21. September 2006

Der Aarauer Bachfischet

So, heute beschäftige ich mich mal mit Brauchtum. Genauer gesagt mit dem "Aarauer Bachfischet". Zuerst möchte ich gleich einmal mit einem Irrtum aufräumen, der Anlass heisst "Bachfischet" und nicht - wie oft gehört - BachfischetE. Der ganze Abend hat entsprechend auch nichts damit zu tun, dass irgendwelche Fischer Fische fischen oder dass Bäche leer gefischt werden und so weiter.

Dass ich gerade heute über den "Bachfischet" schreibe ist natürlich kein Zufall. Nur noch einmal schlafen und dann steht das Fest nämlich ins Haus. In Aarau kennt man neben dem "Maienzug" als eigentliches Fest nur noch eben diesen "Bachfischet". Dazu kommt noch die MAG, eine Art Herbstmesse, die AMA eine Gewerbeausstellung im Frühling oder der traditionelle Rüeblimärt. Wobei beim zweiteren nicht wirklich gefeiert wird. Und auch der "Bachfischet" ist eigentlich eine Art Zwitterfest. Weil man sich die Party rund um den Umzug selber organisieren muss. Was jedoch den Vorteil hat, dass im Gegensatz zum Maienzug die Aarauer unter sich feiern. Aber fangen wir vorne an:

Aarau wird ja bekanntlich nicht nur von der Aare, sondern auch vom Stadtbach durchflossen. Früher wurde dieser Bach einmal im Jahr gereinigt, was die Aarauerinnen und Aarauer gemeinsam besorgten. Nach dieser Anstrengung hatten sie Anrecht auf Speis und Trank, bezahlt von den Aarauer Stadtherren.

Heute erledigt das Stadtbauamt und seine Arbeiter diesen Job. Seit gut 150 Jahren jedoch besteht nun der Brauch, dass die Schulkinder "das erste Wasser", das durch das gesäuberte Bett fliesst abholen. Dazu rüsten sie sich mit Haselzweigen aus, diese werden mit bunten, selbergebastelten Laternen geschmückt. So ziehen sie dann dem Flusslauf entlang - sofern das möglich ist, der Bach verläuft meist unter dem Boden - durch die Stadt. Dazu singen oder rufen die Kinder uralte Verse in den Nachthimmel.

Nach dem Umzug findet im Schachen ein Feuerwerk statt, das traditionsgemäss mit dem sogenannten "Mords-Chlapf" sein Ende findet. Und das war's. Das Fest ist also eigentlich ein Kinderfest am Abend. Nur, während ich früher noch mit meinen Schulkameraden durch die Gassen zog, begleiten verängstigte Eltern ihre Kinder heute schon während dem Umzug. Sprich, man sieht in der komplett verdunkelten Stadt mehr dunkle Gestalten (Eltern) als Kinder mit Lichtern. Auch hat die Aarauer Gastronomieszene sich etwas vom "Bachfischet" abgewandt. Wo früher im Anschluss an den Umzug noch kräftig gefeiert wurde, geht man heute schnell nach Hause. Die Kinder müssen ins Bett, es ist ja schon spät.

Trotzdem, an verschiedenen Orten in der Altstadt wird auch morgen Freitagabend wieder kräftig gefeiert, gesungen und getrunken. Ein paar Beizer haben sich ein spezielles Programm bereit gemacht. So wird man mich natürlich auch morgen wieder in der Stadt antreffen, laut brüllend "Fürio de Bach brönnt, d Suhrer händ ne azündt, d Aarauer händ ne glösche, d Chüttiger, d Chüttiger riite uf de Frösche" Und wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat, der kommt morgen am besten selber vorbei und schaut sich dieses Spektakel persönlich an!

Hinweise zur Ausgabe 2007!

