeit haben - nur als Beispiel - von rund einer Million jüdischer Kinder im besetzten Polen gerade mal 5000 überlebt. Ist es da nicht ein Affront gegenüber all denen, die diese Zeiten überlebt oder in dieser Zeit ihre Liebsten verloren haben, wenn der das höchste Gremium der Juden in Deutschland bei einer solchen Veranstaltung mit Abwesenheit glänzt? Erst recht mit dieser - in meinen Augen - lächerlichen Begründung...
Den Faden weiterspinnen und Zusämmenhänge mit den erneuten Gewalttaten im Gazastreifen gegen Palästinenser zu suchen, wäre wohl der falsche Weg. Trotzdem hinterlässt dieser überhebliche Boykott bei mir mehr als ein Kopfschütteln. Und es wäre in meinen Augen gegenüber all den Opfern - egal welcher Religion, Hautfarbe etc - die das Schreckensregime gefordert hat nicht mehr als anständig gewesen, wenn man ihnen mit Respekt begegnet wäre. Dem Respekt, welcher der Zentralrat der Juden selber regelmässig in öffentlichen Auftritten vehement fodert.