3. April 2014

Swisscom TV 2.0: Neues Fernseherlebnis!

Mit Swisscom TV 2.0 will Swisscom noch mehr Kunden von ihrem digitalen Fernsehangebot überzeugen. Das komplett neu entwickelte TV-Produkt bietet zusätzliche Funktionen, noch mehr Inhalte und präsentiert sich in neuem Design. Swisscom TV 2.0 bietet neu sieben Tage Replay auf über 250 Sendern. Für mehr Freiheit beim Fernsehen sorgt auch die neue Aufnahmefunktion: Dank einer cloudbasierten Lösung können Kunden jetzt beliebig viele Sendungen parallel aufnehmen. Das neue TV-Angebot ist ab sofort mit den neuen Vivo Paketen M, L und XL erhältlich, die zusätzlich höhere Internet-Geschwindigkeiten im Down- und Upload bieten.

 

 

Vor über sieben Jahren startete die Erfolgsgeschichte des digitalen Fernsehens von Swisscom. Heute nutzen bereits über eine Million Kunden das TV-Angebot der Telekommunikationsanbieterin. Bei den Kunden besonders beliebt sind die Sendervielfalt, die erstklassigen Filme und Live Sport Events auf Abruf, das zeitversetzte Fernsehen sowie die mobile Nutzung auf Smartphone, Tablet und PC. Diese Stärken baut Swisscom nun weiter aus: „Mit Swisscom TV 2.0 wird der Zuschauer zum eigenen Programmdirektor und kann jederzeit selbst bestimmen, welche Sendungen er wann und auf welchem Gerät schauen will“, sagt Urs Schaeppi, CEO Swisscom.

 

Parallel beliebig viele Sendungen aufnehmen

Die Basis für das flexible Fernsehvergnügen bildet die neue, von Swisscom entwickelte, Cloud-basierte TV-Plattform: Die Kunden speichern ihre TV-Inhalte nicht mehr wie bisher auf der Box daheim, sondern auf Swisscom Servern in der Schweiz. Davon profitieren die Kunden: Das Fernsehprogramm der vergangenen sieben Tage von über 250 Sendern, davon 70 in HD-Qualität steht nach Aktivierung des Dienstes jederzeit auf Abruf bereit. Zudem kann jeder Haushalt unabhängig von der verfügbaren Bandbreite unbeschränkt viele Aufnahmen gleichzeitig programmieren – bis zu einer Speicherkapazität von 1000 Stunden. Ein weiterer Pluspunkt von Swisscom TV 2.0: Bereits verpasste Sendungen der letzten sieben Tage können einzeln zu den Aufnahmen hinzugefügt werden.

 

Neuer App-Store und personalisierte Empfehlungen

Neu bietet Swisscom TV 2.0 Kunden rund 50 der beliebtesten Apps wie YouTube oder Facebook. Somit können Zuschauer Videos aus dem Internet direkt auf dem TV-Bildschirm zu Hause geniessen und mit Freunden teilen. Sport- und Kinofans steht das gesamte Teleclub on Demand-Angebot mit über 5000 Live Sport Events und mehr als 6000 Top-Filmen zur Verfügung.

Mit dem rasant wachsenden Angebot wird eine intuitive Benutzerführung zentral. Swisscom TV 2.0 bietet Zuschauern auf Wunsch persönliche Empfehlungen, die auf ihren individuellen Bedürfnissen basieren. Auch die Suchfunktion und die Fernbedienung wurden überarbeitet. Die TV-Box zeigt sich neu in schwarz-weiss und mit schlichtem Design. Die handliche und stromsparende Box kann zudem dank Funkfernbedienung im Schrank verstaut werden.

 

TV-Unterhaltung auch unterwegs und überall

Bereits ein Fünftel der Swisscom TV Kunden nutzt das mobile TV-Angebot regelmässig. Mit der Swisscom TV 2.0 App und dem Web-Angebot unter www.swisscom.ch/tvonline sind unterwegs jetzt doppelt so viele Sender verfügbar wie bisher: Kunden können neu über 170 Sender auf dem PC, Tablet oder Smartphone geniessen. Auch über die App profitieren Kunden auf allen Sendern von sieben Tagen Replay. Ebenfalls lassen sich von unterwegs Aufnahmen programmieren und zeitlich unbeschränkt abrufen.