20. September 2006

Scheiss Tag irgendwie

Schweizer Blöd TV

Lang lebe die Schweizer TV-Landschaft! Nein, ich werde mich an dieser Stelle bestimmt nicht darüber aufregen, dass das Schweizer Fernsehen (der Staatsfunk) auch am vergangenen Wochenende zum x-ten Mal das Unspunnenfest wiederholt hat. Vielmehr möchte ich einen Blick auf die privaten Schweizer TV Stationen werfen. Seit einigen Wochen gibts ja in unserem Land eine richtige Auswahl an Privaten - Vorsicht Ironie!


Seit Tele24 und Tele 3 ihren Betrieb eingestellt haben, war es ruhig in der Schweizer TV-Landschaft. Niemand hat sich mehr getraut, das vom Steuerzahler mitfinanzierte und milliardenschwere SF vom Sockel zu stossen. Oder zumindest ein bisschen zu kitzeln. Nun macht sich seit einigen Wochen der Sender 3+ auf, dem Staatsfernsehen ein paar Zuschauer zu klauen. Jedoch dürfte auch diesem Sender über kurz oder lang die Puste oder besser das Geld ausgehen. Nach Star TV und U1 versucht sich auch 3+ mit diversen Telefonspielen über Wasser zu halten. News gibts eher zufällig und entsprechend natürlich auch nicht aktuell. Die Filme sind Billigware, die Serien schon tausend mal auf anderen Sendern gelaufen. Gespannt darf man auf die Eigenproduktionen sein, wobei die Castingshow "Ich glaub ich bin ein Star" nach ihrer ersten Folge bereits für Ernüchterung gesorgt hat: Panne um Panne und ein peinlicher Kommentator!

Aber zurück zu den Gameshows. Losgehts auf 3+ damit - wie uns das Programm täglich verrät - bereits am Vormittag. Und die Anrufshows werden dann knallhart durchgezogen bis in die Feierabendstunden. Vor der Kamera meist garantiert talentfreie junge Frauen, die in dieser Call-In-Show erste Erfahrungen on-air sammeln dürfen. Reingezappt hab ich mal als ein junger Mann versuchte, die Zuschauer zu überzeugen, dass sie doch "für 1 Franken 50 pro Anruf oder Anrufversuch und jede weitere Minute" ins Studio telefonieren sollen. Er hat das in etwa so probiert: "Du muesche proppiere uf de Studio azulüte. Koste nur eine Frank fuffzig pro Minut. Säge mire die Lösunge" Gute Nacht, meine deutsche Sprache! Nichts gegen diesen Mann, der kein Schweizerdeutsch kann, das ist ja grundsätzlich überhaupt kein Problem. Nur, dass ihn der Programmleiter auf Sendung lässt, da hab ich dann Mühe.

Auch der Sender U1 setzt inzwischen auf diese Telefon-Shows. Und der Kanal aus der Wagistrasse setzt sogar noch einen drauf: die Moderatorinnen sind nackt! Die drei Schönheiten heissen Joy (Kosmetikerin), Loulou (Erotikdarstellerin) und Suyesweet (Porno-Synchronisationssprecherin). Ausser dem Slip ziehen die Girls seit diesem Montag vor der Kamera alles aus, was an Kleidung erinnert. Dazu räkeln sie sich lasziv vor der Kamera und stellen dämliche Quizfragen. Gut, der Unterhaltungswert dieser Sendung ist immerhin einen Tick höher als bei 3+, aber auch nur, bis man die 3 Girls alle einmal gesehen hat. Und dann dürfte sich dann auch dieses Thema erledigt haben. Ok, witzig könnte es noch werden, wenn so gegen halb 1 Uhr der lüsterne Thomas vom Ausgang heimkommt und unverhofft ins Telefon stöhnt, weil er die Quiz-Nummer mit ner Sex-Nummer verwechselt hat.