 

Mit neuen Vivo Paketen noch schneller surfen

Swisscom TV 2.0 ist ab sofort in den neuen Kombiangeboten Vivo M, L oder XL erhältlich. Kunden profitieren von unbeschränkter Festnetztelefonie im Inland und surfen mit Vivo XL und Glasfaseranschluss neu mit bis zu 300 Mbit/s im Internet. Besonders die Uploadgeschwindigkeit beträgt neu bis zu maximal 60 Mbit/s, so dass Dateien schneller verschickt oder bei Cloud-Diensten gespeichert werden können. Die Pakete sind ab heute erhältlich, wahlweise auch ohne Festnetztelefonie. Kunden nutzen weiterhin ihr bisheriges Vivo Casa Angebot mit dem bestehenden TV Produkt, können aber auf Wunsch auf eines der neuen Abos mit Swisscom TV 2.0 wechseln.


2. April 2014

Der Fall Andy Wolf – oder: Wieso auch ein Radio ab und zu schweigen sollte

Die Entlassung von Moderator Andy Wolf (46) bei Radio Pilatus wirft derzeit hohe Wellen. Ob man Wolf nun mochte oder nicht ist meines Erachtens einerlei. Der Grund für den derzeitigen Shitstorm ist vielmehr die Kommunikation eines CEOs, der offenbar verkennt, dass auch fürs Radio manchmal gilt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. 
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Ich war nie ein Fan von Andy Wolf (Ich schon, zudem habe ich ihn als ehemaligen Arbeitskollegen und Freund immer geschätzt - Anmerkung von Monsieur Fischer). Er war mir als Moderator nie sonderlich sympathisch. Insofern wird mir Wolf bei Radio Pilatus nicht fehlen. Doch darum sollte es bei der Diskussion meines Erachtens auch nicht gehen. Jedenfalls nicht vordergründig. Die Geschichte offenbart vielmehr das fehlende Verständnis für Kommunikation von Radio-Pilatus-CEO Joachim Freiberg.

Ein Blick auf die Chronologie der Geschichte zeigt, wie der «Fall Andy Wolf» zu einem regelrechten Shitstorm und einem Imageschaden von Radio Pilatus führen konnte:

Höchstens eine kurze Nachricht wert

Am Freitag, 28. März, erfuhr die «Neue Luzerner Zeitung», dass Moderator Wolf nach 24 Jahren bei Radio Pilatus entlassen worden sei. Diese Meldung alleine wäre – wenn überhaupt – wohl höchstens eine kurze Nachricht in den Newsspalten der NLZ wert gewesen. Schliesslich werden jeden Tag zig Kündigungen ausgesprochen, und es ist durchaus legitim, wenn sich Radio Pilatus von einem Mitarbeiter trennt. Auch wenn dies im Fall von Wolf nach 24 Jahren geschah und einen Moderator betrifft, der in den Jahren zahlreiche Fans gewonnen hatte. Ebenfalls legitim war es von der NLZ, bei Radio-Pilatus-CEO Freiberg nachzufragen, was es mit der Kündigung von Wolf auf sich habe. Zumal das Gerücht umging, dass der 46-Jährige «per sofort freigestellt» wurde.

CEO reagiert anders als erwartet

Anlass zu einem Shitstorm gaben erst die Aussagen von Freiberg. Anders als man hätte annehmen können (und müssen), hielt sich der CEO nicht bedeckt. Anstatt mit dem zu erwartenden Stillschweigen – («Wir nehmen zu Personalentscheiden keine Stellung», «Wir haben uns einvernehmlich getrennt», «Kein Kommentar») – äusserte sich Freiberg gegenüber der NLZ erstaunlich offen über die Kündigungsgründe: Der Sender befinde sich zurzeit in einem «hochdynamischen Prozess», in dem Digitalisierung und Online-Journalismus zunehmend wichtiger würden. «In diesem Umfeld», hält Freiberg fest, «hatte Andy Wolf nicht seine besten Talente». 

Diese Aussagen des Radio-Pilatus-CEO sind in dreierlei Hinsicht stossend:
Erstens bringt Freiberg einen Kündigungsgrund vor, der offenbar so nicht zutreffen kann. Schliesslich – und das hält die NLZ im Artikel richtigerweise ebenfalls fest – gehört Wolf unter den Radio-Pilatus-Moderatoren zu den aktivsten Nutzern von Social Media, ist unter anderem auf Facebook, Twitter, Xing und LinkedIn aktiv. Ausserdem schloss er 2011 eine Social-Media-Ausbildung ab. Es wird also sofort augenfällig, dass Freiberg hier nicht den wahren Grund der Kündigung preisgibt.
Zweitens äussert sich Freiberg negativ über die Qualitäten eines entlassenen Mitarbeiters. Er wirft ihm mangelnde Kenntnisse in Digitalisierung und Online-Journalismus vor. Dass das in einer Phase, in der sich Andy Wolf für andere Jobs bewerben wird/muss, mehr als ungünstig ist, muss nicht eigens erwähnt werden.
Drittens – und das ist für mich fast das unglaublichste – steht Freiberg ganz offenkundig zu seinen Aussagen. Man hätte es ihm nicht verübelt, wenn er die Äusserungen spätestens beim Gegenlesen zurückgezogen hätte. Stattdessen segnete Freiberg – davon ist jedenfalls auszugehen – die Zitate ab. Und bestätigte sie tags darauf gegenüber «20 Minuten online». Dort setzt er gar noch einen drauf. Er begreife nicht, dass man immer meine, Social Media sei die digitale Welt. «Das ist eine reduzierte Sichtweise. Social Media ist nur ein Aspekt davon.» In Kürze werde etwa die Website von Radio Pilatus ganz neu daherkommen, was «ganz neue Herausforderungen» an die Moderatoren stelle, was das geschriebene Wort anbelangt. Mit anderen Worten: Wolf mag zwar auf Social Media aktiv sein, trotzdem kommt er in Sachen Digitalisierung nicht mehr hinterher. Und spätestens mit der neuen Website wäre der 46-Jährige, so lesen sich Freibergs Worte, überfordert gewesen.

Transparenz um jeden Preis

Gegenüber «20 Minuten online» probiert Freiberg denn auch sein Vorgehen zu rechtfertigen. Er hätte den Entscheid nicht öffentlich kommuniziert, wenn er nicht von einer Zeitung angefragt worden wäre. Und: «Hätte ich einfach eine Floskel gebracht im Sinne von gegenseitigem Einvernehmen, dann hätte man mir das auch vorgeworfen. Also entschied ich mich für Transparenz.»
Hier macht Freiberg einen entscheidenden Denkfehler. Transparenz ist nicht per se angebracht – schon gar nicht um jeden Preis. Und wenn man sie leben will, sollte sie auch sein, was sie verspricht: transparent, ehrlich, offen. Freiberg hat aber offensichtlich einen nicht (oder nur halb) wahren Kündigungsgrund vorgeschoben, ohne Rücksicht darauf, was diese Aussagen für Wolfs berufliche Zukunft bedeuten könnten.

Shitstorm folgerichtig

Dass die Reaktionen nun in Form eines Shitstorms auf Radio Pilatus zurückfallen, ist nur folgerichtig. Ich bin überzeugt: Hätte Freiberg die Entlassung von Wolf unkommentiert gelassen, wären die Mutmassungen bei den Hörern zwar nicht ausgeblieben. Aber – und darum gehts: Radio Pilatus wäre vom Imageschaden verschont gewesen.
Manchmal gilt eben auch für das Radio das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Leider hat Freiberg dies zu spät erkannt. Da bringt auch die widersprüchliche Stellungnahme nach vier Tagen Shitstorm nichts mehr. Im Gegenteil: Dass Radio Pilatus nun um Verständnis bittet, «dass personelle Entscheidungen nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden können, da sie die Privatsphäre der Beteiligten betreffen», wirkt letztlich nur noch zynisch.


21. Februar 2014

Киев is calling #EuroMaidan

Heut, es ist kurz vor Mitternacht, war ein komischer Tag. Irgendwie sind derzeit immer alle Tage irgendwie komisch, aber das wäre ein anderes Thema, welches an dieser Stelle nicht Thema sein soll. Es reicht schon, dass in der ukrainischen Hauptstadt zur Stunde gezielt Menschen durch Scharfschützen erschossen werden und die Welt schaut, einmal mehr, einfach nur zu. Klar sind Frank-Walter Steinmeier und Laurent Fabius derzeit in der Ukraine zu Besuch und auch die EU berät in Brüssel über Sanktionen. Aber mal ehrlich? Sanktionen, wozu und welche? Die Ukraine hat mit Russland einen starken Partner im Rücken, da ist man gar nicht auf Europa angewiesen. Die Schweiz könnte Konten sperren, aber die Gelder sind in meinen Augen eh schon lange nicht mehr auf unseren, sondern auf russischen Banken. A propos Schweiz, warum hört man von unserer Regierung nichts zu dem Thema? Klar, die Schweiz ist neutral. Trotzdem dürfte man an die Adresse von Diktator Wiktor Janukowytsch mal erwähnen, dass das, was er da gerade abzieht, so gar nicht geht. 