Fazit: Der Hot-Button hat die Schweiz erfasst, nachdem wir uns bisher nur mit Nadims und Connys rumschlagen mussten, strahlen uns seit Montag auch Erotikdarstellerinnen (oder ist Loulou vielleicht doch ein umgebauter Mann?) aus Basel entgegen. Alle mit dem gleichen Ziel, uns mit beknackten Spielen die Kohle aus der Tasche zu ziehen. Da lob ich mir den roten Knopf, ganz rechts oben auf der Fernbedienung!

19. September 2006

Schneckenpost

Was lange währt wird endlich gut, dürfte sich eine 61-jährige Offenburgerin gedacht haben, als sie ihren Briefkasten öffnete und eine Postkarte vorfand. Schon beim Betrachten des Adressat wurde sie stutzig, denn es war ihr seit Jahren verstorbener Vater. Die Karte stammte von einer Tante ihrer Mutter. Diese hatte sie aus dem Kururlaub geschrieben – vor 44 Jahren.

"Meine Mutter hat mir das erst gar nicht geglaubt. Erst als ich sie auf die 10-Pfennig-Briefmarke hingewiesen habe, konnte ich sie überzeugen", so die 61-jährige. Wenn man bedenkt, dass der Kuraufenthalt der lieben Tante in der Nähe von Freiburg war, ist eine Zustellung über 100 km über 44 Jahre hinweg schon ein sehr langer Zeitraum.

Ein Aufkleber auf der Karte verweist noch auf eine falsche postleitzahl. Das stimmt nicht ganz. Denn die Postleitzahlen wurden erst 1993 erneuer, da war die Karte schon 31 Jahre unterwegs. Die Post allerdings gibt sich nicht äußerst schuldbewusst. "Manchmal kommt es vor, dass Kinder eine Karte finden und dann wieder in den Briefkasten werfen", erläuterte ein Post-Sprecher in Stuttgart. Ein Verschulden der Post mochte er dann doch nicht ganz ausschließen, er verwies jedoch darauf, dass dies der "absolute Ausnahmefall sei."

Eine Entschuldigung gab es also nicht. Auf der Poststelle hat man die 61-jährige Dame nur darauf verwiesen, dass die Karte doch ordnungsgemäß ausgestellt sei. Immerhin die Absenderin amüsiert sich über den Vorfall. Sie ist heute 98 Jahre alt und lebt in einem Altersheim in Baden Baden. „Sie hat lachen müssen, als ich ihr von der Postkarte erzählt habe“, sagt die Tochter des Adressaten. Unverhofft kommt eben oft...

18. September 2006

Charlotte Gainsbourg 5:55

Es ist mal wieder Zeit eine CD etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Lange genug musste ich warten, bis sich wieder etwas in meinen Ohrmuscheln verfangen hat, das mich dazu bewegt hätte, deswegen in die Tastatur zu hauen. Tja und nun ist es soweit: 20 Jahre nach ihrer letzten Single "Lemon Incest" (die damals natürlich auch gekauft habe) legt Charlotte Gainsbourg ihr zweites, eigenes Album vor. Es trägt den Namen "5:55". Hergleitet nach der Uhrzeit, um welcher Charlotte regelmässig wach liegt und träumt. Tja, Künstler haben halt einen etwas anderen Tagesablauf...

Charlotte Gainsbourg, allein der Name macht hellhörig. Ja, es ist natürlich die Tochter der französischen Skandal-Legende Serge, gezeugt mit seiner Muse Jane Birkin. Allen bestens bekannt ihre Stöhn-Single "Je t'aime, moi non plus.." Zugegeben, auch Tochter Charlotte ist jetzt nicht unbedingt mit einer gewaltigen Stimme ausgerüstet. Alle Songs sind irgendwie gehaucht und manchmal geht es tatsächlich auch in Richtung Stöhnen und Seufzen. Nur, die Stimme passt zur Musik. Und zwar perfekt! Charlottes besondere Stimme hat übrigens auch schon Madonna für sich genutzt, zu hören auf dem Intro von "What It Feels Like For a Girl".