Aber kommen wir zum Hauptpunkt von diesem Blogpost: ich hatte heute die Möglichkeit, "mit Kiew zu skypen". Namen darf ich an dieser Stelle keine nennen, die Angst in der Stadt vor Repressionen ist zu gross. Darum nennen wir die Frau aus Kiew an dieser Stelle einfach mal Julia, sie ist 23 Jahre jung und arbeitet in der Modebranche. Derzeit kümmert sich Julia um ihren Job allerdings eher weniger, sie ist, zusammen mit ihren drei WG-Freunden, auf den Strassen der ukrainischen Hauptstadt unterwegs. Auf meine Frage, ob sie denn auch auf dem Maidan-Platz sei, sagt sie: "Ja, ich war auch schon da. Mehrmals sogar. Aber aktuell ist es kein Platz für Frauen, die Männer sind da und markieren Präsenz. Wir halten uns im Hintergrund und versorgen Verletzte." Die medizinischen Zustände seien katastrophal, erzählt Julia weiter. Es fehle vor allem am Material. Notdürftig wurde so heute eine Hotellobby zu einem Notfallspital umfunktioniert. Alle würden sich gegenseitig helfen, aber gegen die Waffen der Polizei hätten die Protestierenden fast keine Chance. Steine, Holzstöcke und ähnliche Sachen würden eingesetzt. Ich frage weiter, welches Ziel sie denn verfolgen würden: "Freiheit! Wir wollen einfach Freiheit, wir haben keine Lust mehr wie Sklaven behandelt zu werden!" Uns im Westen sei das vielleicht gar nicht so bewusst, wie stark der Einfluss von Russland auf die Ukraine sei und welche Macht Präsident Janukowytsch inne hält. Ja, stimmt: ertappt. Was wissen wir von der Ukraine? Fussball EM war mal da, mit Schewtschenko. Frau Timoschenko wurde verhaftet. Berühmte Boxer kommen aus der Ukraine. Die Halbinsel Krim und deren Sekt. Und dann noch einmal Fussball mit Schachtar Donjezk und Dynamo Kiew, diese mussten ihr Euro League Heimspiel von heute Abend bekanntlich auf Zypern spielen Und, nicht ganz unwichtig, durch die Ukraine gehen wichtige Pipelines, welche Gas nach Osteuropa liefern. 


"Wenn es dunkel wird, sollte man die Wohnung derzeit nicht mehr verlassen, das ist zu gefährlich. Du weisst nicht, wem du trauen kannst auf der Strasse. Die Männer von der Spezialeinheit Berkut sind überall und sie gehen nicht zimperlich mit dir um. Erst recht nicht, wenn du eine Frau bist," erzählt Julia vom Leben in Kiew. Schwierig sei auch das Einkaufen. Es gäbe lange Schlangen in den Ladengeschäften, viele Produkte seien gar nicht mehr erhältlich. Als "Beleg" dieser Aussage, schickt sie mir Fotos. Und führt dann aus: "Ein paar Freunde von mir sind losgefahren Richtung Polen, mit ihrem Auto. Aber sie konnten nicht mehr als 100 Liter Benzin besorgen, denn Benzin wird hier derzeit nicht mehr wirklich verkauft. Die U-Bahn fährt auch nur noch selten. Ich drücke meinen Freunden die Daumen, dass sie es schaffen!" Die Grenzen zu Polen sind derzeit, laut diversen Medien, blockiert. Eine Ein- und Ausreise scheinbar unmöglich. Zu einem offiziellen Visa kommt man laut Julia aktuell in der Ukraine auch nicht, denn die meisten Botschaften haben ihre Tore geschlossen, lassen nur noch Landsleute rein und die ukrainischen Behörden arbeiten derzeit auch nur noch mit halber Kraft. Geschweige denn, dass sie Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen würden, das Land zu verlassen. 
Mir drängt sich die Frage auf, in wen oder was man denn in dieser Situation eigentlich noch seine Hoffnung legt... "Gute Frage, wir hoffen halt einfach, das Land ist gespalten. Der Westen hat genug, im Osten des Landes ist es eher ruhig, da gibt es keine Demonstrationen" sagt die 23jährige. Was ist denn mit Vitali Klitschko, der bei uns in den Medien Tag für Tag auftaucht? "He is a bastard!", sagt Julia über Skype. Er sei einfach gerne im Mittelpunkt, aber viel mehr wäre da nicht. Er hätte in der Ukraine auch nicht so viel Macht, wie man im Westen vielleicht vermuten würde. Ähnlich denkt sie über Obama, er sei ein Waschlappen, seine Frau, die hätte da die Hosen an.   Schliesslich bringe ich auch noch Putin ins Spiel, der sei bis Ende der Woche noch mit Sotchi beschäftigt, danach habe sie Angst vor ihm und seinem Einfluss. "Petro Poroschenko wäre ein guter Mann für die Ukraine," fügt Julia hinzu. Er sei ein Schokoladenproduzent, so einer wie in der Schweiz und er besitzt zudem einen liberalen TV-Sender. Dazu ist er ein enger Vertrauter von Wiktor Juschtschenko, dem ehemaligen Präsidenten - der vom Geheimdienst mit Dioxin vergiftet wurde. Er wäre einer, aber dazu bräuchte es erst Neuwahlen und diese müssten dann auch noch fair verlaufen. All das sei aber in ganz weiter Ferne, sagt Julia ziemlich resigniert. 
Und nun, wie weiter? Sie hätte eigentlich nichts zu verlieren, erzählt sie. Eine Familie haben sie eh nicht mehr und vielen "Freunden" könne man auch nicht mehr vertrauen. Darum geht sie Tag für Tag auf die Strasse, erst einkaufen bei Tageslicht und am Abend kümmert sie sich um die verwundeten Demonstranten. Auf meine abschliessende Frage, was wir denn hier, in unserem sicheren Land Schweiz, tun könnten für die Menschen in der Ukraine sagt sie bescheiden: "Redet über uns, macht die Demonstrationen und die Menschenrechtsverletzungen, das Morden und die unbändige Macht des Regimes zum Thema. Und falls politisch Verfolgte bei euch Zuflucht suchen, dann nehmt sie auf." Und dann hat es Julia auf einmal sehr eilig, ihre WG-Kumpels fuchteln mit einem Handy herum. Sie kriegt einen Anruf, ich verstehe ausser "Schwizari" kein Wort. Julia legt auf und sagt, dass ausnahmsweise das Handynetz nicht überlastet wäre und sie nun "ins Zentrum" gehen müsse. Sie werde da gebraucht. "Sprecht darüber, dass bei uns Menschen auf offener Strasse hingerichtet werden und wir nicht einmal mehr genug Verbandsmaterial haben, um die Verletzten zu versorgen. Aber wir geben nicht auf, wir kämpfen weiter!" 


Sie schickt mir noch einen Link, auf welchem ich einen liberal eingestellten TV-Sender mitverfolgen kann, mit Livestream vom Maidan. Ich verabschiede mich mit einem "Hey take care!", sie antwortet mit "Alles wird gut!" und ist weg.








10. Februar 2014

"Das Boot ist voll!"

Erinnert sich noch jemand an den Film von Markus Imhof aus dem Jahr 1980? Die Handlung ist schnell erzählt: Sechs Personen ist 1942, während des Zweiten Weltkriegs, die Flucht in die (damals noch) neutrale Schweiz gelungen, doch eben diese Schweiz beschliesst im August des Jahres eine Verschärfung ihrer Aufnahmebedingungen. Die sechs Flüchtlinge versuchen, auch mit  Komplizenschaft einiger freundlicher Schweizer, durch Kleider-, Rollen- und Papiertausch die gestellten Bedingungen zu erfüllen. Doch der aufmerksame, eidgenössiche Dorfpolizist durchschaut das Spiel, fühlt sich hintergangen und ordnet das offizielle Verfahren an. Das Ende der Geschichte: die auf Grund rassistischer Motive Verfolgten müssen das Land verlassen, die "politisch Verfolgten" dürfen bleiben.