Im Hintergrund hatte Charlotte viele fleissige Heinzelmännchen, die das Album zu dem gemacht haben, was es schliesslich ist: ein Meisterwerk. Die Texte kommen so zum Beispiel von Jarvis Cocker, Frontmann der Band "Pulp" und Neil Hannon "Divine Comedy". Arrangiert und produziert hat Nigel Godrich (Radiohead, Paul McCartney). Und schliesslich die Musik, die kommt von niemand geringerem als Nicolas Godin und Jean Benoit Dunckel, besser bekannt als "Air". Mit ihrem Album "Moon Safari" haben sie vor einigen Jahren die Electronic-Szene aufgemischt. Wenn man den Interviews der Beteiligten Glauben schenken darf, wurde rund um das Album aber nicht nur gearbeitet, sondern auch fleissig gefeiert. Um nicht zu sagen gesoffen. So erzählt Charlotte von einem feuchtfröhlichen Abend mit den Herren, Resultat der Song "Nighttime Intermission", eine fahrige Angelegenheit mit schnellen Drums und einem aggressiven Piano. Eine Art Trip halt!

Das Album ist zu einem grossen Teil in Moll gehalten. Traurige Klänge überwiegen also. Trotzdem versprüht es viel Lebenslust. Charlotte ist es Leid im Schatten ihres geliebten Vaters zu stehen. Inzwischen 35 Jahre alt (und sie sieht immer noch aus wie ein unschuldiger Teenie!), verheiratet und Mutter zweier Kinder hat die Französin ihren eigenen Weg eingeschlagen. Als Schauspielerin ist sie beinahe nur in sogegannten Arthaus-Filmen zu sehen, also künstlerische Werke. Und eine ähnliche Art Kunst legt sie mit ihrem Album nun an den Tag! Was aber nicht heissen soll, dass "5:55" kein Hitpotential hätte. Ganz im Gegenteil. Das beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Platte gleich nach ihrem Erscheinen Platz 1 der französischen Verkaufscharts belegt hat. Und das obwohl 90 Prozent der CD in Englisch gesungen sind.

Songs wie "The Operation" oder "Songs that I Sing" hätten es durchaus verdient im Radio zu laufen. Aber eben... lieber 100 x den gleichen Song am Tag, als seinen Hörern mal was Inovatives zu bieten. Aber das ist ein anderes Thema. Viele Songs sind unterlegt mit Geräuschen, so fliegen schon mal ein paar Möwen vorbei oder Raumschiff Enterprise legt einen kurzen Audio-Zwischenhalt ein. Besonders witzig, der Refrain bei "Af607105". Abgerundet werden die Lieder mit viel Piano, scharf gespielten Bass und zahlreichen Keyboard-Loops. Wer sich zudem "die Mühe" macht, die Texte genauer unter die Lupe zu nehmen, wird dafür mit witzigen bis tiefgründigen Zeilen belohnt. Pulp lässt grüssen!

Bevor ich jetzt aber jeden Song in seine Einzelteile zerlege um am Schluss auf das Ergebnis zu kommen, auf "5:55" hat es keinen einzigen schlechten Song, schlage ich einfach vor: Reinhören!
30 Sekunden-Samples gibts u.a. hier:

http://www.exlibris.ch/download_player.aspx?lm_id=3899189

Übrigens, in den meisten Biografien von Charlotte Gainsbourg wird - vermutlich bewusst - verschwiegen, dass es neben "Lemon Incest" mit Papa Serge noch eine zweite Single, ja sogar ein ganzes Album gab. Ganz unter dem Motto "ich war jung und brauchte das Geld" trägt die den Titel "Elastique" und ist, ehrlich gesagt, mies! Aber ich gebe es zu, trotzdem hat sie einen Ehrenplatz in meiner Jukebox gefunden. Jugenderinnerungen halt...und ein bisschen verliebt bin ich noch heute!

PS: Freue mich auf euer Feedback...