Es macht jetzt keinen Sinn, irgendeinen Zusammenhang zwischen dieser Geschichte und dem gestrigen Abstimmungssonntag herzustellen. 50,3 Prozent würden diesen vielleicht ja eh nicht verstehen. Fakt ist aber, ich habe mich heute Montagmorgen ziemlich intensiv mit den ausländischen Medien auseinandergesetzt: England, Frankreich und vor allem Deutschland. Von Paranoia ist da die Rede, ein Titel lautet: "Die Rassismus-Chronologie: So fremdenfeindlich ist die Schweiz" oder "Die Schweiz sagt ‹Fuck the EU". Die Liste liesse sich endlos weiterführen, bringt aber nix, da die Entscheidung ja gestern gefallen ist und so die Demokratie funktioniert. Dennoch ist es mir peinlich, in einen Topf mit denen geworfen zu werden, welche die humanitäre Tradition unseres Landes, den Integrationsgedanken unseres Sozialsystems und die Gastfreundlichkeit des Schweizer als solcher, mit Füssen treten. Erst recht, wenn das einzige Lob von Gestalten wie Marine Le Pen, dem niederländischen Rechtspopulist Geert Wilders oder Florian Philippot, stellvertretender Vorsitzender der französischen rechtsextremistischen Partei Front Nationa  kommt: «Gut gemacht, Schweiz! Eine echte Demokratie!», schrieb er auf Twitter. NTM! Aber jammern nützt heute eh nix mehr, vielmehr stelle ich an all die Wähler die Frage, die "nur ein Zeichen setzen wollten", welches Zeichen sie denn nun genau gesetzt haben? Etwa dass ein kleines, reiches Land lieber erst einmal auf sich schaut, bevor es sich um den Rest der Welt kümmert? Oder wir uns halt gerne aussuchen, welche Ausländer und genehm sind und welche nicht? Aber wenn dann Lars Unnerstall im Tor des FC Aarau eine Glanzleistung zeigt, dann jubeln ihm alle zu - gut er hat ja nur einen Vertrag bis im Mai und geht dann wieder zurück nach Gelsenkirchen. Liebe ausländische Mitbewohner dieses Landes, macht doch einfach alle mal einen Tag frei, das wäre mal ein Zeichen. Die Schweizer Wirtschaft würde stillstehen!

Ich habe mir die Frage gestellt, wie das sehr knappe Resultat zustandegekommen ist. Okay, hätten alle die, die eben dieses Zeichen setzen wollen (und ich kenne da ein paar!) einfach so gestimmt, wie sie sonst immer stimmen, dann hätten die knapp 20'000 Stimmen nicht gereicht. Oder man hätte auch einfach das Tessin den Italienern schenken können, von da kamen sehr viele Ja-Stimmen. Aber den Braten so richtig feiss gemacht, haben auch die Ticinesi nicht. Also, wer war es? Dann vermutlich die Gegegenden der Schweiz, in welchen es die meisten Ausländer hat. Das wären dann also Genf, Baselstadt, Waadt, Zürich oder auch Zug... Oh, die haben ja alle NEIN gestimmt! Ganz im Gegensatz zu Kantonen wie Appenzell, Uri oder Obwalden, da liegt der Anteil Ausländer bei rund 10 Prozent und alle haben die MEI angenommen?




Und dann gab es ja noch das Argument, dass die vielen Ausländer in der Schweiz dafür sorgen, dass es hier zu eng wird. Sprich die Züge sind überfüllt und auf den Strassen gibt es Stau und für die Kriminaltität in den Städten sind die Ausländer auch verantwortlich. So würde es also naheliegen, dass die Städter alle Ja gesagt hätten: haben sie aber nicht. Im Aargau haben alle Städte die Initiative abgelehnt, ausser Laufenburg! Und dieser Trend zieht sich so ziemlich konstant durch die ganze Schweiz. Gestern oft genannt wurde auch der Kanton Luzern, lag wohl daran dass ich das Weekend in diesem schönen Zentralschweizer Kanton verbracht habe, eben: von konservativen Wählern war die Rede. Nun, das mag sein, aber siehe da:


Und ja, die Schweiz hat mit 23 Prozent einen, im Verhältnis hohen Ausländeranteil. Unser Land wächst durch Einwanderer jährlich um rund 80'000 Menschen. Die seit 2000 vergleichsweise hohe Zuwanderung wurde aber ausgelöst durch den Bedarf von Schweizer Firmen an Fachkräften, sprich, wir sind es ja, die diesen extrem hohen Lebensstandart wollen und dieser wurde nur möglich, durch ausländische Arbeitskräfte. Das Ergebnis von gestern steht darum in einem massiven Widerspruch zu unseren wirtschaftlichen Ansprüchen. Das hat aber scheinbar niemand kapiert! Den meisten Ja-Sagern waren nicht die Arbeitskräfte oder der tolle Torwart oder die nette Dame am Kiosk oder der lustige Goran aus dem Turnverein im Hinterkopf, sondern der "Jugo, der immer so durchs Quartier rast mit einem 3er BMW", "diese Schwarzen am Bahnhof, die mit Drogen dealen", "diese Iraker, welche unsere Frauen vergewaltigen" oder "diese aggressiven Nordafrikaner, welche ständig Schlägereien anzetteln". Dazu galt auch das Argument der Einbürgerung nicht mehr, "auch wenn einer eingebürgert ist, bleibt er ein Ausländer und darum beträgt der Ausländeranteil bei uns auch fast 50 Prozent", zitiere ich einen Politiker. Kurz, weil die Schweizer Justiz tatsächlich vorhandene Probleme, egal ob von Schweizern oder Ausländern produziert, nicht in den Griff kriegt, müssen nun rechtschaffende Ausländer darunter leiden? Vom Bild der Schweiz im Ausland, den anstehenden Problemen, der Schweizer Fussball-Nati oder anderen Folgen dieses Entscheids möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht anfangen. Aber was mach ich mir überhaupt Gedanken? Die SVP-Vertreter betonen seit gestern in JEDEM Interview, dass sie mit der Umsetzung dieser Initiative nichts zu tun hätten, das wäre nun Sache des Bundesrates...

Habe fertig. Zum Schluss ein Ausschnitt aus einem Mailkontakt von heute Morgen zwischen der Schweiz und einer Berliner Radiostation, welche sich Sorgen um die (Zitat) "paranoide Schweiz" gemacht hat: "Gruss au der geteilten Schweiz: niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen, müssen wir ja auch nicht – die in den Köpfen sind seit gestern dick zementiert. Ich wünsche mir darum ein Lied bei euch, um der Welt zu sagen, nicht alle Schweizer sind gegen Ausländer und wir mögen euch. Rettet uns vor dem steten Kapitalismus und der Angst vor dem Fremden, spielt Musik für uns…"


Und ach ja, liebe Schweizer Sportfreunde, die ihr gestern Ja gestimmt hat und euch bei Olympia über die menschenverachtenden putinschen Gesetze gegen Homosexuelle aufregt und euch dann über die Goldmedaille des Zürcher Boardes Iuri Podladtschikow freut, so kurz nachdem ihr im Facebook noch Stanislas Wawrinka in den Tennishimmel gelobt habt... erst nachdenken und dann aufregen oder freuen!


Quellen: 
http://www.martingrandjean.ch/suisse-la-votation-sur-limmigration-en-un-graphique/
http://amade.ch/2014/02/dichtestress-fremdenhass/?fb_action_ids=10201381675249402&fb_action_types=og.likes
http://www.berliner-zeitung.de/home/10808950,10808950.html






23. Januar 2014

Zugfahrt

Das ist quasi ein Live-Blog. Aus dem ÖBB Zug Zürich - Budapest. Leider bin ich nur bis Innsbruck Gast in diesem roten Gefährt. Schade, in Budapest war ich nämlich noch nie. Nächstes Mal. Nun gut, dieser Blogpost ist eh mehr Therapie, denn wirklich gewollt. Ein guter Freund hat massive gesundheitliche Probleme, die Lage hat sich heute Morgen noch einmal zugespitzt: Intensivstation. Da ist man während sechs Stunden Zugfahrt froh um Ablenkung, tja und Schreiben hat mir schon so oft durch schwere Zeiten geholfen. Auf dem Kopfhörer übrigens das Australian Open Live Radio, Go Stan!  Aber ich schreibe ja auch, weil es hier in diesem 1. Klasse Abteil so interessante Mitreisende hat. Grrrr, der Zug wackelt in den Ösi-Tälern, macht das Tippen auf dem iPad auch nicht einfacher. Man möge allfällige Fehler verzeihen. 

Nun gut, beginnen wir mit dem Mann direkt rechts von mir. American Boy, um die 45 und irgendwie aus Seattle. Zumindest erinnert er mich an Kurt Cobain. Auch wenn seine Haare, inkl derer auf der Brust, wesentlich grauer sind. Okay, Kurts Haare währen heute auch grau, wetten? Der Ami neben mir hat ein Hörgerät, vermutlich hat er in einer Grunge-Band gespielt, damals. Zu laut. Er erinnert mich irgendwie an Dirk Stermann. Unabhängig davon hat als erstes seine Bergschuhe ausgezogen, seine blonde Begleitung ebenso. Sie sitzt übrigens verkehrt im Leder-Komfort-Sessel. Also Füsse in der Lehne. Und ich dachte immer, dass ich komisch sitzen würde. Nun, reden tun sie nicht viel. Er hat mich schon früh gefragt, wie das mit dem Wifi im Zug denn so wäre. Sie hat, als der Schaffner uns Zeitschriften anbot genickt und dann ein "Wiener" in Empfang genommen. Sichtbar errötet gab sie es zurück, als sie die nackten Frauen in Overknee-Stiefel auf dem Cover sah. Er hätte es gerne genommen, durfte aber nicht. Die ach so prüden Amis halt. Eine Spruch von wegen "Wiener" konnte ich mir nicht verkneifen, was dann für noch mehr Blut in ihrem Kopf gesorgt hat. Eventuell doch keine Sex, Drugs and RocknRoll Story bei den beiden. Jetzt schauen sie die Berge an und schweigen dazu. Seit über einer Stunde. Und er ackert Zugsfahrpläne durch - Wifi sei dank. 

Vor den beiden sitzt eine junge Frau aus Ungarn, neben ihr die Frau Mama. Die Jüngere der beiden ist, so rate ich mal, Model oder Schauspielerin. Aber nicht in Hollywood, nein, so ungarische Indie-Produktionen, in denen der Kameramann ohne Skrupel auch mal 5 Minuten nur eine Kaffeetasse filmt. Angezogen wie ein Hippster raucht sie E-Zigaretten und liest E-Book. Dazu noch ein Mac auf dem Schoss und Sprüngli-Schoggi. Sie wirkt sehr unnahbar und gelangweilt. Normalerweise reist sie vermutlich mit dem Flugzeug, was mit dem vielen Gepäck auch durchaus Sinn macht. Aber die Frau Mama wollt mit dem Zug fahren, weil sie doch endlich mal die Berge sehen möchte. Na gut, sie hat ihr den Gefallen getan, dafür hat es wohl die neuen Ledestiefel als Geschenk gegeben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die so glänzen und sie immer daran rumfummelt. Wieder ein Zug an der E-Zigi...

Hinter mir der Businessman. Immer am Telefon und er haut so heftig in die Tasten, dass mein Sitz wackelt. Zwischendurch schläft er spontan ein und schnarcht. Bis er vom Handy wieder geweckt wird. Gleich neben ihm zwei ältere Damen, sie gehören zu 30köpfigen Reisegruppe "SRF Kulturreise nach Salzburg". Seit Zürich waren sie rund 10 Minuten an ihrem Platz, die restliche Zeit in Resto-Waggon oder im hinteren Wagen, weil da der Rest der Reisegruppe sitzt. Und das mögen sie nicht, so abseits. Das haben sie dem Schaffner energisch mitgeteilt, dieser hat seinen Frust über den Anschiss an den beiden, inzwischen Joghurt essenden, Amis rausgelassen und sich über ihre schlecht gedruckten Print@home Tickets aufgeregt. 

Die Schauspielerin hat, inzwischen ist die Sonne da, ihr Hemd ausgezogen und sitzt in einer Art Spitzenbody da. Ihr Gegenüber ein Ösi-Ehepaar, beide gehen 80 Jahre alt. Der gute Mann weiss nicht wie ihm geschieht, oder besser gesagt, wo er hinschauen soll. Ja, Berge, aber ich glaube seine Frau hat nicht diese Berge gemeint. Ich seh die Ungarinnen ja nur von hinten und das ist gut so. Es reicht, wenn sie mit wallendem Haar den Kopf dreht und den Rauch der E-Zigi in den Gang bläst. 

Mein Held ist sowieso der Kellner, jongliert mit 2 vollen Tabletts durch den Zug. Egal ob Kaffee, Bier oder Essen - er scheint die Regeln der Schwerkraft zu überwinden. Und das mit guten 100 Kilogramm auf den Hüften. Okay, die Tomaten-Pasta... ja, sie haben Flecken auf seinem Hemd hinterlassen. 

Bald bin ich in Innsbruck. Stan hat gewonnen. Schnee hat es hier irgendwie gar keinen. Inzwischen läuft Rio Reiser aufm Kopfhörer. Und beim Rausgehen frage ich noch freundlich nach dem "Wiener".